86 | GESELLSCHAFT BAHNHOFSMISSION MAGDEBURG Die zahnärztliche Sprechstunde hat sich etabliert Seit über zwei Jahren bieten Zahnärztinnen und Zahnärzte eine ehrenamtliche Sprechstunde in der Bahnhofsmission Magdeburg an. Bei den Begegnungen und Gesprächen geht es nicht immer nur um das Thema Zahngesundheit. Einmal pro Monat kommt ein zahnärztliches Team in die Bahnhofsmission an Gleis 5 des Magdeburger Hauptbahnhofs. Die Idee für ein solches Angebot gab es schon länger in der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, erzählt Dr. Nicole Primas, Vorstandsreferentin Prävention: „Ich wurde bereits vor ein paar Jahren angesprochen, wie man die Versorgungslücke bei der Behandlung von Menschen ohne Versicherung und Obdach oder auch mit Ängsten vor sozialen Kontakten schließen kann. Zum damaligen Zeitpunkt fehlten uns leider die Ressourcen, um etwas in diese Richtung auf die Beine zu stellen.“ Das änderte sich mit der Praxisauflösung einer Zahnärztin. Sie fragte bei der Kammer an, ob es Verwendung für ihre nicht mehr benötigten Instrumente und Materialien gebe. „Meine Mitarbeiterin Julia Fleischer und ich erinnerten uns sofort an die Idee mit dem Ehrenamt und leiteten die nächsten Schritte ein“, berichtet die Vorstandsreferentin. So war mit der Bahnhofsmission Magdeburg schnell ein Kooperationspartner gefunden. Primas findet den Standort ideal: „Hier trifft sich jeden Tag die Klientel, die wir ansprechen wollen.“ Auch aus der sachsen-anhaltinischen Zahnärzteschaft gab es schnell Unterstützung. Auf eine erste Anfrage der Kammer gab es spontan zwölf Zusagen. Neun Zahnärztinnen und Zahnärzte erklärten sich bereit, direkt in die Bahnhofsmission zu kommen und dort Sprechstunden anzubieten, die anderen drei stellten Zeit in ihren Praxen für aufwendigere Behandlungen zur Verfügung. Das Material für die Behandlungen bringen die Zahnärztinnen und Zahnärzte aus ihrem eigenen Bestand mit. Parallel wirbt die Kammer bei ihren Mitgliedern und der Industrie weitere Spenden ein und übernimmt im Anschluss an die Sprechstunden zusätzlich die Wiederaufbereitung der Instrumente und Materialien. In diesem Jahr wurde die Arbeit der Ehrenamtlichen durch eine weitere Spende gestärkt: Das Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) stattete das Projekt mit einer modernen mobilen Behandlungseinheit aus. Der Schritt in die Praxen fällt vielen schwer Etwa 45 bis 60 Menschen suchen die Bahnhofsmission täglich auf. Per Aushang am Schwarzen Brett informiert die Zahnärztekammer darüber, wann sie zur zahnmedizinischen Aufklärung oder – wenn sie es möchten – Behandlung kommen können. Oft gehe es bei den Terminen aber weder um das eine noch das andere, sagt Primas, die auch selbst Sprechstunden in der Bahnhofsmission anbietet: „Manche wollen einfach nur reden und sind froh, dass ihnen jemand zuhört. Die meisten sind sogar krankenversichert, waren aber schon jahrelang nicht mehr bei einem Arzt und schon gar nicht beim Zahnarzt, zum Teil aufgrund schlechter Erfahrungen. Bei Schmerzen hilft dann oft Alkohol.“ Dass dank der neuen mobilen Ausstattung nun mehr Behandlungen direkt vor Ort möglich sind, ist laut Primas ein großer Gewinn. Vor allen Dingen aus dem Grund, weil viele es aufgrund ihrer Lebenssituation einfach nicht schaffen, einen festen Termin zur Weiterbehandlung in einer Praxis einzuhalten. „Der Schritt von der Bahnhofsmission in die Praxen ist für diese Menschen schwer“, vermutet sie. „Manche von ihnen leben schon so lange auf der Straße, ein geregeltes Leben können sie kaum einhalten. Selbst Wohnungen, die man ihnen zur Verfügung stellt, verlassen sie nach einigen Tagen oder Wochen wieder. Sie gehören zu den rund 15 Ehrenamtlichen, die sich regelmäßig für die Sprechstunde in der Bahnhofsmission engagieren: Zahnärztin Silke Piasecki (knieend) und ihr Team beim ersten Einsatz mit der vom Hilfswerk Deutscher Zahnärzte gespendeten mobilen Einheit. Foto: Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt zm113 Nr. 18, 16.09.2023, (1620) „Es ist gut, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte dabei nicht nur in den Mund schauen!“ Florian Sosnowski, Leiter der Bahnhofsmission
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