ZAHNMEDIZIN | 45 Prozent ist die Anwendung während der Stillzeit kontraindiziert [Bennett, 1996; Hotham und Hotham, 2015], wenn von der Substanz potenziell eine Gefahr ausgehen könnte oder gesicherte Erkenntnisse fehlen. Pharmakologische Besonderheiten bei Säuglingen Generell gilt, dass Frühgeborene gegenüber jeglichen Arzneimitteln besonders empfindlich sind. Nach der Geburt des Säuglings verändert sich der Organismus in den ersten Monaten relativ rasch. Aufgrund unvollständiger Organbarrieren ist die Arzneimittelresorption bei Neugeborenen und Säuglingen im Vergleich zu einem Erwachsenen deutlich anders. Bei Säuglingen ist es daher auch extrem schwierig, die mit der Muttermilch aufgenommene Dosis mit einer normalen klinischen Dosis zu vergleichen, weil es meist keine Dosierungsschemata für diese Altersgruppe gibt. Die wichtigsten pharmakologisch relevanten Stoffwechseländerungen dieser Lebensphase sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Typisch für Neugeborene und Säuglinge sind die Besonderheiten des Magen-Darm-Trakts und die unvollständigen hepatischen und renalen Eliminationsmechanismen in den ersten Lebensmonaten. Dies kann insgesamt zu erheblichen Verzögerungen bei der Wirkstoffelimination führen [Ude und Burkhardt, 2020]. So ist die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), die die relevante Funktion der Nieren für die Ausscheidung von Arzneimitteln darstellt, bei Säuglingen gegenüber Erwachsenen deutlich reduziert (Abbildung 1). Dadurch ist die Elimination über die Niere verlangsamt und es kann zu einer längeren Verweildauer von Arzneistoffen im Körper kommen. Andererseits haben Säuglinge in Relation zum Körpergewicht ein wesentlich höheres Extrazellularvolumen und einen höheren Körperwasseranteil als Erwachsene (Abbildung 2). Dies bedingt ein höheres Verteilungsvolumen aller wasserlöslichen Arzneistoffe [Ude und Burkhardt, 2020]. Eine Übersichtsarbeit ergab, dass die meisten Nebenwirkungen von Arzneimitteln bei gestillten Kindern unter zwei Monaten zu verzeichnen waren [Ilett et al., 1997]. Ab einem Säuglingsalter von sechs Monaten geht von den meisten Arzneimitteln eine geringere Gefahr aus, da die Nierenfunktion und die Atmungssteuerung des Kindes zu diesem Zeitpunkt recht gut ausgebildet sind, so dass Wirkstoffe besser über den Stoffwechsel eliminiert werden können [Hale und Baker, 2018]. Zahnärztliche Medikamente in der Stillzeit Analgetika Unter den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist Ibuprofen während der Stillzeit das Mittel der Wahl [Horn und Kirch, 2000]. Aufgrund der hohen mütterlichen Plasmaeiweißbindung (> 99 Prozent) und der geringen Lipidlöslichkeit geht nur ein sehr geringer Anteil in die Muttermilch über (Tabelle 3) [Nassen et al., 2014; Hale und Baker, 2018; Fischer et al., 2020; Ude und Burkhardt, 2020]. Auch bei der Einnahme von Diclofenac und Celecoxib sind bisher keine negazm113 Nr. 15-16, 16.08.2023, (1363) Abb. 1: Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) in unterschiedlichen Lebensphasen Foto: Ude und Burkhardt, 2020; Pädia GmbH Abb. 2: Körperwasseranteil und Körpergewicht in unterschiedlichen Lebensphasen Foto: Ude und Burkhardt, 2020; Pädia GmbH
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