74 | ZAHNMEDIZIN STUDIE ZU AMBULANTEN ZAHNÄRZTLICHEN BEHANDLUNGEN IN ANALGOSEDIERUNG Effektive Schmerzausschaltung unter Sedierung Joel Nettey-Marbell, Eiko Nausch In der Presse tauchen immer wieder Beiträge auf, die sich kritisch mit den Gefahren ambulanter zahnärztlicher Behandlungen unter Narkose oder Teilnarkose beschäftigen. Dabei wird mitunter der Eindruck erweckt, die Sedierung impliziere generell lebensgefährliche Risiken für Patienten. Eine Multicenterstudie zeigt, dass das Verfahren kardiovaskuläre Risiken nicht nur nicht steigert, sondern sogar senkt. Die operative Behandlung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ZMK) ist in der Regel mit Stress für den Patienten verbunden. Neben der Schmerzausschaltung durch Lokalanästhesie (LA) gewinnen Sedierungsverfahren (Lachgas, orale Sedativa und intravenöse (i.v.) Sedierung) in der gesamten ZMK und gerade für die Durchführung umfangreicher und komplexer chirurgischer Eingriffe immer mehr an Bedeutung. Sie ermöglichen zahnärztliche Behandlungen frei von Angst und Stress bei entspannten und kooperativen Patienten. Die Reduktion der durch Stress induzierten sympathikotonen Reaktionen verringert dabei auch das Risiko kardiozirkulatorischer Zwischenfälle [Jakobs und Mathers, 2021]. Ziel der durchgeführten Untersuchung war, diesen in der Literatur beschriebenen Effekt zu überprüfen und dazu die kardiozirkulatorischen Parameter bei Behandlungen ohne und mit i.v. Sedierung zu vergleichen. Material und Methode In die Studie wurden 91 Patienten im Alter von 13 bis 84 Jahren, ASA-Klassifikation 1, 2 und 3 [ASA, 2023] einbezogen, dabei wurde auch ihr Körpergewicht erfasst. Ihre Daten wurden in sechs oralchirurgischen Praxen, Zentren und Kliniken erhoben. Registriert wurde der systolische und der diastolische Blutdruck (RR), der Puls (HF) und die Sauerstoffsättigung (SpO2) jeweils als Ausgangswert, 5 Minuten nach Applikation der LA, 5, 10, 15 und 30 Minuten nach OP-Beginn sowie 15 Minuten nach OP-Ende. Außerdem wurden die eingesetzten Pharmaka (Midazolam, Paracetamol, Ibuprofen, Novalgin, Fentanyl und Corticosteroide) dokumentiert. Die Verwendung des vasokonstriktiven Zusatzes der Lokalanästhesie war auf eine Adrenalinkonzentration von 1:100.000 beschränkt. Als Sedativum wurde ausschließlich Midazolam verwendet. Die Sedierung erfolgte i.v. unter Monitoring. Insgesamt wurden 44 operative Behandlungen unter Sedierung und 47 Behandlungen in Lokalanästhesie ohne Sedierung durchgeführt. Die Behandlungen in Lokalanästhesie ohne Sedierung waren nach 15 Minuten abgeschlossen, so dass keine Daten 30 Minuten nach Applikation der LA erhoben wurden (Abbildung 1). Ergebnisse Der systolische Blutdruck der sedierten Patienten war während der Behandlung niedriger als bei den Patienten ohne Sedierung (Abbildung 1, Tabelle 1). Angst- und stressbedingter Blutdruckanstieg, der das Risiko von Zwischenfällenerhöht,konntebeiallen sedierten Patienten wirksam reduziert werden. Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass die Behandlung unter Sedierung das Risiko für einen Anstieg des Blutdruckes und in der Schlussfolgerung für darauf basierende mögliche kardiovaskuläre Komplikationen senkt. Gerade vor dem Hintergrund immer wieder aufkommender Diskussionen um die Risiken oder einer angeblichen Gefährlichkeit von Behandlungen unter Sedierung – insbesondere für kardiovaskuläre Risikopatienten – sind diese Ergebnisse bedeutsam. Darüber hinaus ermöglichen es Sedierungsverfahren, bei Patienten mit ausgeprägter Die Studie zeigt, dass eine zahnärztliche Behandlung unter Sedierung stressbedingten Blutdruckanstieg reduziert und damit das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen senkt. Foto: Nekrasov - stock.adobe.com zm113 Nr. 17, 01.09.2023, (1496)
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