zm113 Nr. 17, 01.09.2023, (1436) 14 | POLITIK EINSICHTEN IN EIN FÖRDERALES SYSTEM Mundgesundheit in Kanada Kanada hinkt hinterher, wenn es um die Bereitstellung öffentlicher Gelder für die zahnärztliche Versorgung geht: Das Land steht im OECD-Vergleich ganz unten. Der von der Regierung eingebrachte Canadian Dental Care Plan könnte das jetzt ändern. Inden22europäischenLändern,fürdie im Jahr 2019 Daten verfügbar waren, stemmte die öffentliche Hand durchschnittlich 31 Prozent der Gesamtausgaben für die zahnmedizinische Versorgung. Im Vergleich dazu lag der Anteil in Kanada bei 6 Prozent. Pro Kopf sind das etwa 10,60 Euro. Nur in Mexiko, Griechenland, Israel und Spanien gibt der der Staat aktuell weniger für die Zahngesundheit aus, wie eine Auswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt (siehe Abbildung). „Gerade vulnerable Gruppen haben Schwierigkeiten beim Zugang zu regelmäßiger zahnärztlicher Versorgung", bilanzierenWissenschaftlerausToronto in einer neuen Studie und nennen in dem Zusammenhang nicht weniger als: Kinder, pflegebedürftige Senioren, Menschen mit indigenem Background, neue Einwanderer mit Flüchtlingsstatus, Menschen mit Behinderung und alle, die wenig Geld haben. Das Selbstzahlermodell hat sich nicht bewährt Für all diese Kanadier könnte sich das Blatt jetzt wenden, denn die New Democratic Party will die liberale Minderheitsregierung von Justin Trudeau künftig in Abstimmungen unterstützen,sofernjenezuEingeständnissenbereit ist. Eine dieser Bedingungen: die öffentliche Finanzierung der Zahnpflege. In ihrem Haushalt für 2023 stellte die kanadische Regierung daher 13 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren und fortlaufend 4,4 Milliarden US-Dollar bereit, um die zahnärztliche Versorgung von armen Familien ohne Zahnversicherung sicherzustellen. Umfragen zufolge unterstützen zwei Drittel der Kanadier den Vorstoß, aber weniger als die Hälfte würden noch mitgehen, wenn damit Steuererhöhungen verbunden wären. Bereits im Oktober 2022 hatte die Politik ein zweijähriges Übergangsprogramm gestartet: den Canada Dental Benefit, eine antragsbasierte Geldleistung für Kinder aus Haushalten mit einem Nettoeinkommen von weniger als 90.000 US-Dollar. Haben Familien weniger als 70.000 US-Dollar zur Verfügung, erhalten sie bis zu 650 US-Dollar pro Kind für zahnärztliche Maßnahmen, verdienen sie bis zu 90.000 USDollar, bekommen sie maximal 260 US-Dollar – steuerfrei. Das Programm wurde Ende 2022 zunächst auf Kinder unter zwölf Jahren ausgeweitet; Kinder unter 18 Jahren, Senioren und Menschen mit Behinderungen sind ab 2023 versichert; Ende 2025 alle Familien unterhalb jener Einkommensgrenze. Zudem hat sich die Regierung verpflichtet, ab 2025 über einen Zeitraum von drei Jahren weitere 250 Millionen Dollar für die Zahnmedizin bereitzustellen: Über einen Fonds will sie gezielt in Programme investieren, die die Lücken in der Mundgesundheit schließen und Zugangsprobleme zur Versorgung bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen beheben, insbesondere für Menschen, die in ländlichen und abgelegenen Gemeinden leben. Orale Gesundheit ist teuer Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Mehr als jeder fünfte Kanadier (22,4 Prozent) geht aus Kostengründen nicht zum Zahnarzt, wie das Institute for Research on Public Policy (IRPP) aus Montreal anhand offizieller Statistiken von 2019 belegt. Sobald sie in Rente gehen, reduzieren die Menschen ihre Zahnarztbesuche sogar noch weiter, weil dann der VersiDie Kanadier sind eigentlich stolz auf ihre universelle Gesundheitsfürsorge, aber die zahnärztliche Versorgung ist eine der größten Lücken im System. Foto: Kobrinphoto_stock.adobe.com
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