zm113 Nr. 17, 01.09.2023, (1444) 22 | TITEL Diese visuelle Rückmeldung macht Mundhygienezustände greifbarer und eindrücklicher als dies mit klinischen Plaqueindizes bisher möglich war. Jeder Intraoralscan kann in einem individuellen Mundhygienearchiv gespeichert werden, was einen permanenten Zugriff auf die individuelle Mundhygienehistorie ermöglicht. Mundhygieneentwicklungen können so besser beobachtet und Stagnationen oder Verschlechterungen frühzeitig erkannt werden. Mithilfe des Intraoralscans ist es leichter möglich, geeignete Maßnahmen zur Re-Motivation zu ergreifen. Klinische Erfahrungen – mehr Plaque als vermutet Bei den ersten Auswertungen der Intraoralscans unserer Patienten stellten wir fest, dass auch bei kariesfreien jungen Erwachsenen häufig relativ viel Plaque auf den Zahnoberflächen vorhanden ist. Diese Beobachtung weist darauf hin, dass viel Plaque in diesem jungen Alter nicht unbedingt zu viel Karies führen muss. Möglicherweise wirken heute andere Faktoren wie die regelmäßige Fluoridapplikation oder die zahnbewusste Ernährung ausreichend kompensierend. Dennoch sollte dieser Befund nicht ohne den frühzeitigen Versuch einer Korrektur der häuslichen Mundhygiene hingenommen werden, da die Begleiterscheinungen des Alterns bereits im mittleren Erwachsenenalter Risikofaktoren bilden, die die Ökologie der Mundhöhle aus dem Gleichgewicht bringen können. So liegt die Prävalenz von moderaten Parodontitiden bereits bei den 35- bis 45-Jährigen bei 45 Prozent. Bei den 65- bis 74-Jährigen sind 40,6 Prozent sogar von schwerer Parodontitis betroffen [Jordan und Micheelis, 2016]. Damit steigt auch die Prävalenz von Gingivarezessionen, wodurch freiliegendes Wurzeldentin in Kombination mit schlechter Mundhygiene (Abbildung 2) zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Wurzelkaries führt. Darüber hinaus können im Alter eine vermehrte Medikamenteneinnahme, Mundtrockenheit, Zahnprothesen, aber auch Gebrechlichkeit Risikofaktoren für die Mundgesundheit darstellen und Veränderungen des Seh- und Tastsinns sowie der kognitiven und motorischen Fähigkeiten die Durchführung einer effektiven Mundhygiene erschweren [Tonetti et al., 2017]. Hinzu kommt die altersbedingte Abnahme der Geschmackswahrnehmung, die häufig zu einer Vorliebe für süße und zuckerhaltige Speisen führt [Ogawa et al., 2017]. Auch die Kaukraft lässt im Alter nach, was in der Regel zu einer Präferenz für weiche und kohlenhydratreiche Nahrung führt [Tonetti et al., 2017]. Eine verminderte Flüssigkeitsaufnahme führt zusätzlich zu einer Abnahme der Speichelproduktion und damit zu einer Verminderung der protektiven Eigenschaften des Speichels [Barbe, 2018]. Mundhygiene – bukkale Flächen besser putzen Es erscheint deshalb im Sinne primärpräventiver Maßnahmen von zentraler Bedeutung, die Fähigkeit zur möglichst optimalen Plaquereduktion durch die tägliche häusliche Mundhygiene nicht erst im Alter, sondern bereits in jungen Jahren zu erlernen. Dabei sollte die individuelle Plaqueverteilung möglicherweise mehr als bisher berücksichtigt werden. Unsere ersten Beobachtungen mit dem Intraoralscanner zeigen, dass die Plaqueverteilung und -entwicklung offenbar einem überindividuell typischen Muster folgt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass im Oberkiefer im Bereich der bukkalen Flächen der Molaren und zweiten Prämolaren die größte Plaquebedeckung zu finden ist. Darüber hinaus sind sowohl im Oberals auch im Unterkiefer die distalen Bereiche der bukkalen Flächen am stärksten mit Plaque bedeckt, während die mesialen Bereiche der bukkalen Glattflächen gut gereinigt werden können [Giese-Kraft et al., 2022]. Im Gegensatz dazu weisen die oralen Flächen der Zähne des Ober- und des Unterkiefers eher weniger Plaque auf, die sich vor allem am Gingivarand etabliert. Wird die Mundhygiene für 72 Stunden unterbrochen, ist die Plaquezunahme an den bukkalen Flächen der Oberkiefermolaren am deutlichsten ausgeprägt, während an den oralen Flächen nahezu keine Veränderungen durch die UnterAbb. 2: Intraoralscan eines älteren Patienten: A: erster Quadrant im Vordergrund; B: zweiter Quadrant im Vordergrund: Die Wurzeloberflächen sind im Bereich der Molaren und Prämolaren bukkal und im Bereich der Molaren oral exponiert. Das freiliegende Wurzeldentin führt in Kombination mit der unzureichenden Mundhygiene zu einem erhöhten Risiko für Wurzelkaries, insbesondere interdental. Mit dem Intraoralscan können diese Bereiche besonders gut visualisiert werden. Das erleichtert die entsprechende Instruktion zur täglichen Mundhygiene und die Aufklärung über das erhöhte Wurzelkariesrisiko in diesen Bereichen. Foto: Katja Jung ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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