Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

78 | PRAXIS INTERVIEW MIT ZAHNÄRZTIN UND COACH KIRSTEN ALTVATER Die Burn-out-Prophylaxe Nach elf Jahren in eigener Praxis steckte Kirsten Altvater mitten im Burn-out – dann wagte sie den Neuanfang! Heute arbeitet die selbstständige Zahnärztin an zwei Tagen pro Woche in einer Praxis, den Rest der Zeit bringt sie dafür auf, ihre Kolleginnen und Kollegen vor Frust zu bewahren. Frau Altvater, elf Jahre lang haben Sie eine erfolgreiche Praxis geführt und sich damit den Traum erfüllt, auf den Sie seit Ihrem Studium hingearbeitet haben. Doch dann rutschten Sie mitten in einen Burnout. Was war passiert? Kirsten Altvater: Ich war in einer Situation, in der mir alles zu viel war. Ich fühlte mich für alles und jeden in der Praxis verantwortlich und schaffte es gleichzeitig nicht, mein eigenes Arbeitspensum zu reduzieren. Meine Ehe ging auch noch in die Brüche. Verzweifelt wie ich war, habe ich versucht, alle äußeren Umstände zu beeinflussen: Ich erarbeitete eine besseres Zeitmanagement, etablierte ein neues Abrechnungssystem, kaufte jede Menge neue Software, schickte meine Mitarbeiterinnen zu Fortbildungen, und und und. Doch all dies brachte mir unterm Strich keine dauerhafte Arbeitserleichterung, sondern erzeugte eigentlich nur noch mehr Druck. Was hat Ihnen schließlich geholfen? Nachdem ich krampfhaft versucht hatte, zunächst nur die äußeren Umstände in meinem Leben zu verändern, habe ich gemerkt, dass ich mich selbst verändern muss. Und ich habe angefangen, mich mit verschiedenen Methoden auseinanderzusetzen: Psychotherapie, Hypnose, SilvaMind, Autosuggestion und vieles mehr. Irgendwann bin ich auf die sogenannte „pragmatische Psychologie“ gestoßen – und das war genau die richtige Methode für mich! Was kennzeichnet diese Methode? Bei der pragmatischen Psychologie geht es vor allem darum, pragmatisch anstatt dramatisch zu sein. Das heißt Situationen erst einmal zu betrachten, ohne sie sofort zu bewerten. Und dann Fragen zu stellen, anstatt in Schlussfolgerungen hängenzubleiben. Also, einfach nur eine Ansicht über die Situation zu haben, pragmatisch damit umzugehen, anstatt ins übliche Drama zu springen – und damit sofort eine enorme Erleichterung im Praxisalltag zu schaffen. Können Sie ein Beispiel geben? Nehmen wir eine stressige Situation aus der Praxis: Zu Arbeitsbeginn eröffnet mir eine Mitarbeiterin als erstes, dass sie Magenschmerzen hat und gerne wieder nach Hause gehen möchte. Die „normale“ Reaktion, die vermutlich die meisten Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber kennen, ist, dass man sofort aus diesem Problem heraus eine Schlussfolgerung trifft: Wir ärgern uns insgeheim über das Verhalten der Mitarbeiterin, schicken sie umgehend nach Hause und versuchen, den Tag ohne sie entsprechend umzuplanen. Das Problem ist jedoch: Eine Schlussfolgerung basiert immer auf einer Erfahrung, die man gemacht und in einer bestimmten Art „bearbeitet“ hat. Das heißt, Erfahrungen bringen NIE neue Lösungen, sondern wiederholen alte Muster. In unserem Beispiel: Ich schicke die Mitarbeiterin, die über Magenschmerzen klagt, nach Hause und bleibe mit meinen Problemen alleine zurück. Die pragmatische Psychologie versucht, nicht in diese „Schlussfolgerungs-Schleife“ zu geraten, sondern die Situation einfach zu betrachten, ohne sie zu bewerten. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Ich schicke nicht sofort die Mitarbeiterin nach Hause und fange dann an zu rotieren, sondern ich bleibe in der Situation. Und frage mich stattdessen „was ist das für eine Situation?“, „was kann ich jetzt damit machen?“, „was kann ich ändern?“. Dann komme ich vielleicht zu dem Ergebnis, dass ich mich mit meiner Mitarbeiterin für drei Minuten zurückziehe, um sie zu fragen, wie ihr Morgen war. Oft höre ich dann: „Es war schon wieder so stressig, und ich habe im Moment solche Kämpfe mit meinen Kindern, wenn sie zur Schule müssen.“ Vielleicht ergibt sich dann ein kurzes Gespräch darüber, ob Arbeitszeiten zukünftig anders strukturiert werden sollten. Kurz gesagt: Es geht in der pragmatischen Psychologie vor allem darum, eine Situation nicht zu bewerten! Wie hilft mir diese „Nicht-Bewertung“ in stressigen Situationen? Indem sie eine ganz andere Einstellung zu Stress bekommen (lacht). Denn Stress ist eine Ansichtssache. Wenn ich für mich definiert habe, dass es Stress bedeutet, wenn meine Mitarbeiterin mir morgens erzählt, sie habe Magenschmerzen und sie müsse nach Hause gehen, dann reagiere ich zm113 Nr. 18, 16.09.2023, (1612) Kirsten Altvater ist praktizierende Zahnmedizinerin, zugelassene Heilpraktikerin (inklusive Heilpraktiker-Psychotherapie) sowie Anwenderin der Tools für pragmatische Psychologie, als „Die Dentaltrainerin“ widmet sie sich dem Thema Burn-out. Foto: privat

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