ZAHNMEDIZIN | 65 ziell inadäquater Medikation im Alter“ (PIM) erstellt, die Medikamente aufführen, die bei älteren Menschen aufgrund des erhöhten Hospitalisierungsrisikos vermieden werden sollten (PRISCUS-Liste: www.priscus2-0.de; FORTA-Liste: forta.umm.uni-heidelberg.de). Dennoch kommt es regelmäßig zu Verordnungskaskaden, bei denen die Nebenwirkungen eingenommener Arzneimittel als eigenständige Symptome medikamentös behandelt werden [Mosshammer et al., 2016]. Neben den allgemeinmedizinischen Risikofaktoren einer Polypharmazie – darunter ein erhöhtes Risiko für Stürze, kognitive Störungen, Hospitalisierung und Mortalität [Mosshammer et al., 2016; Soto et al., 2021] – treten auch für die Zahnmedizin relevante Aspekte der Polypharmazie zutage. Mit dem im Jahr 2000 veröffentlichten „Surgeon General’s Report on Oral Health“ [U.S. Department of Health and Human Services, 2000] wurden erstmals die Relevanz der Mundhöhle als „Fenster zur Außenwelt“ und die Verbindung zwischen oraler und systemischer Gesundheit anerkannt. Mit über einhundert durch systemische Erkrankungen und fünfmal so vielen medikationsbedingten oralen Manifestationen stehen Zahnärzte vor einer wachsenden Herausforderung [Soto et al., 2021]. In klinischen Studien wurde außerdem eine reduzierte Mundgesundheit mit der gleichzeitigen und dauerhaften Einnahme von mehr als fünf Medikamenten in Verbindung gebracht [Nakamura et al., 2021; Anliker et al., 2023]. Effekte der Polymedikation auf die orale Gesundheit Xerostomie und Hyposalivation Bei der Xerostomie handelt es sich um die sicherlich häufigste orale Manifestation der Polypharmazie [Scully, 2003]. Obwohl die Begriffe „Xerostomie“ und „Hyposalivation“ häufig überlappend genutzt werden, handelt es sich um unterschiedliche Entitäten. Während die Xerostomie als das subjektive Gefühl der Mundtrockenheit definiert wird, handelt es sich bei der Hyposalivation um die objektiv messbare Reduktion der Speichelmenge (Abbildung 1) [Furness et al., 2011]. Mehr als 400 Medikamente sind dazu in der Lage, die Speichelproduktion zu reduzieren; bei 80 Prozent der bei älteren Personen am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln tritt dies als Nebenwirkung auf [Turner, 2016]. Die Prävalenz für eine Funktionsstörung der Speicheldrüsen steigt dabei mit der Anzahl der eingenommenen Medikamente. Zu den mit Xerostomie und Hyposalivation assoziierten Arzneimitteln gehören unter anderem Antidepressiva, Sedativa, Antipsychotika, zm113 Nr. 14, 16.07.2023, (1255) Dr. med. Diana Heimes Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: UK Mainz DR. MED. DIANA HEIMES Assistenzärztin in der Weiterbildung zur Mund-Kiefer-Gesichtschirurgin Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz diana.heimes@unimedizinmainz.de 2012–2019: Studium der Humanmedizin an den Universitäten Marburg, Rostock und Mainz 2020: Promotion zum Dr. med. an der Universität Rostock seit 2019: Arbeit als Weiterbildungsassistentin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitätsmedizin Mainz 2019–2023: Studium der Zahnmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Autorin zahlreicher nationaler und internationaler Publikationen zu den Forschungsthemen Maxillofaziale Chirurgie, Orale Regeneration, Schmerztherapie und Implantologie Autorin eines in diesem Jahr erscheinenden Lehrbuchs zur Schmerzkontrolle in der Zahnmedizin Gutachterin für diverse medizinische und zahnmedizinische Journale DIE HÄUFIGSTEN MEDIKAMENTENINDUZIERTEN MUNDSCHLEIMHAUTVERÄNDERUNGEN Aphthöse und nicht-aphthöse Ulzerationen Angioödem Dysästhesie (Geschmackveränderungen und „burning mouth syndrome“) Virale Infektionen und Mykosen Fibrovaskuläre Hyperplasie Lichenoide Reaktionen oder Lichen planus Xerostomie oder Hyposalivation Tab. 1: Liste der häufigsten durch Medikamente verursachten Mundschleimhautveränderungen, Quelle: nach [Halpern, 2020] und [Yuan et al., 2015] Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt/ Stellvertr. Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Kämmerer
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