56 | TITEL kommt patientenseitig hinzu, dass viele Patientinnen und Patienten mit zunehmendem Alter duldsamer gegenüber mangelhaften Zuständen im Allgemeinen und auch in der Mundhöhle werden – und deshalb Veränderungen und Beschwerden oft erst sehr spät kommunizieren. Dies führt dazu, dass die Notwendigkeit, die Mundhygiene pflegerisch zu unterstützen, oftmals zu wenig ins Bewusstsein gelangt. Angesichts der Schwierigkeit, die Mundhygiene im höheren Alter und speziell bei beginnenden Einschränkungen zu verbessern, wird deutlich, dass der Fokus viel mehr auf die Optimierung der Mundhygiene im jüngeren Alter gelegt werden muss. Eine regelmäßige positive Motivation von Patientinnen und Patienten jeglichen Alters scheint sich positiv auf das Verhältnis zur Mundhöhle und damit auch auf die Bereitschaft zur Ausführung der Mundhygiene auszuwirken [Mueller et al., 2022]. Es sollte daher kontinuierlich ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis angestrebt werden, um die positive Besetzung der Mundhöhle und damit eine gute Mundhygienebereitschaft zu erreichen. Ernährung Der dentale Biofilm ist kein statisches Gebilde, sondern ein Ökosystem, in dem eine Vielzahl von Bakterienspezies ein Habitat finden. Dieses Habitat kann je nach Substratzufuhr kariogene Mikroorganismen fördern oder inhibieren. So kann die häufige Zufuhr von Kohlehydraten zur Selektion und Proliferation von kariogenen Mikroorganismen und damit zur Ausbildung einer besonders kariogenen Plaque führen, umgekehrt führt die Reduktion von Zuckerimpulsen zur Dominanz nicht kariogener Mikroorganismen [Takahashi und Nyvad, 2016]. Daher trägt auch eine zahngesunde Ernährung zur Vermeidung von Wurzelkaries bei. Allerdings sollte immer bedacht werden, dass die Lust an angenehmen Geschmackserlebnissen speziell im Alter einen wesentlichen Beitrag zum generellen, aber auch intraoralen Wohlbefinden leistet. Weiterhin ist die Ernährung vielfach von der Lebenssituation abhängig. Während uneingeschränkte Personen ihre Ernährung selbst bestimmen, wird sie mit zunehmenden Einschränkungen mehr und mehr fremdbestimmt. Deshalb sollte die Ernährungsberatung den individuellen Kontext erfassen und idealerweise nach einer Ernährungsanalyse – etwa nach genauer Ernährungsanamnese mit Ernährungstagebuch – und unter Einbeziehung von unterstützenden oder pflegenden Personen erfolgen. Wichtig ist auch, spezielle Gewohnheiten zu erfragen, beispielsweise zur Linderung von Trockenheitsgefühlen, zu Snacks, Trinkgewohnheiten und Zwischenmahlzeiten. Ziel sollte es sein, häufige und lange anhaltende Zuckerimpulse zu vermeiden und die Zuckermenge insgesamt zu reduzieren, da beides die Kariogenität der Plaque beeinflussen kann [Head et al., 2017]. Zum Beispiel sollte das Lutschen von zuckerhaltigen Bonbons bei Mundtrockenheit, etwa sogar in der Nacht, unbedingt vermieden werden. Unabhängig vom Alter kann Dehydrierung zu einem verminderten Speichelfluss führen [Oliver et al., 2008], daher sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr durch zuckerfreie Getränke geachtet werden. Neben Zucker kann auch prozessierte Stärke kariogen sein, jedoch – zumindest im Schmelz – in wesentlich geringerem Maß [Hartles und Lawton, 1957]. Im Dentin hingegen kann die Verstoffwechselung prozessierter Stärke und die damit verbundene Säurebildung zu deutlichen Demineralisationen führen [Lingstrom et al., 1994], so dass dieser Ernährungskomponente in der Ernährungsberatung bei freiliegenden Wurzeloberflächen besondere Beachtung geschenkt werden sollte. In Kombination mit Zucker erhöht sich das kariogene Potenzial von Stärke erheblich [Souza et al., 2018]. Solche Produkte können lange in Interdentalräumen verbleiben, Zucker freisetzen und somit das Kariesrisiko deutlich erhöhen [Kashket et al., 1996]. Wo immer möglich sollte auf zuckerfreie Produkte, beispielsweise zuckerfreie Bonbons oder Kaugummis, zurückgegriffen werden. Für süße Snacks, etwa Kekse, können salzige Produkte ohne prozessierte Stärke, beispielsweise Nüsse, eine Alternative sein. Ebenso können Zuckerersatzstoffe zum Süßen eine gute, nicht kariogene Alternative zu Haushaltszucker darstellen. Sie werden nicht in die Glykolyse eingezm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1154) CME AUF ZM-ONLINE Wurzelkaries – Prävention und individualisierte Therapiestrategien Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. PLAQUE-INDEX NACH SILNESS UND LÖE (MAXIMALWERT) 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 12-Jährige 2 29 46 24 2 36 39 24 35-44-Jährige 1 20 40 39 65-74-Jährige Prozent keine Plaque wenig Plaque Plaque klinisch zu erkennen Plaque in großer Menge Abb. 7: Mundhygienestatus in den verschiedenen Altersgruppen, Daten aus DMS V [Jordan und Micheelis, 2016]
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