ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN | WWW.ZM-ONLINE.DE „Meine Gründer-Geschichte“ Von der Ordensschwester zur Praxischefin: groß träumen, fleißig anpacken und demütig bleiben. SEITE 24 Sächsische Kita-Gesetz-Novelle Ab dem 1. August gehört die Förderung der Zahn- und Mundgesundheit zum Bildungsauftrag der Kitas. SEITE 30 Ein Zahnarzt im Bundestag Nach der Sommerpause rückt Christian Bartelt aus Mecklenburg-Vorpommern für die FDP in den Bundestag nach. SEITE 14 FORTBILDUNG „ALTERSZAHNMEDIZIN“ Bleibt alles beim Alten? AUSGABE 13 | 2023 zm 01.07.2023, Nr. 13
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EDITORIAL | 3 When I'm Sixty-Four ... Sachsen (LAGZ Sachsen) war eine Menge Vorarbeit für den Erfolg nötig. Darüber hinaus haben wir in dieser Ausgabe eine „GründerGeschichte“ der besonderen Art. Wir stellen eine Zahnärztin vor, die zur Ordensfrau wurde und heute beides miteinander verbindet. Im oberpfälzischen Auerbach leitet sie in direkter Nähe zu ihrem Kloster eine Zahnarztpraxis, wo weitere Ordensschwestern mitarbeiten. Lesen Sie, wie sie Kloster- und Praxisalltag miteinander verbindet. Familienangehörige arbeiten häufig in Praxen mit. Wenn dies im Rahmen einer Anstellung geschieht, sollte man die Steuer- und Sozialabgaben im Blick haben. Unsere Experten erklären, worauf dabei zu achten ist. Ein thematisch sehr vielfältiges Heft wartet also auf Sie. Viel Spaß bei der Lektüre! Sascha Rudat Chefredakteur Die Demografie ist ebenso unerbittlich wie eindeutig. In Deutschland wird es in den nächsten Jahrzehnten immer mehr ältere und hochbetagte Menschen geben. Auf diesen Wandel werden wir als Gesellschaft uns einstellen müssen. Dasbetrifft natürlich insbesondere die medizinische Versorgung. Der Zahnmedizin kommt dabei eine besondere Rolle zu. Die gute Nachricht: Es werden immer mehr ältere Menschen ihre eigenen Zähne besitzen. Das bedeutet speziell angepasste Präventionsmodelle. Ohnehin wird es eine Vielzahl individuell zugeschnittener Behandlungswege geben müssen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen alter Menschen gerecht werden zu können. Das stellt natürlich in Zukunft besondere Anforderungen an die Praxen. Seniorengerechte Praxen rücken damit in den Fokus. In unserer zweiteiligen Fortbildungsreihe zur Alterszahnmedizin geben wir in dieser Ausgabe zunächst einen Ausblick auf die Zukunft. Dann beschäftigen wir uns mit der Prävention und der Parodontitistherapie im höheren Lebensalter und bei Pflegebedarf sowie mit dem Thema Wurzelkaries im Alter. Die Zeiten, in denen Zahnärztinnen und Zahnärzte stillschweigend alles geschluckt haben, was ihnen die Politik vorgesetzt hat, scheinen langsam wieder vorbei. Dazu hat sich zu viel Wut und Frust über die Politik der Bundesregierung aufgestaut. Unter dem Motto „Das Maß ist voll! – Zähne zeigen!“ kamen deshalb am 14. Juni mehrere hundert Zahnärztinnen, Zahnärzte und ZFA zu einer Großdemonstration am Kölner Dom zusammen. Gemeinsam zeigten sie der Gesundheitspolitik der Ampel-Regierung die Rote Karte. Wir berichten von der Protestaktion am Rhein. Auf Sturm stehen auch die Zeichen bei den Zahntechnikern, nachdem der Gesundheitsausschuss des Bundestages einen Unionsantrag, der eine systematisch höhere Vergütung und somit eine Änderung der gesetzlichen Vergütungsregulierung gefordert hatte, abgelehnt hat. Wir zeigen die Stellungnahmen der einzelnen Fraktionen. Bekanntlich sind Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht gerade üppig im Deutschen Bundestag vertreten – anders als ihre ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Demnächst ist es einer mehr. Nach der Sommerpause rückt der Zahnarzt Christian Bartelt für einen zurückgetretenen Kollegen ins Parlament nach. In der sitzungsfreien Zeit will Bartelt in seiner Praxis in Spantekow (Mecklenburg-Vorpommern) weiterhin am Stuhl stehen. Was er sonst noch vorhat, erfahren Sie in unserem Interview. Außerdem richten wir den Blick nach Sachsen. Dort gehört die Förderung der Zahn- und Mundgesundheit von Kindern ab dem 1. August verbindlich zum Bildungsauftrag der Kitas. Eine entsprechende Ergänzung wurde im Rahmen der jüngsten Novellierung ins Kita-Gesetz des Freistaats aufgenommen. Ganz einfach war dies nicht, seitens der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege des Freistaates Foto: Lopata/axentis
4 | INHALT 12 Demonstration in Köln Hunderte Zahnärztinnen, Zahnärzte und ZFA zeigten der Gesundheitspolitik der Ampel-Regierung die Rote Karte. 64 Praxisübernahme in Garmisch-Partenkirchen Wie die Kieferorthopädin Anca Popescu ihre Corporate Identity gefunden hat. MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel 8 Leserforum POLITIK 12 ZahnärztInnen demonstrieren inKöln Der Protest bleibt laut 14 Zahnarzt Christian Bartelt sitzt ab September im Bundestag „Meine Praxis hat oberste Priorität“ 19 Statistik der Bundesagentur für Arbeit Dringend gesucht: ZFA und Zahnärzte 30 Sächsische Kita-Gesetz-Novelle „An der Mundgesundheit kommt nun keiner mehr vorbei“ 62 Jahresbericht der Berliner Datenschutzbeauftragten Vorsicht mit SMSTerminvereinbarungen 72 vmf zur Entscheidung des Gesundheitsausschusses „Die Ampel treibt Zahntechniker in andere Branchen!“ ZAHNMEDIZIN 28 Neue S3-Leitlinie erschienen Materialunverträglichkeiten bei dentalen enossalen Implantaten TITELSTORY 32 Fortbildung „Alterszahnmedizin“ 34 Was in der Alterszahnmedizin auf uns zukommt 42 Prävention und Parodontitistherapie im höheren Lebensalter und bei Pflegebedarf 50 Wurzelkaries – Prävention und individualisierte Therapiestrategien Inhalt Foto: zm-sth Foto: m2c zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1102)
INHALT | 5 68 Ausstellung im Wilhelm-Fabry-Museum in Hilden „Im Kaltlicht der OP-Lampe“ zeigt das Werk von Maina-Miriam Munsky. TITELSTORY 32 Fortbildung „Alterszahnmedizin“ Drei Beiträge: Was kommt zukünftig auf uns zu? Prävention und Parodontitistherapie im höheren Alter. Individualisierte Therapiestrategien bei Wurzelkaries. PRAXIS 16 Anstellung von Familienmitgliedern „Meine Mutter macht bei mir den Empfang – als Minijobberin“ 18 Australische Persönlichkeitsstudie Ärzte sind gewissenhafter, aber auch neurotischer als Patienten 22 Service-Angebot für die Praxis Neues Video zum ZahnputzZauberlied verfügbar! 24 „Meine Gründer-Geschichte“ Von der Ordensschwester zur Praxischefin 64 Wie man der Praxis seinen Stempel aufdrückt Das wäre doch g’lacht GESELLSCHAFT 27 Größter Diebstahl von Gesundheitsdaten in 2023 USA: Cyberkriminelle erbeuten Daten von neun Millionen Zahnarztpatienten 68 Ausstellung im Wilhelm-FabryMuseum Hilden „Im Kaltlicht der OP-Lampe“ MARKT 76 Neuheiten RUBRIKEN 60 Termine 67 Formular 71 Impressum 74 Bekanntmachungen 94 Zu guter Letzt Foto: Carolina Ganß Foto: Kay Lutze zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1103) Titelfoto: DenisProduction.com – stock.adobe.com
In der Gesundheitspolitik sind wir es als Standesvertretung gewohnt, dicke Bretter zu bohren und mit Beharrlichkeit für die Positionen zu kämpfen, die wir für die Patientenversorgung für richtig halten. Dabei haben wir stets ein klares Ziel vor Augen. So wie bei unserem Kampf gegen investorengetragene MVZ (iMVZ), vor deren Gefahren die KZBV schon seit Jahren eindringlich und sachlich fundiert warnt. Am 16. Juni konnten wir nun einen Etappensieg erringen. An diesem Tag hat der Bundesrat mit deutlicher Mehrheit den von den Ländern Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein sowie Hamburg eingebrachten Entschließungsantrag „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ beschlossen. Die Entschließung enthält einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Eindämmung von iMVZ und beruht auf einem breit getragenen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom Frühjahr. Das klare Votum des Bundesrates ist ein starkes Signal an den Bundesgesetzgeber, die Versorgung endlich wirksam vor den Gefahren durch iMVZ zu schützen. Deshalb begrüßen wir die Entschließung der Länderkammer außerordentlich. Insbesondere die räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis, die MVZ-Schilderpflicht und die Einführung eines MVZ-Registers sind wichtige Elemente, um der Vergewerblichung der Versorgung Einhalt zu gebieten. Aus unserer Sicht sollte darüber hinaus für den Bereich der zahnärztlichen Versorgung noch ein zentraler Baustein ergänzt werden, um den Gefahren von iMVZ für die Patientenversorgung speziell in diesem Versorgungsbereich tatsächlich wirksam zu begegnen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass neben der räumlichen zwingend auch eine fachliche iMVZGründungsbeschränkung gesetzlich verankert wird. Hierzu sollte der bereits 2019 mit dem Terminserviceund Versorgungsgesetz für den zahnärztlichen Bereich beschrittene Sonderweg konsequent weiterverfolgt werden. Zahnärztliche MVZ sollten nur von Krankenhäusern mit einer zahnmedizinischen Fachabteilung bzw. einem zahnmedizinischen Versorgungsauftrag gegründet werden dürfen. Jetzt ist Bundesgesundheitsminister Lauterbach unter Zugzwang. Es ist höchste Zeit, dass er nun endlich seinen eigenen klaren Worten auch Taten folgen lässt. Wir erinnern uns: Kurz vor dem Jahreswechsel hatte Lauterbach vollmundig angekündigt, die Finanzinvestoren würden ihr letztes schönes Weihnachtsfest gehabt haben. Jetzt ist es an ihm, diese Ankündigung auch wirksam umzusetzen. Im Sinne des Patientenwohls ist eine wirksame Regulierung des Investorentreibens überfällig. Das unterstreicht der breit und parteienübergreifend getragene Beschluss der Länder sehr deutlich. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der die Forderungen des Bundesrates ergänzt und eine fachliche Gründungsbeschränkung für zahnärztliche MVZ aufgreift, sollte jetzt so schnell wie möglich vorgelegt werden – am besten noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Versorgungsgesetz I. Allerdings zeigen uns unseren bisherigen Erfahrungen, dass der Minister viele Bälle in die Luft wirft, aber nur bei wenigen Themen bislang tatsächlich geliefert hat. Ein Großteil der teils hochkonfliktären Gesetzesvorhaben hat es noch nicht einmal über den Ankündigungsmodus hinausgeschafft. Die GKV-Finanzreform, die beiden Digitalgesetze, das Versorgungsgesetz I und II, das Bürokratie-Entlastungsgesetz – überall sind nicht viel mehr als Überschriften bekannt. Aus den Erfahrungen der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode wissen wir, dass die Zeitpläne des BMGs mit großen Unwägbarkeiten verbunden sind. Für uns bedeutet das, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, in den kommenden Wochen und Monaten auch sehr kurzfristig mit einer Fülle von Gesetzgebungsverfahren konfrontiert zu werden. Uns bleibt also nur ein kurzes Zeitfenster, um unsere eigenen Konzepte und Vorschläge einzubringen und Dinge zum Besseren zu wenden. Ganz entscheidend ist daher, dass wir mit unseren Themen und Forderungen selbstoffensiv nach vorne gehen. So wie wir es jetzt mit unserer Kampagne „Zähne zeigen“ tun. Wir werden diese verantwortungslose Kostendämpfungspolitik nicht lautlos hinnehmen, sondern unsere berechtigten Forderungen zusammen mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, deutlich hörbar nach außen tragen. Martin Hendges Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Minister Lauterbach steht jetzt unter Zugzwang 6 | LEITAKRTIKEL Foto: an Knoff, KZV-Baden-Württemberg
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8 | zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1106) Leserforum Mein Zahnmedizinstudium habe ich am 1. April 1976 begonnen und am 31. März 1981 abgeschlossen. Aktuell sind also circa 45 Jahre vergangen. Deshalb war ich mehr als erstaunt, dass die psychologischen und pädagogischen Fähigkeiten von Professoren, Oberärzten u. a. sich scheinbar wenig weiterentwickelt haben. Meine Erlebnisse ab 1976 waren ziemlich ähnlich wie die der Studenten in der aktuellen Umfrage. Aber natürlich gilt dies nicht für alle Universitäten. Sehr geehrte Frau Kollegin, es muss sich vieles bessern. Zahnmedizinstudenten sollten belastbar sein, aber nicht bewusst überfordert werden. Sonst wird es dem Beruf nicht gerecht! Dr. Jürgen Strakeljahn Düsseldorf ZAHNMEDIZINSTUDIUM FRÜHER UND HEUTE Studenten sollten belastbar sein, aber nicht bewusst überfordert werden Zum Titel „Hart ohne fair?“ und zur Titelgeschichte „Umfrage an deutschen Hochschulen: Schlechte Noten für das Zahnmedizinstudium“ in zm 10/2023, S. 18–22. Foto: ©Federico Rostagno - stock.adobe.com DEUTSCHE REDENSARTEN Ein saugutes Interview! Zum „Interview mit der syrischen Zahnärztin Hanan Faour über deutsche Redensarten: 'Den inneren Schweinehund mag ich am liebsten'“ in zm 11/2023, S. 38–39. Pudelwohl habe ich mich gefühlt, als ich mit großem Vergnügen dieses Interview mit den tollen pointierten humorvollen Antworten der Kollegin gelesen habe. Ich bewundere, wie treffend und prägnant sie mit Adleraugen die deutschen Redensarten in Bezug zur Kommunikation im Alltag der zahnmedizinischen Praxis reflektiert hat! Dass so viele Tiere im Behandlungsalltag vorkommen – manchmal in einem Affenzahn nacheinander, in einem einzigen Dialog – ich hatte es mir bis zum Lesen dieses Artikels nie bewusst gemacht. Sehr spannend und dazu anregend, mal darüber nachzudenken oder zu beobachten, welche Tiere vielleicht durch die eigene Praxis spazieren. Es wird sicherlich nicht nur der innere Schweinehund als häufigstes Haustier der Praxisteams am Montagmorgen sein – da bin ich ganz sicher! Gleichzeitig zeigt das Interview aber auch, wie wichtig es ist, in den Kursen zur Vorbereitung auf die Fachsprachprüfung solche individuellen Redensarten und Metaphern aus dem Praxisalltag von Anfang an mit aufzunehmen. Ich habe selbst regelmäßig zahnärztliche KollegInnen als HospitantInnen in der Phase der Vorbereitung auf die Fachsprachprüfung bei mir in der Praxis. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass bereits von Beginn an wichtig ist, solche individuellen Aus-
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10 | LESERFORUM zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1108) TRICKBETRUG Die Nummer lebt wieder auf! Zum Leserbrief „Vorsicht bei Schecks aus dem Ausland“ in zm 11/2023, S. 10, zum Thema Trickbetrug Ein Kollege warnt im zm-Leserforum vor dem Trickbetrug „Schecks aus den Ausland“. Genau diese Nummer habe ich schon vor rund 20 Jahren erfahren. Der gleiche Sachverhalt: englische Firma, Münchenbesuch mit Mitarbeitern, von mir Kostenvoranschlag für diverse Leistungen, dann ein viel zu hoher Scheck. Meine Bank damals (Dresdner Bank) sagte mir, da stimmt was nicht. Ich sollte nämlich die Differenz rücküberweisen. Der Scheck wurde eingelöst und ist geplatzt. Scheint so, als lebt die Nummer wieder auf. Reiner Betrug. Warnung für jeden Kollegen. Dr. Klaus Simon München drücke der Patienten aktiv zu schulen und sich dessen bewusst zu machen: Sei es „der Frosch im Hals“, wie die Kollegin aus ihrer Erfahrung berichtet, oder bei unklaren Diagnosen „der Hund, der Läuse und Flöhe hat“ oder der Patient, der sich „nicht Fisch, nicht Fleisch“ oder einfach nur „hundemüde“ fühlt, und nicht zuletzt die „eierlegende Wollmilchsau“ als Sinnbild für die Unmöglichkeit, alle Wünsche des Patienten an seinen Zahnersatz erfüllen zu können. Oder – „weiß der Geier“ – sei es einfach auch nur ein ganz einfaches, nicht tierisches Beispiel aus unserer Praxis – „das Krümelchen“, das der Patient irgendwo am Gaumen hat und ihn „tierisch nervt“ – und wo es durchaus wichtig ist, sofort zu wissen, was er meint, damit man das, was da so dringend stört, sofort wegsaugen kann. Jedenfalls – da beißt die Maus keinen Faden ab – alles in allem einfach nur saugut, dass wir dieses klasse Interview in der zm lesen durften. Vielen Dank dafür! Dr. Michal-Constanze Müller Hannover TRICKBETRUG Betrugs-Masche per E-Mail: Wir haben Post bekommen Zum Leserbrief „Vorsicht bei Schecks aus dem Ausland“ in zm 11/2023, S. 10, zum Thema Trickbetrug Danke an den Kollegen für die Information zum Trickbetrug per E-Mail. Wir haben heute eine ähnliche Mail mit vermutlich gleichem Ziel erhalten und konnten uns so allen Aufwand und Ärger ersparen. Die E-Mail ist auf englisch verfasst, gibt vor, eine geplante Reise mit Gesundheitsbesuch in unserer Praxis zu verbinden, und wünscht dafür Kostenschätzungen. Die Masche der Betrüger setzt sich, was uns glücklicherweise erspart blieb, dann wohl wie folgt fort: Den geschätzten Betrag möchte der Organisator im Voraus überweisen, um danach kurzfristig die Reise abzusagen. Das zuvor überwiesene Geld soll von der Praxis zurücküberwiesen werden und nachträglich platzt dann der Scheck des Organisators – zum Schreck der betrogenen Praxis. Hoffentlich trägt diese erneute Meldung dazu bei, dass die Betrüger keinen Erfolg damit haben. „Hello Zahnärzte am Siegesdenkmal, Good day, I'm Fred Higgins. I'm organizing a medical tour for some friends and their families. It is focused on dental hygiene/ aesthetics (professional cleaning and teeth whitening) to help improve the aesthetic appearance of their natural smile. Are you available to offer appointments between the 14th and 25th of August 2023? Let me know the total cost/deposit payment for professional teeth cleaning and teeth whitening treatment for five persons. We hope to get healthy, clean, bright, and beautiful teeth at the end of the treatment. I'm looking forward to your swift response. Best regards, Fred Higgins“ Dr. Larissa Mink Freiburg Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht.
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12 | POLITIK ZAHNÄRZTINNEN DEMONSTRIEREN IN KÖLN Der Protest bleibt laut „Das Maß ist voll! – Zähne zeigen!“ Unter diesem Motto kamen am 14. Juni mehrere hundert Zahnärztinnen, Zahnärzte und ZFA zu einer Großdemonstration am Kölner Dom zusammen. Gemeinsam zeigten sie der Gesundheitspolitik der Ampel-Regierung die Rote Karte. Ab 10:30 Uhr füllte sich der Roncalliplatz an der Südseite des Doms zusehends. Viele Niedergelassene waren der Einladung des FVDZ-Landesverbands Nordrhein gefolgt und hatten sich zusammen mit ihren Praxisteams auf den Weg gemacht. Auch zahlreiche Fachgesellschaften waren vertreten – allesamt ausgestattet mit roten Karten und Trillerpfeifen. Zwar zufällig, aber doch passend zu Köln, ging die Protestaktion um 11:11 Uhr los. Im Verlauf der nächsten zwei Stunden ließen die Demonstrierenden keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie die aktuelle Gesundheitspolitik zwar „völlig jeck“ finden, aber kein bisschen lustig. Harsche Kritik wurde insbesondere an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach laut. „Der Minister hat wieder und wieder gesagt, es wird keine Leistungskürzungen geben. Jetzt ist klar: Er hat gelogen!“, rief Dr. Oktay Sunkur, Vorsitzender des FVDZLandesverbands Nordrhein, wütend von der Bühne. Dem stimmte Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, in seiner Rede zu: „Karl Lauterbach hat wiederholt die Dreistigkeit besessen, dieses Versprechen zu machen. Im Licht der aktuellen Budgetierung kann man das nur als Politik des Zynismus bezeichnen.“ Der KZBVChef rief die Anwesenden dazu auf, gemeinsam ein Zeichen in Richtung Bundesregierung zu setzen, der es in nur 1,5 Jahren gelungen sei, der Zahnärzteschaft einen Riesen-Scherbenhaufen zu hinterlassen. Gegen eine Politik des Zynismus Mit Blick auf das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) sagte Hendges, dass es die Finanzierung der Praxen und damit die flächendeckende zahnmedizinische Versorgung gefährde. Besonders schwierig werde es unter diesen Bedingungen, dem Fachkräftemangel zu begegnen und den ZFA-Beruf aufzuwerten. „Die fatalen Folgen dieses Gesetzes werden den Patientinnen und Patienten über Jahre Nach dem Protest auf Schalke im Mai fand am 14. Juni eine weitere Großdemonstration der Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihrer Teams statt. Für die Gesundheitspolitik der Bundesregierung hagelte es dieses Mal in Köln heftige Kritik. Foto: zm-sth zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1110) „Das Maß ist voll! – Zähne zeigen!“, lautete das Motto, unter das der FVDZ-Landesverband Nordrhein die Protestaktion gestellt hatte. Foto: zm-sth
POLITIK | 13 schaden. Wollen wir das widerspruchslos hinnehmen oder hier und heute ein Zeichen gegen diese Sparpolitik setzen, die einen Frontalangriff auf die Versorgung und auf die Zahnärzteschaft darstellt?“, machte er seinem Unmut auf der Bühne zu Füßen des Doms Luft und erntete dafür lautstarke Zustimmung von den Demonstrierenden. Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, schwor die Anwesenden auf den gemeinsamen Protest ein: „Wir als Zahnärzteschaft zeigen Zähne! Wir sind laut! Wir zeigen Zusammenhalt! Wenn diese Stimme aber nicht gehört wird – wie dieser Tage im Bundesgesundheitsministerium in Berlin – dann müssen wir lauter werden!“ Dem fügte Andreas Kruschwitz, Vorsitzender des Vorstands der KZV Nordrhein, hinzu: „Durch den Kahlschlag, den diese Regierung bei den Leistungen betreibt, werden die Versicherten um den Gegenwert für ihre Beiträge betrogen. Das Leistungsversprechen wird nicht eingelöst, aber trotzdem dürfen die Versicherten in Kürze höhere Beiträge zahlen. Das ist unlauter!“ Enttäuschung über gedeckelte Paro-Strecke Der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Christoph Benz, forderte von der Politik, der Zahnärzteschaft für ihre Verdienste im Bereich Prävention mehr Wertschätzung und Respekt zu zollen: „Wir sind Prophylaxe-Weltmeister. Seit 1980 hat die Zahnärzteschaft ihren Anteil an den Gesundheitsausgaben um 50 Prozent reduziert!“ Der BZÄK-Präsident nahm dann insbesondere die Deckelung des Budgets für die ParodontitisStrecke in den Blick: „Wir haben viel Zeit investiert, um eine Paro-Strecke zu konzipieren, die funktioniert. Wir haben wissenschaftliche Beweise dafür gebracht, in welcher gefährlichen Wechselwirkung sie mit anderen Erkrankungen stehen kann. Und was macht der Minister? Er dreht einem Drittel der dafür nötigen finanziellen Mittel den Hahn zu!“ Durch die gekappten Parodontitis-Leistungen würden in den nächsten Jahren immense Folgekosten entstehen, die dem Gesundheitswesen sonst erspart geblieben wären. Sylvia Gabel, Referatsleiterin Zahnmedizinische Fachangestellte beim Verband Medizinischer Fachberufe (VmF), sagte: „Wir haben uns gefreut, dass die Parodontitistherapie so gefördert wurde, und sind nun mehr als enttäuscht, dass sie nach so kurzer Zeit so zusammengestrichen wurde.“ Auch unter den Demonstrierenden wurde die Enttäuschung über die Rücknahme der zugesagten Finanzierung bei der Parodontitistherapie immer wieder laut. „Ich sehe täglich in meiner Praxis, dass wir super Ergebnisse mit der vereinbarten Parodontitis-Strecke erzielen. Die Budgetierung, die gerade stattfindet, gefährdet diese Erfolge. Um dagegen zu protestieren, bin ich mit meinem Praxisteam heute hier“, sagte die Kölner Praxisinhaberin Esma Sağlam gegenüber den zm. Susann Kessel, ZFA in einer Zahnarztpraxis in Pulheim, formulierte es so: „Wir möchten als Praxisteam heute Unterstützung für die Patientinnen und Patienten zeigen, deren Versorgung durch die aktuelle Sparpolitik beeinträchtigt wird. Wir befürchten, dass die gestrichenen Leistungen in der Parodontitistherapie nicht die einzigen bleiben könnten.“ sth zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1111) Zur Protestaktion des FVDZ waren auch BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz (l.) und KZBV-Chef Martin Hendges gekommen. Foto: zm-sth ZFA Susann Kessel (4.v.l.), ihr Chef Stefan Piepiorka und der Rest des Praxisteams waren gemeinsam nach Köln gekommen, um gegen die aktuelle Gesundheitspolitik zu protestieren. Foto: zm-sth
14 | POLITIK ZAHNARZT CHRISTIAN BARTELT SITZT AB SEPTEMBER IM BUNDESTAG „Meine Praxis hat oberste Priorität“ Nach der Sommerpause rückt Zahnarzt Christian Bartelt für seinen zurückgetretenen FDP-Kollegen Hagen Reinhold in den Bundestag nach. In den Sitzungswochen vertritt ihn eine Kollegin in seiner Praxis in der 1.000-EinwohnerGemeinde Spantekow, damit Bartelt 100 Prozent Politik machen kann. In der sitzungsfreien Zeit will er wieder selbst an seinen drei Behandlungsstühlen sitzen. Herr Bartelt, aktuell sind Sie Beisitzer im Landesvorstand der FDP MecklenburgVorpommern – nach der Sommerpause sitzen sie für den zurückgetretenen Abgeordneten Hagen Reinhold im Bundestag. Wie fühlt sich das an? Christian Bartelt: Ich habe mich schon im Vorfeld der letzten Wahl an den Gedanken gewöhnt. Während der Hochrechnungen am Wahlabend saß ich für eine Weile sogar schon virtuell im Bundestag. Am Ende hat es für den zweiten Listenplatz aber nicht gereicht. Die Nachricht vom Rücktritt Ihres Parteikollegen erreichte Sie im Urlaub. Richtig. Ich saß auf einem kleinen Tauchschiff mitten in der Bandasee bei Indonesien. Der Urlaub war schon zu Corona-Zeiten geplant und konnte nach drei Jahren jetzt endlich stattfinden. Auf dem Boot war ich außerhalb von Raum und Zeit – mitten auf dem Ozean und ohne Netz. Dann habe ich, als wir das nächste Mal in der Nähe einer Landmasse waren, plötzlich 150 Nachrichten bekommen. Letztlich traf es mich aber nicht total überraschend, Hagen hatte mir gegenüber schon angedeutet, dass er ernsthaft über einen Rücktritt nachdenkt. Mussten Sie also nur noch den fertigen Plan à la „Was wäre wenn ...“ aus der Schublade ziehen? So in etwa. Mit dem einzigen Unterschied, dass es jetzt sehr konkret wird. Es ist also nicht nur „Was wäre wenn ...“, sondern mehr ein „Wie löse ich das?“ Dann stellt man sich Fragen wie: Was will ich machen? Was kann ich leisten, was will ich leisten – und wie kriege ich das bewerkstelligt? Schon bei Ihren ersten Kandidaturen für den Bundestag haben Sie immer erklärt, Ihre Praxis im Kreis Vorpommern-Greifswald weiterbetreiben zu wollen. Wie lösen Sie nun das Problem, dass Sie in den Sitzungswochen im 140 Kilometer Luftlinie-entfernten Berlin eingespannt sind? Ich habe zum Glück tatsächlich schon eine Kollegin gefunden, die mich in den Sitzungswochen vertreten wird – und dafür sogar noch einmal aus der Rente zurückkommt. Sie hatte früher eine eigene Praxis, hatte in den vergangenen zwei Jahre angestellt gearbeitet und war seit Anfang des Jahres eigentlich im Ruhestand. Mit ihr wird die Praxis halbtags besetzt sein. Das war ihre Bedingung. Haben Sie schon eine Bleibe in Berlin? Nein. Zunächst werde ich wohl im Hotel wohnen. Alles weitere sehen wir dann. Christian Bartelt ist in Neubrandenburg geboren, hat in Greifswald studiert und 2001 die 1993 neu gebaute Praxis seines Vaters in Spantekow, Mecklenburg-Vorpommern, übernommen. Bis zu dessen Tod 2011 arbeiteten die beiden zu zweit, seit 2011 betreibt Bartelt die Praxis mit eigenem Labor allein. Er arbeitet mit zwei angestellten ZFA, einem Zahntechnikermeister sowie einem Auszubildenden. Foto: privat zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1112)
POLITIK | 15 Was bedeutet der berufliche Umzug für Sie privat? Sie sind verheiratet und haben drei Kinder. Was die Kinder angeht, wird das relativ einfach: Mein großer Sohn ist schon erwachsen und in der Ausbildung. Die beiden Kleineren sind 12 und 13 Jahre und gehen ab September beide in ein Sportinternat. Das hat sich unabhängig von meiner Nominierung ergeben. Wenn ich nicht da bin, sind die Kinder also auch nicht zu Hause. Da ändert sich nichts. Einzig für meine Frau wird es schwierig, wenn wir dann alle ausgeflogen sind. Nach ihrem Einzug sind Sie der zweite Zahnarzt im Parlament. Dr. Christina Baum vertritt jedoch die AfD. Welche Erfahrungen haben Sie in MV mit den Rechtspopulisten gesammelt? Ich mache ja seit mehr als 20 Jahren Kommunalpolitik und im Kreistag haben wir eine riesengroße AfD-Fraktion. Die Berührungspunkte sind also ausreichend gegeben. Da habe ich viel erlebt – und bin mal gespannt, wie sich das dann in Berlin verhält. Wie schätzen Sie denn als Nachrücker zur Mitte der Legislatur Ihren Einfluss ein Themen mitzugestalten? Ich denke mal, dass ich mich bis Ende des Jahres eingegroovt habe. Ich bin ja nicht ganz neu in der Materie und habe schon einige Verbindungen. Wie funktioniert das sonst ganz praktisch, übernehmen Sie das Abgeordnetenbüro und die Mitarbeiter von Herrn Reinhold? Ja, aktuell hoffe ich, alle Mitarbeiter übernehmen zu können. Dazu gehören eine Büroleitung, ein Mitarbeiter für die Presse sowie zwei wissenschaftliche Mitarbeiter. Das hängt aber auch davon ab, welche Themengebiete ich bekomme. Das ist im Moment die große Unbekannte. Hagen hat maritime Wirtschaft gemacht, was ich gerne übernehmen würde. (Da komme ich in gewohnte Strukturen und stecke zum Teil auch schon in der Materie. Mit Bauen und Wohnen habe ich hingegen gar nichts am Hut und auch keine Ahnung. Das habe ich dem parlamentarischen Geschäftsführer auch direkt gesagt.) Jetzt ist innerhalb der Fraktion aktuell aber auch Bewegung und es werden einige Ausschusssitze frei. Welche zwei Themen ich bekomme, kann ich darum noch nicht sagen. Meine Wunschthemen sind die maritime Wirtschaft und Sport- beziehungsweise Gesundheitspolitik. Aber da ist noch einiges im Fluss, das sich hoffentlichin der Sommerpause klären wird. Was sind denn aus Ihrer Sicht die größten Baustellen in der Gesundheitspolitik? Huh, das sind wirklich viele. Eines aber steht fest: Wir haben es als Freiberufler im Moment besonders schwer, weil wir einen Gesundheitsminister haben, der sich komplett auf die Kliniken konzentriert und uns gar nicht im Blick hat. Das muss sich zwingend ändern – und das sehe ich auch als meine Aufgabe an. Sind sie gekommen, um zu bleiben? Sprich: Kandidieren Sie 2025 wieder für den Bundestag? Also, erstens hat die Kollegin, die mich jetzt vertritt, ganz klar gesagt, dass sie es nur für den überschaubaren Zeitraum von zwei Jahren macht. Erschwerend kommt hinzu, dass ich furchtbar gerne Zahnarzt bin. Das Ist nicht nur meine Existenzgrundlage, sondern auch meine Passion. Deswegen stand für mich von Anfang an fest, dass ich das nicht aufgeben werde. Nehmen wir mal an, Sie bekommen beides gut unter einen Hut. Ich schließe nicht aus, dass ich die Arbeit im Bundestag auch länger machen würde, wenn ich merke, dass das so funktioniert. Aber immer unter der Prämisse, dass meine Praxis Priorität hat. Klar, in den Sitzungswochen, wenn ich in Berlin bin, kann ich mich zu 100 Prozent der Arbeit im Bundestag widmen. Aber wenn in Spantekow bin, dann heißt das für mich andersherum auch, dass ich mich zu 100 Prozent der Praxis widme. Und erst wenn ich die Praxistür nach dem letzten Patienten abschließe, geht es wieder politisch los. Das ist ja nicht nur beruflich, sondern auch geografisch ein Sprung zwischen zwei Welten: auf der einen Seite eine Gemeinde mit knapp 1.000 Einwohnern, auf der anderen die Bundeshauptstadt ... Na klar. Spantekow ist zwar ein Mittelzentrum mit eigener Schule, zwei Ärzten und einer Apotheke – wir haben also Infrastruktur. Aber Vorpommern südlich der Peene ist schon ländlicher Raum. Und zwar durch und durch. Ich bin über den Kontrast aber auch ganz froh. Durch regelmäßige politische Termine habe ich bereits einen Bezug zu Berlin und freue mich drauf. Die Hauptstadt, und speziell der Bundestag, ist natürlich eine Blase. Wenn man da regelmäßig zu Hause die Füße auf den Boden stellt, schadet das nicht. Das Gespräch führte Marius Gießmann. zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1113) Seit 2002 ist Bartelt Mitglied in der FDP, für die er aktuell im Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern sitzt. 2005 kandidierte er zum ersten Mal für den Bundestag. Der Einzug gelang ihm bisher jedoch nicht. Foto: Yannick Wolff
16 | PRAXIS ANSTELLUNG VON FAMILIENMITGLIEDERN „Meine Mutter macht bei mir den Empfang – als Minijobberin“ Bernhard Fuchs, Marcel Nehlsen Familienmitglieder sind oft in der Praxis behilflich. Sei es, dass die Tochter die Website und das Onlinemarketing gestaltet oder der Ehemann in Vollzeit die Verwaltung übernimmt. Solch eine Mitarbeit kann unentgeltlich oder entgeltlich im Rahmen einer Anstellung vereinbart werden. In jedem Fall sollte man die Folgen für die Steuer und die Sozialversicherung im Blick haben. Wenn Familienangehörige in der Praxis mitarbeiten, sollten Sie jene unbedingt fremdüblich behandeln. Foto: Viacheslav Yakobchuk - stock.adobe.com zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1114) Bei allen Gestaltungsmöglichkeiten ist zu beachten, dass die vertragliche Gestaltung fremdüblich sein und den tatsächlich praktizierten Verhältnissen entsprechen muss. Bei Beschäftigungsverhältnissen mit Eheund Lebenspartnern sowie Familienangehörigen findet ein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren bei der deutschen Rentenversicherung statt. In diesem Verfahren prüft die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, ob ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis im Einzelfall vorliegt und legt den Status verbindlich fest. Auch der Mindestlohn ist selbstverständlich zu beachten. Familienangehörige in diesem Sinne sind: Ehepartner / eingetragene Lebenspartner Eltern Kinder Enkelkinder Geschwister Großeltern Die Beschäftigung von Kindern ist ab dem vollendeten 15. Lebensjahr möglich. Eine entgeltliche Mitarbeit von Familienangehörigen in der Praxis sollte zum Beispiel nicht erfolgen, wenn das Gehalt beim Bezug öffentlicher Leistungen – beispielsweise beim Elterngeld oder bei der Rente – schädlich wäre. Ansonsten ist eine entgeltliche Beschäftigung fast immer sinnvoll, da sich hierdurch Vorteile bei der Steuer und bei der Sozialversicherung ergeben. Jeder Fall ist individuell zu beurteilen Wenn feststeht, wen Sie einstellen wollen, muss für jeden Fall individuell geklärt werden, welche Variante der Beschäftigung die günstigste ist. Zunächst geht es um die Frage, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder ein Minijob besser ist. Ein entscheidendes Kriterium hierbei ist die Krankenversicherungssituation des betreffenden Angehörigen. Soll der Krankenversicherungsstatus unverändert bleiben, sollte eine geringfügige Beschäftigung gewählt werden – das bietet sich an, wenn der Angehörige (weiterhin) privat krankenversichert sein will oder bereits GKV-Mitglied ist, zum Beispiel durch ein anderes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder im Rahmen der beitragsfreien Mitversicherung als Familienmitglied.
PRAXIS | 17 Ist dies nicht der Fall, sollte eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vereinbart werden, da dann ein Krankenversicherungsschutz besteht. Von der privaten Krankenversicherung in die GKV zu wechseln, ist nach Vollendung des 55. Lebensjahres allerdings nur noch in Ausnahmefällen möglich. Durch die Anstellung als Minijobber kann man trotz der anfallenden Arbeitgeberabgaben – das sind in der Regel etwa 30 Prozent – Vorteile von bis zu 2.000 Euro pro Jahr netto erzielen. Das Gehalt für die Minijobber sowie die Abgaben darauf können Sie als Arbeitgeber steuerlich voll abziehen und sparen somit fast immer circa 45 Prozent Steuern (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer). Der Zufluss des Gehalts ist beim Minijobber nicht steuerpflichtig. Zudem kann der Minijobber zusätzlich kleinere Beiträge an die Rentenversicherung entrichten, wodurch sich seine spätere Rente leicht erhöht. Sparpotenzial beim Krankenversicherungsschutz Bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung fallen bei hohen Gehältern entsprechend hohe Sozialversicherungsabgaben an. Der Arbeitgeberund der Arbeitnehmeranteil belaufen sich zusammen auf ungefähr 40 Prozent, so dass bei einem monatlichen Bruttogehalt von 3.000 Euro jährlich etwa 14.400 Euro Abgaben für die Sozialversicherung zusammenkommen. Ein großer Teil dieser Beiträge ist allerdings (fast) nutzlos, da der Angehörige erstens meist keine Arbeitslosenversicherung benötigt, zweitens die gesetzliche Rente trotz hoher Beiträge nur mäßig sein wird und drittens voller Krankenversicherungsschutz auch bei einem niedrigeren Gehalt besteht. Daraus folgt, dass nur so viele Arbeitsstunden tatsächlich erbracht und vergütet werden sollten, dass ein Gehalt von circa 700 bis 1.200 Euro pro Monat vereinbart werden kann. Bei einem monatlichen Gehalt von beispielsweise 1.000 Euro belaufen sich die gesamten Beiträge (Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteil) zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf circa 200 Euro pro Monat. Im Vergleich dazu liegen die Aufwendungen für eine alternative private Krankenversicherung oder eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV, die ungefähr 600 Euro pro Monat kostet, erheblich höher. Das Sparpotenzial durch die entgeltliche Beschäftigung in der Praxis kann also erheblich sein. Falls bessere Leistungen als von der GKV gewünscht sind, kann dies der Beschäftigte mit günstigeren privaten Zusatzversicherungen erreichen. Das angestellte Familienmitglied kann den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 1.230 Euro (ab 2023) pro Jahr geltend machen, so dass bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten eine Steuerersparnis von circa 550 Euro jährlich erzielt wird. Bei ledigen Kindern greift zusätzlich noch der steuerliche Grundfreibetrag von rund 11.000 Euro. Unterhalb dieser Grenze zahlt man auf sein Einkommen keine Einkommensteuer. Im Rahmen der monatlichen Lohnabrechnung wird bereits keine Lohnsteuer einbehalten und man ist, solange es keine weiteren Einkünfte gibt, auch nicht verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. Achten Sie auf die Fremdüblichkeit Ein höheres fremdübliches Gehalt könnte aus steuerrechtlicher Sicht sinnvoll sein, wenn ein Kind noch studiert und hier Kosten entstehen, die die Eltern nicht steuerlich geltend machen können. Die Kosten des Erststudiums können dann im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Kindes als Sonderausgaben bis zu 6.000 Euro geltend gemacht werden oder Kosten für ein Zweitstudium in unbegrenzter Höhe als (vorweggenommene) Werbungskosten. Bei beiden Beschäftigungsformen (Minijob oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung) können Sie Angehörigen zusätzlich „begünstigte Lohnbestandteile“ gewähren. Hierzu gehören etwa die Inflationsausgleichsprämie, Erholungsbeihilfen, Warengutscheine und Ähnliches. Wir empfehlen auch hier – vor allem bei der Inflationsprämie – auf die Fremdüblichkeit und eine Gleichberechtigung innerhalb der Praxis zu achten. Wenn kein Arbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie erhält, aber der angestellte Ehegatte mit einem Minijob zusätzlich die vollen steuerfreien 3.000€, dann wird sowohl das Finanzamt als auch die Rentenversicherung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit haben und im Zweifel die Begünstigung verwehren. Dies kann dazu führen, dass die Zahlung als Gehaltsbestandteil gewertet wird, man damit aus dem Minijob fällt und bis zu vier Jahre rückwirkend das Gehalt normal „verbeitragt“ wird. Insbesondere eine PKW-Überlassung an den Minijob-Ehegatten wird in der Regel aufgrund der fehlenden Fremdüblichkeit nicht akzeptiert und führt dazu, dass die Grenzen des Minijobs überschritten werden, mit allen oben genannten Folgen. Fazit Entgeltliche Beschäftigungen von Angehörigen sind praktisch immer sinnvoll. Ziehen Sie zur Einrichtung solcher Beschäftigungsverhältnisse jedoch stets einen Steuerberater hinzu, denn für die steuerliche und die sozialversicherungsrechtliche Anerkennung von Anstellungsverhältnissen mit Angehörigen wird eine erhöhte Nachweispflicht gefordert. zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1115) Bernhard Fuchs Kanzlei Fuchs & Stolz, Volkach Steuerberater Zahnärzteberatung Foto: privat Marcel Nehlsen Steuerberater, Diplom-Finanzwirt & Fachberater für das Gesundheitswesen Kanzlei Laufenberg Michels und Partner, Köln Foto: privat
zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1116) 18 | PRAXIS AUSTRALISCHE PERSÖNLICHKEITSSTUDIE Ärzte sind gewissenhafter, aber auch neurotischer als Patienten Ärzte und Patienten weisen unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale auf, zeigt eine australische Studie. Das könnte das Arzt-Patienten-Verhältnis und die Versorgungsqualität beeinflussen. Wissenschaftler der Carleton University in Ottawa, Kanada, wollten anhand von zwei repräsentativen australischen Erhebungen herausfinden, wie sehr sich die Persönlichkeit von Ärzten, Patienten, Fach- und Pflegekräften unterscheidet. Dazu werteten sie die Angaben von 23.358 Frauen und Männern aus der australischen Bevölkerung (darunter Patienten und Pflegekräfte) und von 19.351 Ärzten (Allgemeinmediziner, Spezialisten und Fachärzte) aus. Der Schwerpunkt der Studie lag dabei auf der Kontrollüberzeugung und den BigFive-Persönlichkeitsmerkmalen: 1. Verträglichkeit (einfühlsam, freundlich, kooperativ und warmherzig), 2. Gewissenhaftigkeit (ordentlich, systematisch, effizient), 3. Extraversion (gesprächig, selbstbewusst, laut, mutig, lebendig), 4. Neurotizismus (missgünstig, launenhaft, empfindlich, eifersüchtig, temperamentvoll) und 5.Offenheit (philosophisch, kreativ, intellektuell, komplex und einfallsreich). Die Kontrollüberzeugung misst, inwieweit man denkt, dass eigenes Verhalten oder äußere Umstände die Ereignisse herbeiführen. Personen mit einer stärkeren internen Kontrollüberzeugung nehmen ihr Leben mehr in die Hand. Personen mit einer stärkeren externen Kontrollüberzeugung glauben, dass Glück oder Dritte den Lauf der Dinge bestimmen. Im Ergebnis sind Ärzte signifikant verträglicher und gewissenhafter als Patienten oder die Allgemeinbevölkerung. Persönlichkeitsunterschiede zwischen den Arztgruppen waren dagegen kaum vorhanden. Allerdings sind die Behandelnden in der Regel extrovertierter und neurotischer. Außerdem hatten sie häufiger als die Allgemeinbevölkerung externale Kontrollüberzeugungen. Patienten erwiesen sich dagegen als aufgeschlossener als die Mediziner. Ärzte scheinen sich hinsichtlich ihrer Persönlichkeit zu gleichen Was kann man daraus für die Praxis ableiten? Für den maximal möglichen Therapieerfolg sei es wichtig, dass sich Mediziner etwaiger Persönlichkeitsunterschiede zwischen ihnen und ihren Patienten bewusst sind. Denn womöglich überschätzten gewissenhafte Ärzte die Fähigkeit ihrer Patienten, Empfehlungen zu befolgen. Ein höherer Neurotizismus bei Ärzten, der mit Stress zusammenhängt, könnte wiederum dazu führen, dass sie Stress als einen normalen Teil des Lebens betrachten und somit die Auswirkungen von Stress auf das Wohlbefinden ihrer Patienten unterschätzen. Und Freundlichkeit und Gewissenhaftigkeit des Arztes macht die zwar die Patienten zufriedener, könnten jedoch auch dazu führen, dass Ärzte ihre Patienten – im Gegensatz zu sich selbst – für konfrontativer und weniger gewissenhaft halten. Dies führe zu einer Asymmetrie in der gegenseitigen Beurteilung von Ärzten und Patienten, was sich auf den Outcome auswirken könnte. „Ärzte scheinen sich hinsichtlich ihrer Persönlichkeit eher zu gleichen“, folgern die Autoren. „Aber offenbar unterscheiden sich die Persönlichkeitsmerkmale zwischen Ärzten, Patienten und der Bevölkerung. Sich dieser Unterschiede bewusst zu sein, könnte die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessern und es Patienten erleichtern, Behandlungsempfehlungen zu verstehen und umzusetzen.“ Die Ergebnisse stützen demzufolge frühere Hypothesen über die Schlüsselrolle von Verträglichkeit (einschließlich Empathie) und Gewissenhaftigkeit sowie die große Bedeutung nicht-kognitiver Fähigkeiten bei Ärzten und damit bei der Auswahl von Medizinstudierenden. Zukünftige Forschung sollte sich auf den Faktor Neurotizismus bei Ärzten und seine Rolle in der medizinischen Praxis konzentrieren. Die Studie: Ammi M, Fooken J,Klein J, et al.: Does doctors’ personality differ from those of patients, the highly educatedand other caring professions? An observational study using two nationally representative Australian surveys. BMJ Open2023;13:e069850. doi:10.1136/bmjopen-2022-069850 Wenn Ärzte um die Persönlichkeitsunterschiede zwischen ihnen und ihren Patienten wissen, fällt es ihnen leichter, die Arzt-Patienten-Kommunikation zu verbessern und auf ihre Patienten einzugehen. Foto: Kzenon - stock.adobe.com mg
POLITIK | 19 zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1117) STATISTIK DER BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT Dringend gesucht: ZFA und Zahnärzte Die Zahl der Engpassberufe ist von 148 auf 200 gestiegen. Das meldet die Bundesagentur für Arbeit (BA). Es fehlen auch immer mehr ZFA und je nach Region Zahnärzte. Die jährliche Fachkräfteengpassanalyse der BA zeigt: In 200 der rund 1.200 bewerteten Berufe wurde ein Engpass festgestellt, das sind 52 mehr als im Jahr zuvor. In mittlerweile jedem sechsten Beruf werden somit Fachkräfte knapp. Arbeitslose Fachkräfte meiden oft Engpassberufe Zu den beschäftigungsstärksten Engpassberufen zählen Pflegeberufe, Berufskraftfahrer, Medizinische Fachangestellte, Bauberufe sowie Berufe in der Kinderbetreuung oder Kraftfahrzeugtechnik. Auf Ebene der Spezialisten und Experten kommen Apotheker, Architekten und IT-Berufe hinzu. Neu aufgenommen wurden Berufe im Hotel- oder Gastronomieservice, im Metallbau und Busfahrer. Dass 2022 die Hälfte gemeldeten Fachkraftstellen auf einen dieser Engpassberufe entfielen, unterstreicht der BA zufolge den Mangel. SeitdererstenveröffentlichtenEngpassanalyse 2014 zeigen sich in Deutschland auch durchgehend Fachkräfteengpässe in der Human- und Zahnmedizin. Auch 2022 deuten die Indikatoren mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und Hamburg auf einen Engpass hin. In Berlin und Brandenburg liegt die Human- und Zahnmedizin im Beobachtungsbereich. Für MecklenburgVorpommern liegen keine Angaben vor. Der Beruf der ZFA hat auf Bundesebene einen Punktwert von 2,8 erreicht und zählt damit ebenfalls zu den Engpassberufen. Darüber hinaus könnten sich 157 Berufsgattungen potenziell zu Engpassberufen entwickeln, wie Bürokaufleute, Berufe im Verkauf oder auch Berufe in der Lagerwirtschaft. Von den arbeitslos gemeldeten Fachkräften, Experten oder Spezialisten suchten sich zudem nur 26 Prozent eine Beschäftigung in einem Engpassberuf. So liest sich die Statistik Die Bundesagentur für Arbeit bewertet einmal jährlich die Fachkräftesituation am Arbeitsmarkt. Für die Analyse werden rund 1.200 Berufsfelder einbezogen und auf Basis von insgesamt 14 Indikatoren bewertet: Engpassindikatoren: Vakanzzeit (Median), Arbeitsuchenden-Stellen-Relation, berufsspezifische Arbeitslosenquote, Veränderung des Anteils sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung von Ausländern, Abgangsrate aus Arbeitslosigkeit, Entwicklung der mittleren Entgelte. Risikoindikatoren: Veränderung des Anteils älterer Beschäftigter (60 Jahre und älter), Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen an allen gemeldeten Ausbildungsstellen, Absolventen-Beschäftigten-Relation, Substituierbarkeitspotenzial (IAB) Ergänzungsindikatoren: berufliche Mobilität, Arbeitsstellenbestandsquote, Teilzeitquote, Selbstständigenanteil In jedem sechsten Beruf werden Fachkräfte knapp. Auch die ZFA zählt dazu. Foto: WavebreakmediaMicro_stock.adobe.com
20 | POLITIK zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1118) Die Entscheidung, ob berufs-fachliche Engpässe vorliegen, wird auf Grundlage der sechs Engpassindikatoren getroffen. Anhand dieser statistischen Indikatoren wird dabei ein Punktewert für die Berufe ermittelt, soweit belastbare Daten vorliegen. Ist der Punktwert größer gleich 2,0 handelt es sich um einen Engpassberuf. Die Risikoindikatoren tragen dazu bei, Risiken absehbarer Besetzungsschwierigkeiten in naher Zukunft zu erkennen und einzuschätzen. Die vier Ergänzungsindikatoren liefern zusätzliche Informationen. So ist eine hohe Arbeitslosenquote bei gleichzeitiger hoher beruflicher Mobilität anders zu interpretieren, als wenn die Mobilität des Berufs sehr eingeschränkt ist, wie bei reglementierten Berufen. Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung,Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Fachkräfteengpassanalyse 2022, Nürnberg, Mai 2023 BFB: 340.000 STELLEN SIND DERZEIT UNBESETZT! Der Bundesverband der Freien Berufe e.V. (BFB) spricht – angesichts von mehr als 340.000 offenen Stellen – von einer „äußerst angespannte Fachkräftesituation“. Um die Zukunftsaufgabe Fachkräftesicherung auch im Sinne der rund 1,47 Millionen selbstständigen FreiberuflerInnen sowie ihrer rund 4,5 Millionen Angestellten in ihren Teams zu meistern, sind laut BFB diese Punkte zentral: „Die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gelingt nur, wenn auch die Freien Berufe ihre zentralen Beiträge leisten und unverzichtbaren Dienstleistungen erbringen können – für die Energiewende, für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder die Versorgung einer im Zuge des demografischen Wandels immer älter werdenden Bevölkerung. Die Fachkräftesicherung ist eine existentielle Aufgabe für die Freien Berufe und letztlich wegen ihrer Bedeutung für Daseinsvorsorge und Zukunftsaufgaben für die ganze Gesellschaft. Dabei erfordert die hohe Qualität der Dienstleistung mehr denn je ein gutes Bildungsniveau. Wir müssen sämtliche Potenziale mobilisieren, um Fachkräfte zu gewinnen: Passgenaue Instrumente helfen dabei, die Erwerbsbeteiligung aller potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sichern. Wir brauchen auch qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten. Das beschleunigte Fachkräfteverfahren ist hinsichtlich der Behördenkommunikation zu optimieren. Die Freien Berufe haben eine besonders hohe Integrationskraft. Ausländische Fachkräfte punkten bei den Freien Berufen mit einer zusätzlichen Sprache und ihrer interkulturellen Kompetenz. Wir begrüßen das 'Europäische Jahr der Kompetenzen' und dessen Akzent auf digitale Kompetenzen: So werden Fachkräfte mobilisiert und die Akzeptanz digitaler Anwendungen gestärkt. Wir anerkennen die Chancen von Künstlicher Intelligenz: Sie kann bei Routineaufgaben entlasten. So können sich Fachkräfte komplexeren Aufgaben widmen. Wichtig ist hier ein Rahmen, der Verantwortung klärt und den freiberuflichen Vertrauensschutz sicherstellt. Wir fordern eine Entlastung der Fachkräfte durch den Abbau des Ressourcenverbrauchs von überbordender und mehrfach belastender Bürokratie.“ Diese Forderungen zur Zukunftsaufgabe Fachkräftesicherung wurden auf der Fachkräftekonferenz am 7. Juni 2023 in Berlin erarbeitet. Auf der Fachkräftekonferenz, zu der der Bundesverband der Freien Berufe e.V. (BFB) am 7. Juni 2023 verschiedene Experten aus der Politik, den maßgeblichen Bundesressorts, dem Deutschen Bundestag und befreundeten Verbänden nach Berlin eingeladen hatte, wurde der Fokus unter anderem auf die praktische Dimension des Fachkräftemangels und eine bessere Integration von neuen Arbeitskräften gelegt. Bei der Eingliederung ausländischer Fachkräfte sei vor allem ein rundum abgestimmter Onboarding-Prozess entscheidend, der alle Schnittstellen einbinde, von der Ausländerbehörde bis hin zur Botschaft und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. So können Synchronisierungseffekte entstehen und Kulturkompetenz gefördert werden. Menschen mit ausländischen Wurzeln können mit ihren zusätzlichen Sprachkenntnissen und ihrer interkulturellen Kompetenz Teams bereichern – so eine der Botschaften. Foto: BFB/Henning Schacht
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