zm113 Nr. 18, 16.09.2023, (1564) 30 | ZAHNMEDIZIN STUDIE UNTERSUCHT EMPATHIE GEGENÜBER ANGSTPATIENTEN Zahnärztinnen und Zahnärzte schätzen das Angstlevel oft richtig ein Wenn es darum geht, das Angstniveau ihrer Patienten einzuschätzen, zeigen Zahnärztinnen und Zahnärzte ein hohes Maß an Empathie. Bei stärkerer Angst jedoch sinkt die empathische Genauigkeit. Die Studie wurde in drei verschiedenen niederländischen Zahnarztpraxen mit insgesamt zehn Zahnärztinnen und Zahnärzten mit einer durchschnittlichen Berufserfahrung von 6,1 Jahren durchgeführt. 177 Erwachsene, die sich invasiven zahnärztlichen Eingriffen unterziehen mussten, wurden befragt, wie groß ihre Angst vor der Behandlung ist. Ihr Angstlevel gaben sie auch auf einer visuellen Analogskala an. Sie wurden auch gefragt, inwieweit sie sich durch den Zahnarzt oder die Zahnärztin beruhigt fühlten. Zu den invasiven Eingriffen wurden chirurgische Verfahren oder Behandlungen gezählt, die eine Lokalanästhesie oder den Einsatz eines Bohrers erforderten. Gleichzeitig sollten die Zahnärzte das Wohlbefinden beziehungsweise das Angstniveau ihrer Patienten einschätzen. Danach wurde die „empathische Genauigkeit“ überprüft, also inwieweit diese Einschätzung mit den Patientenangaben übereinstimmte. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Korrelation der von den Patienten angegebenen Angst und der Einschätzung durch die Zahnärztinnen und Zahnärzte – allerdings nicht durchgehend: Während die empathische Genauigkeit im Bereich niedriger Angstlevel sehr hoch war, nahm sie bei stärkerer Angst ab. Je ängstlicher die Patientinnen und Patienten waren, desto seltener konnten Zahnärzte ihr Befinden korrekt einschätzen. Die Autoren vermuten, dass dies mit der sogenannten Dissoziation zusammenhängen könnte – „ein Geisteszustand, der eintritt, wenn Bedrohung und Anspannung zu überwältigend werden, und bei dem bestimmte Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen oder störende Erinnerungen außerhalb des Bewusstseins liegen. Wenn diese Art der Unempfänglichkeit für äußere Reize bei hochgradig ängstlichen Patienten auftritt, kann dies zu einem gehemmten Ausdruck ängstlichen Verhaltens führen, was möglicherweise dazu führt, dass der Zahnarzt das wahre Ausmaß der Angst des Patienten unterschätzt“ [Steenen et al., 2023]. Grundsätzlich wohler fühlten sich die Patienten, wenn die Korrelation ihrer Ängste mit der Einschätzung des Zahnarztes oder der Zahnärztin besonders hoch war. Das richtige Einschätzen möglicher Ängste der Patienten ist notwendig, um entsprechend darauf reagieren zu können. „Beispiele hierfür sind die emotionale Beruhigung und die Schaffung eines Gefühls der Kontrolle [de Jongh, 2003]“, erklären Steenen et al. [2023]. Die Patienten mit einem hohen Angstlevel fühlten sich demnach weniger beruhigt als solche mit einem niedrigen Angstlevel. Interessant ist, dass sich die Patienten wohler fühlten, wenn sie von Zahnärztinnen behandelt wurden, obwohl die Ergebnisse zeigen, dass die empathische Genauigkeit geschlechterunabhängig war. Die Studie: Steenen SA, Zeegers MAJ, van Wijk AJ et al.: Dentist Empathic Accuracy Is Associated With Patient-Reported Reassurance. Int Dent J. 2023 Feb;73(1):101-107. doi: 10.1016/j.identj.2022.06.009. Epub 2022 Jul 25. PMID: 35896426; PMCID: PMC9875228. Viele Menschen haben Angst vor der Behandlung: Laut AOK gehen 60 bis 80 Prozent der Deutschen mit einem mulmigen Gefühl zum Zahnarzt. Foto: Prostock-studio_stock.adobe.com n
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