Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

94 | POLITIK NACHHALTIGKEIT IM GESUNDHEITSWESEN Der Weg zu grüneren Kliniken ist lang Eine Umfrage des Hartmannbunds zeigt, dass eine große Mehrheit der jungen Krankenhausärztinnen und -ärzte sich mehr Klimaschutz am Arbeitsplatz wünscht. Die gute Nachricht: Das Potenzial ist riesig. Die schlechte: Es passiert zu wenig, weil für viele Maßnahmen das Geld fehlt. Für notwendig halten 71 Prozent aller Verantwortlichen in deutschen Krankenhäusern Klimaschutzmaßnahmen. 38 Prozent aller Kliniken haben auch schon Klimaziele und Leitlinien zum Thema Nachhaltigkeit formuliert, nach denen sie handeln wollen, sagt Dr. Anna Levsen vom Deutschen Krankenhausinstitut (DKI). Das DKI führte 2022 eine repräsentative Umfrage unter 263 Einrichtungen ab 50 Betten durch. Ziel war, die Energieund Ressourcenverbräuche zu quantifizieren und bereits ergriffene oder geplante Klimaschutzmaßnahmen zu dokumentieren. Ergebnis: Rund 70 Prozent des Energiebedarfs eines Krankenhauses entfallen auf die Wärmeversorgung. Hier sehen die Forschenden den größten Hebel für Einsparungen – allerdings mit der Einschränkung, dass sich hier keine Patentlösungen anbieten, weil die Einrichtungen lokal und regional sehr unterschiedliche Gegebenheiten haben. Eine Klinik verbraucht so viel Gas wie 917 Einfamilienhäuser 57 Prozent der Häuser setzten zum Befragungszeitpunkt bereits Blockheizkraftwerke ein, die auf dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung basieren und über Verbrennungsmotoren mit flüssigem oder gasförmigem Brennstoff Strom erzeugen und die entstandene Abwärme nutzbar machen. Dabei kommt in fast allen Fällen (98,1 Prozent) fossiles Erdgas und nicht Biogas zum Einsatz. Eine bittere Bilanz – schließlich entspricht der durchschnittliche Erdgasverbrauch eines Krankenhauses dem von rund 917 Einfamilienhäusern. Das DKI empfiehlt darum als zentrale Maßnahme die Substitution fossiler durch regenerative Energieträger. Weitere Einsparpotenziale hätten Systeme zur Wärmerückgewinnung aus Dampf und Abwasser. Auch den Frischwasserverbrauch der Krankenhäuser kann man senken, zeigt die Untersuchung. Dieser lag laut Befragung im Durchschnitt bei 311,6 Litern täglich pro Bett und war damit fast 2,5-mal so hoch wie der Verbrauch einer Privatperson (127 Liter täglich). Interessant: Vergleichsanalysen zwischen Häusern mit und ohne hauseigene Wäscherei ergaben keinen großen Unterschied im Frischwasser- und Abwasseraufkommen. Häuser ohne hauseigene Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (27 Prozent) hatten einen um 16 Prozent geringeren Frischwasserbedarf. Verbraucht wird hauptsächlich Trinkwasser Dabei wurde die Brauch- und Trinkwasserversorgung fast ausschließlich (97 Prozent) über einen zentralen Frischwasseranschluss gewährleistet. Dezentrale Systeme zur Brauch- und Trinkwasseraufbereitung – wie eine Grauwasser-Recycling-Anlage, eine Regenwasseraufbereitungsanlage, eine Kombination aus Regenwassernutzungs- und Versickerungslage oder der direkte Grundwasserbezug über einen eigenen Brunnen – waren die absolute Ausnahme. Zur Reduktion des Wasserverbrauchs kamen vor allem Perlatoren an Wasserhähnen (64 Prozent), eine Spül-Stopp-Automatik an Toiletten (57 Prozent) und Thermostat-Armaturen (38 Prozent) zum Einsatz. Nur 30 Prozent aller befragten Krankenhäuser beschäftigen einen Klimamanager. Obwohl viele Betreiber die hohen Kosten von KlimaschutzmaßKLIMAKILLER VOLATILE ANÄSTHETIKA Das Gesundheitssystem ist weltweit für etwa 4,4 Prozent des Ausstoßes an Treibhausgasen verantwortlich [Karliner et al., 2020]. Der Anästhesiologie kommt aufgrund der Verwendung volatiler Anästhetika – das sind starke Treibhausgase – dabei eine besondere Bedeutung zu. Desfluran etwa hat die 2.540-fache Treibhauswirkung von CO2, Isofluran die 510-fache und Sevofluran die 130-fache. Volatile Anästhetika machen Schätzungen zufolge bis zu 2,5 Prozent des CO2-Fußabdrucks des gesamten Gesundheitssystems aus. Darum kommt die Studie des Deutschen Krankenhausinstituts zu dem Schluss, dass allein der Verzicht auf beziehungsweise eine umfassende Reduktion von Desfluran als inhalatives Narkotikum die Klimabelastung durch die Krankenhäuser erheblich senken kann. 2019 kamen erst in 21 Prozent der befragten Krankenhäuser Narkosegas-Auffangsysteme zur Senkung des Treibhausgasausstoßes im OP zum Einsatz. J Karliner and others, Health care’s climate footprint: the health sector contribution and opportunities for action, European Journal of Public Health, Volume 30, Issue Supplement_5, September 2020, ckaa165.843, https://doi. org/10.1093/eurpub/ckaa165.843 zm113 Nr. 18, 16.09.2023, (1628)

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