STATEMENT VON KZBV-CHEF MARTIN HENDGES Amalgamverbot ab 2025? Die bedenklichen Pläne der EU-Kommission Die Diskussion um das Dentalamalgam beschäftigt uns Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte schon seit Längerem. Bereits 2013 hatten sich die Vereinten Nationen im sogenannten „Minamata“-Übereinkommen darauf verständigt, die Emission von Quecksilber in die Umwelt so weit wie möglich einzudämmen. Die Inhalte dieses Abkommens hatte das Europäische Parlament im Mai 2017 in der „Verordnung über Quecksilber“ übernommen. Neben Vorgaben zur allgemeinen Eindämmung von Quecksilberemissionen beinhaltete die Verordnung auch Regelungen, die speziell Dentalamalgam betrafen. Deutschland war und ist bezüglich eines verantwortungsvollen Umgangs mit dem Material bereits vor dieser Verordnung Vorreiter. Amalgamabscheider sowie die Verpflichtung zur Verwendung von ausschließlich verkapseltem Amalgam sind seit Langem Standard in deutschen Zahnarztpraxen. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes darf seit Juli 2018 Dentalamalgam EU-weit bei Kindern unter 15 Jahren, Schwangeren und Stillenden nur noch in medizinischen Ausnahmefällen verwendet werden. Die deutsche Zahnärzteschaft hat diese Regelungen umgesetzt und den Weg für zuzahlungsfreie Kunststofffüllungen für diese Fälle eröffnet. Es ist aber festzuhalten: Amalgam gilt nach wie vor als einer der am besten erforschten Werkstoffe in der Füllungstherapie weltweit. Auch nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand besteht laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte „kein begründeter Verdacht dafür, dass ordnungsgemäß gelegte Amalgamfüllungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit des zahnärztlichen Patienten haben“. Doch die EU-Kommission betrachtet Dentalamalgam nicht nur aus der Perspektive der zahnmedizinischen Versorgung, sondern zieht auch Aspekte des Umweltschutzes in Betracht. Daher waren die Mitgliedstaaten verpflichtet zu prüfen, wie die Verwendung von Dentalamalgam bis 2030 weiter reduziert werden kann (sogenannter „phase down“). Dieses Zeitziel hat die EU-Kommission nun mit Vorlage eines neuen Vorschlags ad absurdum geführt. Am 14. Juli 2023 wurde ein Regelungsentwurf veröffentlicht, mit dem die EU-Kommission aus Gründen des Umweltschutzes ein Verbot der Verwendung von Dentalamalgam ab dem 1. Januar 2025 vorsieht. Ausnahmen vom Verbot soll es nur für Fälle geben, in denen eine Amalgamverwendung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei dem jeweiligen Patienten als zwingend notwendig angesehen wird. Darüber hinaus sollen ab diesem Zeitpunkt die Herstellung und die Ausfuhr von Dentalamalgam in der EU verboten werden. Die EU-Kommission begründet ihren Schritt damit, dass aus Gründen des Umweltschutzes ein frühestmögliches Amalgamverbot am effizientesten ist und insgesamt ein rückläufiger Trend bei der Verwendung von Dentalamalgam in der EU zu beobachten ist. Zudem dürfte sich nach Einschätzung der Kommission der „Kostenunterschied zwischen Dentalamalgam und quecksilberfreien Alternativen mit zunehmender Nachfrage und Innovation verringern.“ Diese Entwicklung ist hinsichtlich der Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung mehr als bedenklich und zeigt, wie kurzsichtig und ignorant die Kommission vorgeht. Mit dem vorgeschlagenen Ausstiegsdatum zum 1. Januar 2025 entscheidet sich die EU-Kommission entgegen der intensiv geführten Diskussion bewusst für die frühestmögliche Variante eines Ausstiegs, um Druck auf die EU-Mitgliedstaaten auszuüben. Versorgungsfragen spielen keine Rolle. Denn: Zu diesem Stichtag müsste eine flächendeckende Versorgung mit einem plastischen Füllungsmaterial gewährleistet sein, das einen qualitativ gleichwertigen Ersatz darstellt. Gerade aus Sicht des deutschen Versorgungssystems geht es bei der Frage der Gestaltung von Versorgungsszenarien ohne Dentalamalgam nicht allein um die von der Kommission angeführten Kostenunterschiede. Es geht vielmehr um eine evidenzgesicherte Versorgung mit Alternativmaterialien. Damit geht auch das Innovationsargument der Kommission ins Leere, da höchst unklar ist, ob Materialinnovationen bis zum 1. Januar 2025 zu realisieren sein werden. Die ganze Absurdität des Vorgangs wird deutlich, wenn man die Ausnahmeregelung betrachtet. Gewiss, die Zahlen von Amalgamfüllungen sinken kontinuierlich und machen Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender des Vorstands der KZBV Foto: Jan Knoff 10 | POLITIK zm113 Nr. 15-16, 16.08.2023, (1328)
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