Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

46 | ZAHNMEDIZIN AUS DER WISSENSCHAFT Eignet sich das orale Mikrobiom zur Kariesrisikobewertung? Elmar Hellwig Die Frage, ob sich anhand vorhandener einzelner Keime ein Kariesrisiko ablesen lässt, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Neue Studien konnten zeigen, dass das Mikrobiom bereits Jahre vor der klinischen Manifestation von Karies dysbiotisch verändert war. Aber anders als bisher angenommen spielen azidurische und azidogene Keime dabei nicht die Hauptrolle. Die Weltgesundheitsorganisation berichtet, dass rund 530 Millionen Kinder an frühkindlicher Karies (Early Childhood Caries, ECC) leiden. ECC liegt vor, wenn eine oder mehrere zerstörte, fehlende oder gefüllte Milchzahnflächen bei Kindern unter sechs Jahren vorhanden sind. Diese Kinder haben nachweislich auch ein erhöhtes Risiko für die Entstehung neuer Kariesläsionen beziehungsweise Zahnverlust im Laufe ihres Lebens. Für die Bestimmung eines erhöhten Kariesrisikos hat man bisher nicht nur die Anzahl bereits vorhandener Kariesläsionen und Faktoren wie Ernährungsverhalten, Mundhygieneverhalten und die Speichelfließrate, sondern auch das Vorhandensein einzelner oraler Mikroorganismen (wie Streptococcus mutans) herangezogen. Es ist bekannt, dass das orale Mikrobiom mit der Entstehung unterschiedlicher oraler Erkrankungen assoziiert ist. Es könnte also als Biomarker dienen, um die Entstehung neuer Erkrankungen vorherzusagen. Insofern könnten orale Mikroorganismen auch für eine Kariesrisikobestimmung dienlich sein. In zwei neuen Studien wurde nun untersucht, ob sich ein solcher Mechanismus im Lichte aktueller Forschung als Indikator für eine Kariesvorhersage eignet. Beide Untersuchungen sind unter Open Access-Lizenz veröffentlicht. Material und Methode In der Studie von Xianyin et al. wurde die Verteilung von oralen Mikroorganismen an gesunden und kariösen Stellen bei 20 Kindern mit frühkindlicher Karies (Grad 5-6 nach ICDAS II) untersucht. Als Kontrollgruppe dienten 20 kariesfreie Kinder. Die untersuchten Kinder waren drei bis sechs Jahre alt. Zu den Inklusionskriterien gehörte, dassnurKindermiteinemreinenMilchgebiss in die Studie aufgenommen wurden. Bei der gesunden Kontrollgruppe wurden Biofilmproben aus den Zahnzwischenräumen zwischen dem ersten und zweiten Milchmolaren entnommen. Bei den Kindern mit Karies wurde der Biofilm an einer gesunden Fläche zwischen dem ersten und zweiten Milchmolaren beziehungsweise an einer kariösen Fläche (Kavität) mit einem Exkavator entnommen. Die Biofilmproben wurden hinsichtlich ihrer bakteriellen Zusammensetzung und bezüglich ihrer Diversität mit molekularbiologischen Methoden untersucht. Neben der reinen Beschreibung der Bakterienverteilung wurde zusätzlich die funktionelle Zusammensetzung des Biofilms mitbestimmt. Ergebnisse Es zeigten sich signifikante Unterschiede in der Zusammensetzung der Biofilmproben zwischen Kindern mit und ohne Karies. Trotz der Berücksichtigung biofilmspezifischer EigenschafSpielen azidurische und azidogene Bakterien in den frühen Phasen der Kariesentstehung gar nicht die herausragende Rolle, die man ihnen bislang zuschreibt? Foto: Dr_Microbe_stock.adobe.com zm113 Nr. 17, 01.09.2023, (1468)

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