46 | ZAHNMEDIZIN tiven Folgen beim gestillten Säugling bekannt, daher ist die Unterbrechung des Stillens bei kurzfristiger Einnahme nicht zwingend notwendig [Hale et al., 2004; Nassen et al., 2014; Hale und Baker, 2018]. Da Acetylsalicylsäure (ASS) in höheren Konzentrationen in die Muttermilch übertritt (Tabelle 3), sollte es in der Stillzeit möglichst vermieden werden [Ude und Burkhardt, 2020]. Das gilt besonders in den ersten Lebenswochen, da hier die plasmatische Gerinnung beim Neugeborenen erst aufgebaut wird und so Blutungskomplikationen durch die Thrombozytenaggregationshemmung nicht ausgeschlossen werden können. Als Einzelgabe kann ASS aber eingesetzt werden [Schäfer, 2010]. Obwohl es zu Paracetamol sehr unterschiedliche Angaben zur RID gibt (Tabelle 3), wird es als sicheres und verträgliches Analgetikum eingestuft [Notarianni et al., 1987; Fatori Popovic et al., 2016; Fischer et al., 2019; Hale und Baker, 2020; Ude und Burkhardt, 2020]. Nimmt die Mutter Paracetamol in einer üblichen Menge ein, liegt die Konzentration beim Säugling weit unter der pädiatrisch-therapeutischen Dosis [Mitchell et al., 2020]. Im Übrigen ist Paracetamol bei Neugeborenen weniger hepatotoxisch als bei älteren Kindern, da erstere eine geringere Aktivität der Cytochrom-P450-Enzyme haben, die Paracetamol in toxische Metabolite umwandeln [Sachs, 2013]. Novaminsulfon beziehungsweise Metamizol kann unter anderem bei akuten postoperativen Schmerzen eingesetzt werden. In der Stillzeit muss vor allem eine wiederholte Anwendung des Wirkstoffs vermieden werden, da Novaminsulfon auch wegen der deutlich geringeren Proteinbindung (circa 60 Prozent) eher in größerer Menge in die Muttermilch übergeht und ein Risiko für den gestillten Säugling daher nicht ausgeschlossen werden kann [Fischer et al., 2018; Ude und Burkhardt, 2020]. Bei wiederholter Anwendung wird ein mögliches Zyanoserisiko durch eine Methämoglobinbildung beim Säugling diskutiert [Schäfer, 2010; Ude und Burkhardt, 2020]. Bei Einzelanwendungen wird empfohlen, dass die Stillende die Muttermilch für die nächsten 48 Stunden auffängt oder abpumpt und anschließend verwerfen sollte [Ude und Burkhardt, 2020]. Codein wird wie alle Opioide in der Stillzeit als kritisch angesehen [Mitchell et al., 2020]. Dies gilt besonders, nachdem 2006 ein Fallbericht über den Todesfall eines Säuglings publiziert wurde, dessen Mutter während der Stillzeit Codein eingenommen hatte [Koren et al., 2006]. In einer 2012 veröffentlichten Kohortenstudie mit 210 stillenden Müttern wurde bei 16,7 Prozent der Säuglinge eine Sedierung festgestellt [Lam et al., 2012]. Antibiotika und Antimykotika Alle in der Zahnmedizin gängigen Antibiotika wurden auch bei stillenden Müttern in ausreichendem Maße untersucht (Tabelle 4). Grundsätzlich können alle Antibiotika, die die Mutter in der Stillzeit einnimmt, bei ihr wie beim Säugling durch eine Beeinflussung der Darmflora zu unerwünschten Wirkungen wie Durchfällen und Pilzinfektionen führen [Schäfer und Koch, 1998; Horn und Kirch, 2000; Fischer et al., 2019; Ude und Burkhardt, 2020]. Nach einer Antibiotikagabe ist der Gehalt an Bifidobakterien in der Muttermilch vermindert, was wiederum die Zusammensetzung des kindlichen Darmmikrobioms beeinflusst [Lemas et al., 2016]. Die Penicillinderivate als gebräuchlichste Gruppe wie auch die Cephalosporine bleiben aufgrund ihrer hohen Polarität weitestgehend aus dem Milchkompartiment ausgeschlossen und die RID-Werte sind entsprechend niedrig (Tabelle 4) [Hale und Baker, 2020]. Mittel der zweiten Wahl sind Makrolide, die allerdings bei einem bestehenzm113 Nr. 15-16, 16.08.2023, (1364) ANTIBIOTIKA UND ANTIMYKOTIKA IN DER STILLZEIT Wirkstoff Relative Säuglingsdosis (in Prozent) Risikokategorie in der Stillzeit Literaturangaben Amoxicillin < 1 verträglich Matsuda, 1984; Horn und Kirch, 2000; Gupta und Dadhich, 2007; Ude und Burkhardt, 2020 Dicloxacillin 0,4–1,4 verträglich Matsuda, 1984 Cefalexin 0,4–1,5 verträglich Kafetzis et al., 1981 Azithromycin 5,9 verträglich Hale und Baker, 2020 Clarithromycin 2 verträglich Sedlmayr et al., 1993 Clindamycin 0,9–1,8 verträglich Matsuda, 1984; Fischer et al., 2019; Hale und Baker, 2020 Metronidazol 12,6–13,5 nur als Einzelgabe oder lokal Hale und Baker, 2020 Nystatin 0 verträglich Hale und Baker, 2020 Fluconazol 16,4–21,5 verträglich Force, 1995 Tab. 4: Quelle: modifiziert nach [T.W. Hale und T.E. Baker, 2018]
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