Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 14

48 | ZAHNMEDIZIN verunreinigten, mikrobiell besiedelten Zahnersatzes insbesondere bei abwehrgeschwächten Menschen (Abbildung 5). Eine mangelhafte Prothesenhygiene kann allgemeinmedizinische Folgen haben [Blankenstein et al., 2011] Aufgezeigt wurde, dass (hoch)betagte Probanden mit herausnehmbarem Zahnersatz einem deutlich höheren Pneumonierisiko unterliegen als vergleichbare Probanden ohne herausnehmbaren Zahnersatz [Alzamil et al., 2021]. Herausnehmbarer Zahnersatz beschreibt nicht die Ausnahme, sondern die Regel im vierten Lebensabschnitt [Jordan et al., 2014]. Untersuchungen zufolge entwickelt jeder dritte Prothesenträger langfristig eine Stomatitis [Zissis et al., 2006], wobei eine unzureichende Prothesenhygiene die Hauptursache darstellt. Maßnahmen zur Reduktion der Keimbelastung sind einfach und unkompliziert auch durch Pflegende durchzuführen. Die Bundeszahnärztekammer und das Zentrum für Qualität in der Pflege haben einen praktischen Leitfaden mit patientenorientierten Informationen zur Prothesenreinigung erstellt, einschließlich eines Videos, das eine Reihe von Empfehlungen zusammenfasst (www.youtube.com/ watch?v=Qdo6W2qkAiQ). Zur effektiven Reinigung von dentalen Prothesen sollte eine Kombination aus mechanischem Bürsten und Seife oder Prothesenreinigern verwendet werden. Spezielle Prothesenzahnpasta oder spezieller Prothesenschaum sind geeignet, da sie sanft in der Anwendung sind und dennoch eine effektive Reinigung ermöglichen. Mechanisches Bürsten hilft bei der Entfernung von Plaque und Ablagerungen, während Prothesenreiniger helfen können, Bakterien abzutöten und verfärbte Rückstände zu entfernen. Klassische Zahncreme hat einen vergleichbaren Reinigungseffekt, führt aber zum Zerkratzen der PMMAOberfläche und erhöht dadurch die Anlagerung von Plaque im klinischen Gebrauch [Harrison et al., 2004]. Die Anwendung von Reinigungstabletten kann eine sinnvolle, unterstützende Maßnahme darstellen. Die auf dem europäischen Markt erhältlichen Produkte mit CE-Kennzeichen besitzen bei richtiger Anwendung weder für das Prothesenmaterial noch für die Mundschleimhaut eine schädigende Wirkung. Es werden ausschließlich Produkte angeboten, die durch Peroxide innerhalb von pH-Werten zwischen 4 und 9 wirksam werden. Im Gegensatz dazu muss von Hausmitteln wie Essigessenz, Zitronensäure oder Backpulver (Natron) abgeraten werden. Deren Effekte beruhen auf extremen pH-Werten. Bleiben auf dem Zahnersatz nach der Reinigung Rückstände erhalten, können diese zu Verätzungen führen. Unter professionellen Bedingungen kann eine Desinfektion mit 0,5-prozentiger Natriumhypochloritlösung mit einer Einwirkzeit von drei Minuten in Kombination mit Ultraschall sehr wirksam sein [de Sousa Porta et al., 2015]. Wichtig ist dabei, dass die Reste des Materials vor dem Einsetzen in die Mundhöhle gründlich vom Zahnersatz entfernt werden müssen. Risikoärmer in der Handhabung ist die Verwendung von Chlorhexidin. Bei längerer Einwirkzeit ist jedoch mit Verfärbungen und Versprödungen des Materials zu rechnen [Moffa et al., 2011]. Eine weitere Maßnahme zur Keimreduktion stellt die Nutzung von Mikrowellen dar [Klironomos et al., 2015]. Unstrittig ist die hohe Effektivität des Verfahrens und die Einfachheit der Durchführung. Wenige Minuten reichen aus, um eine vergleichbare Keimreduktion zu erreichen wie bei einer chemischen Behandlung mit 0,02-prozentiger Natriumhypochloritlösung über eine Dauer von acht Stunden. Das Verfahren kann indes nur für metallfreie Prothesen und nicht in der alltäglichen Routine verwendet werden. Die Dimensionen und die mechanischen Eigenschaften des Prothesenwerkstoffs könnten sich nachteilig verändern. Aktuell gibt es Empfehlungen für eine Bestrahlungsleistung von 650 Watt für drei Minuten unter trockenen Bedingungen. Zum Ausschluss unerwünschter Veränderungen sollte das Verfahren nicht häufiger als dreimal angewendet werden. Die Keimbesiedlung bei Zahnersatz kann einer Untersuchung nach auch bei adäquater Reinigung problematisch bleiben (Abbildung 5). Eine nächtliche Prothesenkarenz reduziert das Risiko hochbetagter Patienten, an einer Lungenentzündung zu erkranken. Deshalb wird gebrechlichen Patienten empfohlen, Zahnersatz tagsüber, aber nicht nachts zu tragen [Cinema et al., 2015]. Eine trockene Lagerung der Prothesen über acht Stunden führt zu einer messbaren, relevanten Reduktion der Mikroorganismen. Die durch die Trocknung auftretenden Schäden am Prothesenmaterial halten sich bei der Einhaltung dieses Zeitintervalls in Grenzen. Diese Form der Lagerung kann daher bei nächtlicher Prothesenkarenz empfohlen werden [Stafford et al., 1986]. Maßnahmen zur Trageverbesserung Neben Hinweisen und Unterweisungen zur Pflege gehören Maßnahmen zur Trageverbesserung des Zahnersatzes zu den am häufigsten durchzuführenden zahnärztlichen Maßnahmen bei Patienten der Belastungsstufen 3 und 4. Mit zunehmender Gebrechlichkeit reduzieren sich häufig die Muskelkontrolle und die Speichelproduktion. zm113 Nr. 14, 16.07.2023, (1238) Abb. 5a: Selbst bei scheinbar guter Reinigung kann es zur manifesten Besiedlung des Kunststoffs mit Keimen der Mundhöhle kommen. Abb. 5b: Die Beläge können oftmals auch durch intensive Reinigung nicht entfernt werden. Fotos: Ramona Schweyen

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