ZAHNMEDIZIN | 55 2012]. Dies kann bis zur zur sozialen Isolation führen, etwa wenn Ältere wegen schlecht sitzender Prothesen Zusammenkünfte mit anderen vermeiden [Hajek et al., 2022; Koyama et al., 2021]. Seit 2002 besteht weltweiter Konsens, dass zwei interforaminale Implantate ausreichen, eine Unterkieferprothese bei totaler Zahnlosigkeit unabhängig von den Halteelementen (Kugelanker, Locator, Steg) zu stabilisieren [Feine et al., 2002]. Implantate im zahnlosen Unterkiefer beeinflussen positiv die Beißkraft, die objektiv ermittelte Kaueffizienz, gemessen mit der Zerkleinerung oder Durchmischung einer Testnahrung, sowie das subjektive Kauvermögen und die Zufriedenheit mit der Prothese [Boven et al., 2015]. In einer Studie mit 75- bis 96-jährigen zahnlosen Pflegebedürftigen ohne schwere kognitive Einschränkungen erhielten zufällig ausgewählte Teilnehmer zwei Implantate zur Stabilisierung ihrer Prothesen im Unterkiefer. Bei den anderen Teilnehmern wurden die Prothesen unterfüttert und optimiert [Müller et al., 2013]. In beiden Gruppen wurden die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität, die Zufriedenheit mit den Prothesen, die Prothesenstabilität und die maximale Beißkraft verbessert. Der Effekt war jedoch in der Implantatgruppe signifikant höher als in der Gruppe ohne Implantate. Bei der Kaueffizienz gab es überraschenderweise vernachlässigbare Unterschiede zwischen den Gruppen [Maniewicz et al., 2019]. Zu keinen Veränderungen kam es im Ernährungsverhalten (Fragebogen) und bei bestimmten Blutmarkern (Albumin, Vitamin B12, Folsäure). Der Nachweis, ob sich zahnlose Patienten nach der Prothesenstabilisierung mit Unterkiefer-Implantaten automatisch besser ernähren oder gesünder werden, steht immer noch aus. Wahrscheinlich sollte immer eine Ernährungslenkung dazu gehören [Qian et al., 2022]. Geriatrische Implantate? VieleälterePatientensindmultimorbid, verbunden mit der Einnahme von Medikamenten, die das Risiko von Komplikationen nach einem chirurgischen Eingriff zusätzlich erhöhen [Müller, 2014; Schimmel et al., 2017]. Deshalb werden die notwendigen augmentativen Maßnahmen bei Knochendefiziten für Implantate häufig nicht mehr erwogen. Demgegenüber steht, dass häufig der Halt und die Lagestabilität von totalen Prothesen wegen weit fortgeschrittenen Kieferkammatrophien im Alter, einer verminderten Speichelfließrate und einer reduzierten muskulären Kontrolle kaum zu erreichen ist [Müller, 2014]. Hinzu kommt, dass Senioren Implantattherapien aus Angst vor dem Eingriff und vor möglichen Komplikationen skeptisch gegenüberstehen [Walton und MacEntee, 2005]. Nicht zuletzt ist die Finanzierung von Implantatkonstruktionen für viele Senioren unmöglich. Dies ist verständlich, wenn die primären Kosten der Implantattherapie ein Mehrfaches der monatlichen Rente übersteigen. In der DMS V war der Anteil der zahnlosen 65- bis 74-Jährigen in der Gruppe mit einem niedrigen Sozialstatus mit niedriger Schulbildung und geringem Einkommen viermal höher (16,4 Prozent) als in der Gruppe mit hohem Sozialstatus (3,8 Prozent). Bei den 75- bis 100-Jährigen waren es noch doppelt so viele (35 Prozent versus 16,4 Prozent). Das bedeutet, die Bevölkerungsgruppe, die sich häufig keine dentalen Implantate leisten kann, würde am meisten davon profitieren. Das Risiko für Probleme mit implantatgetragenem Zahnersatz bei älteren Senioren besteht zudem darin, dass manuelle, visuelle und kognitive Einschränkungen vorliegen, die eine selbstständige, adäquate Mund- und Prothesenhygiene und Handhabung nicht mehr gewährleisten (Abbildung 1). Unter den Risikofaktoren für Implantatverluste und Periimplantitis sind eine inadäquate Mundhygiene und die Non-Compliance für Kontrollen und professionelle Hygienemaßnahmen zu nennen [Bidra et al., 2016]. Die Ein-Implantat-Prothese Ein überschaubares, pflegeleichtes und zudem preiswertes Konzept ist das mittig stehende einzelne Implantat zur Stabilisierung der totalen UnterkieferProthese. Die erste Fünf-Jahres-Studie zm113 Nr. 14, 16.07.2023, (1245) Abb. 1: 83-jähriger Patient mit Parkinson-Demenz: Wechsel von Locator- auf Magnetattachment wegen Problemen bei der Eingliederung der Prothese und der Implantathygiene durch direktes Einpolymerisieren Fotos: Torsten Mundt A C E D F B
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