Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 14

20 | TITEL zm113 Nr. 14, 16.07.2023, (1210) STUDIE AUS WITTEN/HERDECKE UND MARBURG Wie Menschen mit geistiger Behinderung den Arztbesuch erleben Auf welche Hürden stoßen Menschen mit geistiger Behinderung beim Arztbesuch, welche Hilfen erfahren sie? Zusammen mit der Ärztekammer Nordrhein haben Forscher aus Witten/Herdecke und Marburg die Patienten selber, aber auch begleitende Angehörige und die behandelnden Mediziner befragt. In die Querschnittstudie aufgenommen wurden Erwachsene mit geistiger Behinderung aus drei Werkstätten in NRW. Im Fokus stand der Zugang zur ambulanten Versorgung aus Sicht der Betroffenen, ihrer Angehörigen und ihrer Hausärzte. Dazu wurden drei Fragebögen entwickelt, einer für jede Perspektive. Die Datenerhebung erfolgte von Februar bis Dezember 2016. Bei einer Teilnahmerate von 19,3 Prozent lagen von allen befragten 940 Personen mit geistiger Behinderung am Ende 136 Fragebögen vor, dazu 176 von deren Angehörigen. Die ProbandInnen waren im Mittel 40 Jahre alt und zu gut 60 Prozent männlich. Über 40 Prozent wohnten bei ihren Angehörigen, 30 Prozent in einem Heim und 15 Prozent im Betreuten Wohnen. Ihre Beschwerden teilen geistig Behinderte demnach meist ihren Angehörigen mit, die sie der Befragung zufolge oft zum Arzt begleiten – meist in Worten, zu einem Prozent in Gebärdensprache. Doch auch Gesten und Blicke sind Ausdrucksmittel, ebenso Körperreaktionen oder Lautieren. Barrieren sind eher organisatorischer als räumlicher Natur. Die Behandlungssituation ist teilweise durch Ängste, Unruhe oder auch das Nichtzulassen von Untersuchungen erschwert. Dabei unterscheidet sich die Sicht der Probanden kaum von der ihrer Angehörigen. Über 30 Prozent der Angehörigen bemängeln, dass die Praxen nie oder selten Informationsmaterial in Leichter Sprache auslegen. Die Hausärzte bestätigen die geringe Rolle dieser Hilfen: Solches Material gibt es der Studie zufolge nur in 7,3 Prozent der Praxen, noch dazu werden vorhandene Vermittlungshilfen in Wort und Bild selten eingesetzt. Denn in der Behandlungssituation fühlen sich 90 Prozent der Ärzte sicher, 65 Prozent meinen, Äußerungen und Anliegen der Patienten immer zu verstehen. 95 Prozent sehen auch bei ihren Mitarbeitenden gute Kenntnisse im Umgang. Stark nachgefragt, aber selten parat: Hilfen in Leichter Sprache Fast 35 Prozent der Angehörigen gaben an, dass sie beim letzten Praxisbesuch den Termin noch am selben Tag erhalten haben, knapp 24 Prozent binnen einer Woche und 20 Prozent in einem Monat. Für 13 Prozent ist die Wartezeit In Deutschland gibt es nur wenige Arbeiten zu den Barrieren in der medizinischen ambulanten Versorgung beim Zugang und im Untersuchungsablauf von Menschen mit geistiger Behinderung, die Betroffenen selbst kamen bisher kaum zu Wort. Foto: Kawee_stock.adobe.com

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