66 | ZAHNMEDIZIN Antihypertensiva, Antihistaminika, Bronchodilatatoren, Chemotherapeutika und Protonenpumpeninhibitoren [Scully, 2003]. Die verringerte Speichelmenge prädisponiert für die Entwicklung bestimmter Folgeerkrankungen, deren Auftreten signifikanten Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten hat. Patienten mit einer Hyposalivation besitzen im Vergleich zur Normalbevölkerung ein deutlich erhöhtes Risiko, an Karies zu erkranken. Dieser Effekt ist auf die Veränderung des oralen Mikrobioms, insbesondere das vermehrte Vorkommen von Streptococcus mutans species, den Verlust der Schutzwirkung des Speichels und dessen Pufferkapazität zurückzuführen. Hinzu kommen motorische und kognitive Einschränkungen, die zu einer Verschlechterung der Mundhygiene beitragen [Turner, 2016]. Durch die mechanische Reinigungswirkung des Speichels wird die orale Schleimhaut in gesunden Individuen vor der Kolonisation mit Mikroorganismen geschützt. Fällt diese Reinigungswirkung weg, kann es zu einem Wachstum fakultativ pathogener Keime wie Candida kommen [Turner, 2016]. Die Austrocknung der Zungenoberfläche kann außerdem eine Fissurenbildung bedingen (Abbildung 2). Die in deren Folge verstärkte Retention von Nahrungsresten führt zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber der Besiedelung mit Pilzen, kann zu Glossodynie oder zum Verlust des Geschmacksempfindens beitragen. Sobald die Mukosa ihre mucinöse Schutzschicht verliert, kann zudem die physiologische Reibung von Zähnen oder prothetischen Restaurationen zu einer Schädigung der Oberfläche führen [Soto et al., 2021; Turner, 2016]. Die durch eine Xerostomie oder Hyposalivation bedingten Folgen sind im Gesamtbild des geriatrischen Patienten jedoch viel umfassender und schwerwiegender als die genannten lokalen Faktoren. Die durch die Mundtrockenheit bedingten Schluckstörungen können Malnutrition und Dehydratation zur Folge haben. Diese Faktoren werden durch einen kariesbedingten Zahnverlust, chronische Infektionen der Mundhöhle und einen Verlust des Geschmackssinns bedeutend verstärkt. Dies kann neben dem physischen auch das psychische Wohlbefinden des Patienten beeinträchtigen. Xerostomiebedingte Sprachstörungen und die Unfähigkeit zur Kommunikation können diese Probleme durch soziale Isolation und psychischen Stress zusätzlich verstärken [Cannon et al., 2023]. In der Therapie der Hyposalivation steht neben der ausführlichen Anamnese die Analyse der auslösenden Faktoren im Vordergrund. Sollte es keine Möglichkeit geben, auf die Einnahme der verursachenden Wirkstoffe zu verzichten, so müssen Maßnahmen ergriffen werden, die Speichelproduktion zu stimulieren oder den Speichel zu ersetzen. Ein häufig angewendetes Mittel ist Xylitol, ein Zuckeralkohol, der in der Lebensmittelindustrie als Süßungsmittel eingesetzt wird und durch die Generierung eines osmotischen Gradienten zwischen Schleimhaut und Mundhöhle die Flüssigkeitssekretion anregt. Speichelersetzende Stoffe sollten eine möglichst ähnliche Viskosität besitzen wie Speichel und eine gute Schmierung aufweisen. Bei letzterer handelt es sich um die Fähigkeit eines Stoffes zur Reduktion von Friktion [Turner, 2016]. In Studien hat sich gezeigt, dass Mucinbasierte Ersatzstoffe die größte Ähnlichkeit zu natürlichem Speichel und die beste Schmierung im Vergleich zu Carboxymethylcellulose besitzen [Dirix et al., 2007; Shahdad et al., 2005]. Periphere Sialogoga wirken über die Stimulierung der gustatorischen Rezeptoren. Die bekanntesten Vertreter sind Ascorbin- und Apfelsäure; deren Effekt hängt jedoch von der noch vorhandenen Restaktivität der Speicheldrüsen ab. Für die Therapie von bestrahlten Patienten stehen außerdem zentral wirksame Substanzen zur Verfügung. Bei Pilocarpin handelt es sich um einen nicht-selektiven Agonisten zm113 Nr. 14, 16.07.2023, (1256) Abb. 1: trockene Mundschleimhaut bei Hyposalivation nach Strahlentherapie Abb. 2: Fissurenbildung der Zungenoberfläche ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Fotos: Universitätsmedizin Mainz
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