68 | GESELLSCHAFT AUSSTELLUNG IM WILHELM-FABRY-MUSEUM HILDEN „Im Kaltlicht der OP-Lampe“ Kay Lutze Das Hildener Wilhelm-Fabry-Museum zeigt mit „Im Kaltlicht der OP-Lampe“ eine neue Ausstellung zum Thema Medizingeschichte. Dieses Mal wird das Werk der umstrittenen, nach ihrem Tod zeitweise in Vergessenheit geratenen Künstlerin Maina-Miriam Munsky präsentiert. Die Basis für ihr beeindruckendes künstlerisches Schaffen legte Munsky zunächst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig von 1963 bis 1965. Nicht ganz ein Jahr war sie an der Accademia die Belle Arti Florenz bei Ugo Capocchini. Dann ging sie ab Herbst 1966 zu Alexander Camaro und Hermann Bachmann als Meisterschülerin an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Ihre Arbeiten befassen sich vor allem mit dem Beruf des Chirurgen. Die kleine Retrospektive zu ihrem 80. Geburtstag widmet sich im Schwerpunkt dem Geburtsvorgang – mit Gemälden und Grafiken der Leihgeber Jan Schüler und Prof. Dr. Axel Murken. Gezeigt werden auch Bilder von der Künstlerin und ihres Mannes Peter Sorge vom Fotografen Erhard Wehrmann. Geboren wurde die Malerin am 24. September 1943 in Wolfenbüttel. Beide Elternteile hatten kreativ-künstlerische Berufe. Der Vater Oskar war Architekt, die Mutter Gertrud Fotografin. Die Künstlerin gehört zur Schule des neuen Realismus. Ihre klaren, kühl, bisweilen distanziert wirkenden Bilder, zeigen den Blickwinkel (quasi) einer Fotografin, die im richtigen Moment den Auslöseknopf drückte, um sehr emotionale Situationen festzuhalten. Ungeschminkter Realismus Teilweise sind ihre Bilder verstörend, etwa die Darstellung von ungeborenen Kindern in Reagenzgläsern in dem Werk „Manipulation“ von 1981. Nur wenige Jahre zuvor war das erste sogenannte Retortenbaby im englischen Manchester zu Welt gekommen. Ihre Werke zum Thema „Geburt“ lassen sich auch als Aufarbeitung eines persönlichen Traumas sehen. Zur Führung durch die Ausstellung war der Leihgeber, der Düsseldorfer Künstler Jan Schüler, anwesend, der über seine Mutter eine direkte Beziehung zur Künstlerin hatte. In der Präsentation in Hilden hängt sogar ein Gemälde, das Jan Schüler und MainaMiriam Munsky vor dem Abgang zu den Bahngleisen am Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin zeigt (Schüler, 2011). Schüler befasste sich seit dem Tod seiner Mutter mit Munsky, initiiert auch durch Dokumente, die er im Nachlass seiner Mutter entdeckt hatte. Er berichtet, dass Munsky als Studentin eine Affäre mit ihrem Professor hatte und schwanger wurde. Ihre Mutter Gertrud fuhr mit ihr zur Abtreibung nach Amsterdam; in Deutschland war dies damals noch verboten. Der Zyklus zur Geburt entstand in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Diskussion um Verhütung, Babypille und Schwangerschaftsabbruch in Deutschland voll entbrannt war. Ihre Arbeiten waren somit sehr politisch und wurden zum Teil kritisch gesehen. Ein Vorwurf war, sie würde den weiblichen Körper in pornografischer Weise darstellen und damit quasi die pornografischen Bilder ihres Mannes Peter Sorge adaptieren. In der Tat mögen einige Arbeiten Munksys Anfang der 1970er-Jahre drastisch und provozierend gewirkt waren. So malte sie den Geburtsakt, bei dem das Neugeborene noch mit Nabelschur dem Schoss der Mutter entgleitet, oder 1972 eine Kolposkopie. Im Ausstellungtext ist zu den Geburtsszenen zu lesen: „Ihre Bilder zeigen, entgegen den typischen Erzählungen Ausschnitt aus „Nabel“, 1971, Acryl auf Nessel, Sammlung Schüler Foto: Kay Lutze zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1166) Kay Lutze Historiker, M.A.
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