Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

32 | PRAXIS zm113 Nr. 18, 16.09.2023, (1566) wenn die Löhne entsprechend der reduzierten Arbeitszeit angepasst werden, könnte die Praxis immer noch rund 30 Prozent ihrer Gewinne verlieren.“ Um den Gewinnverlust teilweise zu kompensieren, könnte man die Bezahlung reduzieren – was für die Mitarbeiter aber sicherlich keine Option sei, gibt er zu bedenken. Die Lösung liegt seiner Meinung nach irgendwo dazwischen: „Man muss die Effizienz steigern und eine hervorragende Praxisperformance erzielen, bevor man über eine Vier-Tage-Woche nachdenken kann.“ Für die durchschnittliche Praxis dürfte das seiner Einschätzung nach eine ziemliche Herausforderung darstellen. Am Ende ist die Auslastung einer Praxis entscheidend für deren Erfolg. Hinzu kommt die Auslegung: Geht es um eine Umverteilung oder um eine Reduzierung von Arbeitszeiten? Was sagen die Patienten? Sehr große Praxen, die durch ein gutes Recruiting und ein erfolgreiches Mitarbeiter-Management genügend Bewerbungen erhalten, können mit vielen Mitarbeitern, die maximal vier Tage arbeiten, dennoch eine ganze Woche – vielleicht sogar sechs Tage – abdecken, meint er. Die Größe der Praxis erlaube eine gewisse Flexibilität, um bei Ausfällen oder Krankheiten andere Teammitglieder einzusetzen. Ebenso möglich sei das Modell für derart erfolgreiche und profitable Praxen, die es sich finanziell leisten können, einen Gewinnrückgang in Kauf zu nehmen, um weniger zu arbeiten. Eine dritte Gruppe könnten Landpraxen mit niedrigem Wettbewerbsdruck sein, die sich deswegen den Luxus erlauben (können), das Angebotsspektrum einzuschränken. Die Frage ist jedoch, wie dies bei den Patienten ankommt und welche Auswirkungen das auf die lokale Patientenversorgung hat, erklärt er. Außerdem interessant könne das Modell für Praxen mit einem geringen Patientenaufkommen sein, insbesondere wenn der Inhaber nicht mehr fünf Tage voll arbeiten möchte oder kann. „Wenn weniger Behandlungstermine angeboten werden, könnte das grundsätzlich die Attraktivität der Praxis für die Patienten mindern. Auf makroökonomischer Ebene stellt sich darüber hinaus die Frage, wie die zahnmedizinische Versorgung sichergestellt werden kann, wenn viele oder alle Praxen ihre Behandlungskapazität reduzieren, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels und des Praxisschwunds“, so der Praxisberater. Brendel: „Wenn wir von einer Fünf-Tage-Woche auf eine Vier-Tage-Woche umstellen, erhöhen sich die freien Tage von zwei auf drei. Das entspricht einem Freizeitgewinn von 50 Prozent. Dem gegenüber steht ein potenzieller Gewinnverlust von 30 bis 60 Prozent, es sei denn, es gelingt, die Effizienz durch ein ausgeklügeltes System und eine hohe Produktivität auszugleichen.“ Diese Herausforderung kann seiner Erfahrung nach nur im Team gelöst werden: „Wenn das Team und die Praxisleitung den Wunsch nach einer Vier- „INDIVIDUELLEN LÖSUNGEN STEHT NICHTS IM WEG!" Eine arbeitsrechtliche Einordnung „Zunächst ist zu klären, ob es entgegenstehende bindende tarifvertragliche Vorgaben zur Arbeitszeit gibt. Das wird es allerdings in der Zahnarztpraxis eher selten geben, ebenso Betriebsräte, die zu beteiligen wären. Von daher steht individuellen Lösungen erst einmal nichts im Weg. Modell 1: Verteilung der unveränderten Wochenstundenzahl auf vier statt auf fünf Arbeitstage. In diesem Modell arbeiten die Beschäftigten statt bisher acht Stunden nunmehr zehn Stunden täglich, allerdings nur an vier Wochentagen. Die Monatsvergütung verändert sich nicht. Achtung: Überstunden sind an den vier Arbeitstagen nicht erlaubt, da die Höchstarbeitszeit von zehn Stunden nach dem Arbeitszeitgesetz bereits erreicht ist. Für Minderjährige ist das Modell 1 nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz nicht zulässig. Modell 2: Verringerung der Arbeitszeit um acht Wochenstunden. In diesem Modell arbeiten die Beschäftigten statt bisher 40 Wochenstunden nur noch 32 Wochenstunden an vier Tagen zu je acht Stunden. Es entsteht ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Damit verringert sich grundsätzlich auch die Vergütung um ein Fünftel, was aber nicht zwingend und letztlich Vereinbarungssache ist. Eine reduzierte Wochenarbeitszeit kann also auch bei gleichbleibendem Gehalt vereinbart werden. Der Jahresurlaub reduziert sich in beiden Modellen um ein Fünftel (also zum Beispiel von 30 auf 24 Tage). Welcher neben dem Wochenende weitere Wochentag arbeitsfrei sein soll, kann entweder verbindlich vereinbart oder durch den Arbeitgeber je nach Bedarf im Dienstplan für den Folgemonat festgelegt werden. Die Vier-Tage-Woche nach Modell 1 kann unter Umständen sogar einseitig durch den Arbeitgeber eingeführt werden (Achtung: Nachweisgesetz beachten). Es empfiehlt sich aber schon wegen der besseren Akzeptanz eine einvernehmliche Regelung durch eine Ergänzung des Arbeitsvertrags, der bei dieser Gelegenheit zweckmäßigerweise insgesamt an die aktuelle Rechtslage angepasst werden sollte. Die Einführung von Modell 2 ist gegen den Willen der Beschäftigten nicht möglich. Insgesamt empfehle ich Arbeitgebern dringend, sich bei der Einführung fachanwaltlich individuell beraten zu lassen." Bernhard Kinold ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied des Verbandes deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. (VDAA) aus Mönchengladbach. Foto: Matthias Knapstein

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