Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

44 | ZAHNMEDIZIN Prozent beim gestillten Kind praktisch keine messbaren Konzentrationen des Arzneistoffs mehr nachweisbar sind [Anderson, 2006]. Ähnlich wie bei der Blut-Hirn-Schranke müssen Arzneimittel sowohl die Lipidmembranen der kapillaren Blutgefäße als auch die der Alveolarzellen der Mamma durchdringen, um in die Muttermilch zu gelangen. Bereits eine Woche nach der Geburt sind Arzneimittel nur noch in kleinen Mengen im Milchkompartiment nachweisbar, so dass beim Säugling meist nur eine verschwindend geringe absolute Wirkstoffdosis ankommt [Hale und Baker, 2018]. Durch Abwarten von ein bis zwei Halbwertszeiten bis zum nächsten Stillen können Konzentrationsspitzen sicher umgangen werden [Horn und Kirch, 2000]. Nach Ablauf der fünffachen Dauer der Halbwertszeit ist das Arzneimittel im Allgemeinen nicht mehr im mütterlichen Blut nachweisbar [Ude und Burkhardt, 2020]. Eine bekannte Methode zur standardisierten Beurteilung der Sicherheit eines Arzneimittels besteht darin, die relative Säuglingsdosis (Relative Infant Dose, RID) zu bestimmen. Die RID beschreibt die prozentual vom Baby über die Muttermilch aufgenommene gewichtsbezogene Arzneistoffdosis in 24 Stunden (mg/kg/Tag) relativ zur Dosis der Mutter (mg/kg/Tag), und dient der Risikoabschätzung für den Übertrittsgrad eines Arzneistoffs in die Muttermilch. Prinzipiell gilt ein Medikament mit einer relativen Dosis unter zehn Prozent als sicher für die Anwendung während der Stillzeit. Bei einer relativen Dosis zwischen zehn und 25 Prozent ist Vorsicht geboten und ab 25 zm113 Nr. 15-16, 16.08.2023, (1362) BESONDERHEITEN DES STOFFWECHSELS BEIM SÄUGLING Organ Physiologische Verhältnisse beim Säugling Pharmakologische Bedeutung Magen-Darm-Trakt Ph-Wert des Magens wesentlich basischer Zum Teil höhere Resorptionsraten von Medikamenten Verlängerte Verweildauer im Magen-Darm-Trakt Permeabilität der Darmwand für größere Moleküle möglich Geringe Pankreasenzymund Gallensäureproduktion Leber Erst nach ein bis zwei Wochen Oxidations- und nach drei Monaten Konjugationsreaktionen möglich Verlängerte Halbwertszeit àerhöhtes Kumulationsrisiko von Arzneistoffen Renale Ausscheidung Erst nach 2 bis 5 Monaten entwickelt Erhöhtes Kumulationsrisiko von Arzneistoffen Tab. 2: Quelle: modifiziert nach [C. Schäfer, 2010] ANALGETIKA IN DER STILLZEIT Wirkstoff Relative Säuglingsdosis (in Prozent) Risikokategorie in der Stillzeit Literaturangaben Paracetamol 1,9–24 verträglich Notarianni et al., 1987; Fatori Popovic et al., 2016; Fischer et al., 2019; Hale und Baker, 2020; Mitchell et al. 2020 Acetylsalicylsäure 2–10,8 nur als Einzelgabe vertretbar Nassen et al., 2014; Hale und Baker, 2020 Ibuprofen 0,1–0,7 verträglich Nassen et al., 2014; Hale und Baker, 2020 Diclofenac 0,9 verträglich Nassen et al., 2014 Celecoxib 0,3–0,7 verträglich Hale et al., 2004; Hale und Baker, 2020 Metamizol keine genauen Daten vorhanden nur als Einzelgabe vertretbar Nassen et al., 2014; Fischer et al., 2019 Codein 0,6–8,1 vermeiden (Sedierung des Säuglings möglich) Fischer et al., 2019; Hale und Baker, 2020; Mitchell et al., 2020 Tab. 3: Quelle: modifiziert nach [T.W. Hale und T.E. Baker, 2018]

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