Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 13

44 | TITEL sechs Monate pflegerische und betreuerische Hilfen benötigen. Pflegebedarf ist hierbei als individuelles Bedürfnis zu verstehen, das sich im Kontext der Multimorbidität, Gebrechlich- und Abhängigkeit im entsprechenden Pflegegrad darstellt. Epidemiologie defizitärer Mundhygiene und Parodontitis Es ist durchaus eine Besonderheit, epidemiologische Daten älterer Menschen und insbesondere derjenigen mit Pflegebedarf in Deutschland in der DMS V zur Verfügung zu haben. Die Mehrzahl der internationalen epidemiologischen Untersuchungen stellten eher repräsentative Daten „jüngerer“ Senioren-Populationen in den Fokus [Jordan et al., 2016]. Wenn auch die DMS V selbst nun bereits einige Jahre alt ist und aktuell die Datenerhebung für die DMS VI stattfindet, ist nicht davon auszugehen, dass sich die gezeigten Trends maßgeblich verändern werden. Eine weitere Verschiebung parodontaler Erkrankungen in noch höhere Lebensalter wäre möglich. Bereits in der DMS V wurde deutlich, dass die tägliche Durchführung der notwendigen Mundhygienemaßnahmen mit zunehmendem Alter und zunehmendem Pflegebedarf defizitärer wird. Viele 75- bis 100-jährige Menschen mit Pflegebedarf waren nicht mehr selbst in der Lage, ihre Zähne und Zahnprothesen eigenständig zu pflegen, und benötigten Unterstützung bei der täglichen Mundhygiene (Abbildung 1). Eine reduzierte Mundhygienefähigkeit spiegelt sich unter anderem in dokumentierten Sondierungsblutungen (Bleeding on Probing – BoP) bei etwa 65 Prozent der älteren Senioren mit Pflegebedarf wider. Wenn auch die Prävalenz von parodontalen Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung zurückgegangen ist, ist die Erkrankungslast im höheren Lebensalter massiv und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vom mittleren ins höhere und höchste Lebensalter verlagert. So gibt es bei den jüngeren Senioren (65- bis 74-jährig) einen rückläufigen Trend im Vergleich zur DMS IV bei der Parodontitis trotz einer zunehmenden Zahl erhaltener Zähne, bei den 75- bis 100-Jährigen und Menschen mit Pflegebedarf sind aber über 80 Prozent von moderater oder schwerer Parodontitis, gemessen an der CDC/AAP-Klassifikation, betroffen (Abbildung 2). Parodontitis bei älteren Patienten Aus – teils bereits älteren – Untersuchungen wissen wir, dass sich die parodontale Erkrankung im höchsten Lebensalter hinsichtlich der Ätiopathogenese und der mikrobiellen Veränderungen nicht maßgeblich unterscheidet von einer parodontalen Erkrankung in jüngeren Lebensphasen [Haffajee et al., 1998]. Die aktuelle Evidenz zu Prävalenzen der Parodontitis bei älteren Menschen und insbesondere Assoziationen zum Eintritt chronischer Erkrankungen und damit einhergehendem Pflegebedarf ist rar, was teilweise an den multifaktoriellen Zusammenhängen und Einflussfaktoren liegt. Die anerkannten Zusammenhänge zwischen Plaque, inflammatorischer Veränderung, Attachmentverlust treffen nach aktuellem Stand des zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1142) MUNDHYGIENEFÄHIGKEIT 0 10 20 30 40 50 60 normal leicht reduziert stark reduziert keine 75- bis 100-Jährige 75- bis 100-Jährige mit Pflegebedarf Abb. 1: Daten der DMS V zur Mundhygienefähigkeit der 75- bis 100-jährigen Senioren und derjenigen gleichen Alters mit Pflegebedarf: Bei 75- bis 100-jährigen Senioren mit Pflegebedarf ist nur für 23 Prozent eine normale Mundhygienefähigkeit dokumentiert versus 54 Prozent bei 75- bis 100-jährigen Senioren ohne Pflegebedarf [Nitschke et al., 2016]. Quelle: Greta Barbe PARODONTALERKRANKUNGEN 75- BIS 100-JÄHRIGE DMS V 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 65- bis 74-jährig 75- bis 100-jährig 75- bis 100-jährig mit Pflegebedarf keine/milde Parodontitis moderate Parodontitis schwere Parodontitis Abb. 2: Anhand der CDC/AAP-Klassifikation dargestellte Prävalenzen keiner/milder, moderater und schwerer Parodontitis bei jüngeren Senioren, 75- bis 100-Jährigen und 75- bis 100-Jährigen mit Pflegebedarf [Jordan et al., 2016]. Quelle: Greta Barbe

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