Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

90 | ZAHNMEDIZIN selbstlimitierende Form der ITP von der chronischen Verlaufsform. Die letztere tritt bevorzugt bei älteren Patientinnen und Patienten (> 60 Jahre) auf, während bei Kindern nur circa 20 Prozent der Erkrankungen chronisch verlaufen. Eine Chronifizierung liegt bei einer länger als ein Jahr nach Diagnosestellung weiterhin bestehenden Thrombozytopenie vor. Innerhalb der ersten drei Monate nach Diagnosestellung wird die ITP als neu aufgetretene, im Zeitraum von drei Monaten bis ein Jahr als persistierende ITP klassifiziert [Audia et al., 2021]. Weiterhin lässt sich unter Berücksichtigung der Ätiologie die häufige (80 Prozent) primäre Form ohne erkennbar auslösende Ursache von der selteneren (20 Prozent) sekundären Form differenzieren. Der sekundären Form zugrunde liegen beispielsweise Autoimmunerkrankungen wie der systemische Lupus erythrematodes oder das Antiphospholipidsyndrom, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, hämatologische Neoplasien wie das myelodysplastische Syndrom, Malignome oder Virusinfektionen[Tărniceriu et al., 2022; Rajan et al., 2005]. Bei simultan auftretender autoimmunhämolytischer Anämie spricht man vom Evans-Syndrom. Weiterhin wurde außerdem eine Assoziation der ITP mit einer Helicobacter-pylori-Infektion beschrieben, die vor allem bei Patienten in Asien beobachtet wurde. Auch wenn die pathogenetische Bedeutung hiervon nicht abschließend geklärt ist, wird bei gleichzeitigem Auftreten eine Eradikationstherapie des Erregers empfohlen [Stasi und Provan, 2008]. Die im Rahmen der ITP auftretende Reduktion der Thrombozytenzahl beruht auf einer Autoimmunreaktion mit der Bildung von Antikörpern gegen Thrombozyten und Megakaryozyten, die einerseits zum Untergang der vorhandenen Thrombozyten führt, andererseits auch die Bildung neuer Thrombozyten beeinträchtigt. Dementsprechend geht der Nachweis von freien Antikörpern gegen Thrombozyten sowie an Thrombozyten gebundene Antikörper mit einer hohen Sensitivität sowie Spezifität einher [Tărniceriu et al., 2022; Curtis, 2014; van Leeuwen et al., 1982], stellt allerdings aufgrund einer hohen Anzahl an Patienten (40 Prozent) ohne Antikörpernachweis kein entscheidendes Diagnosekriterium dar. Bereits in den 1950er-Jahren wurde ein Antikörpervermittelter Zelluntergang im Rahmen der ITP nachgewiesen [Harrington et al., 1951]. Neben IgG wurden auch IgA und IgM gegen die Glykoproteine GPIIb/IIIa, GPIb/IX/V, GPIa/IIa, IV und VI nachgewiesen [van Leeuwen, 1982; He et al., 1994], die als Opsonine über die Bindung ihrer Fc-Region an die FcγRIIa- und FcγRIIIa-Rezeptoren zur Phagozytose der Thrombozyten durch Makrophagen führen [Marini und Bakchoul, 2019]. Über die direkte Antikörper-vermittelte Zerstörung hinaus wird durch die Fc-Region weiterhin das Komplementsystem aktiviert und somit die Zelllyse initiiert [Audia et al., 2021; Marini und Bakchoul, 2019]. Es wurden außerdem bereits Fc-unabhängige Mechanismen des Zelluntergangs – über eine ITP-Autoantikörper vermittelte Modifizierung der Oberflächenglykane von Thrombozyten und damit einhergehendem Zellabbau über Ashwell-Morrell-Rezeptoren in der Leber – beschrieben [Li et al., 2015]. Während die ITP einerseits durch einen erhöhten Untergang von Thrombozyten charakterisiert ist, trägt gleichzeitig eine gestörte Thrombozytenbildung zur Thrombozytopenie bei. Im Rahmen der im Knochenmark stattfindenden und durch Thrombopoetin vermittelten Megakaryopoese kommt es während der Zelldifferenzierung zur Expression der Glykoproteine GPIb und GPIIb/IIIa, die als Zielstruktur von ITP-Autoantikörpern gebunden werden und damit in einer beeinträchtigten Zellreifung und Thrombozytenbildung resultieren [Tărniceriu et al., 2022; Audia et al., 2021]. Klinisch manifestiert sich die ITP in der Regel durch eine gesteigerte Blutungsneigung und damit einhergehend Petechien, Schleimhautblutungen, urogenitale Blutungen oder verlängerte Blutungszeiten und ausgedehnter Hämatombildung bei Verletzungen. Gravierende intrazerebrale Blutungen sind nur selten zu beobachten [Tărniceriu et al., 2022]. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei der ITP nicht um eine ausschließlich hämorrhagische Erkrankung, denn gleichzeitig besteht auch ein erhöhtes Risiko der Thrombose. In einem Kollektiv von 186 erwachsenen IPT-Patienten hatten zehn Patienten insgesamt 18 thromboembolische Ereignisse [Aledort et al., 2004]. Als Ursache hierfür wird die erhöhte Anzahl zm113 Nr. 18, 16.09.2023, (1624) Abb. 3: Repräsentative Areale der Knochenmarkstanze in Giemsa- (A und B) und HEFärbung (C und D) Foto: Universitätsmedizin Mainz CME AUF ZM-ONLINE Prolongierte Nachblutung nach Zahnextraktion Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.

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