Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

14 | POLITIK „Liebe Schnauze-voll-Teams!“ Mit diesen Worten begrüßte Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Demonstrierenden. „Immer wenn gespart werden muss, sind wir in der ambulanten Versorgung das weiche Kissen, in das das Gesundheitswesen sich fallen lässt.“ Dort arbeite man so wirtschaftlich, dass man „ruhig noch was kürzen kann“, scheine die Politik zu denken. Das werde man nicht mehr hinnehmen und gemeinsam so lange und laut protestieren, bis das System funktioniere, kündigte der BZÄK-Präsident an. Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin, kritisierte, dass es an Wertschätzung für die ambulanten Praxen und die dort tätigen MFA und ZFA mangele. „Für die Praxen gab es während der Coronapandemie keinen Rettungsschirm, für ZFA und MFA keine Coronaprämie. Und gibt es jetzt Entlastungen vor dem Hintergrund steigender Betriebskosten? Nein!“, kritisierte er. „Stattdessen bleibt seit 35 Jahren eine Punktwertsteigerung in der GOZ aus. Wir möchten unsere ZFA gerne besser bezahlen, aber bei den aktuellen Kostensteigerungen ist das nicht möglich.“ An die anwesenden Mitglieder des Bundestags appellierte er: „Minister Lauterbach ist beratungsresistent. Weckt ihn auf! Sonst drohen in Deutschland Zustände wie im britischen NHS.“ Der Präsident der Landeszahnärztekammer Bayern, Dr. Dr. Frank Wohl, machte seinem Ärger über die aktuelle Gesundheitspolitik mit diesem Vergleich Luft: „Im Sport gibt es für grobe Fouls die Rote Karte. Von solchen Fouls wurden unsere ZFA und wir in letzter Zeit nicht verschont, siehe die ParoStrecke. Dafür zeigen wir Karl Lauterbach die Rote Karte!“ Auch Harald Schrader, Bundesvorsitzender Freier Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ), gab sich kämpferisch auf dem Podium: „Politikern, die sich nur mit den Erfolgen der ambulanten Versorgung schmücken wollen, glauben wir nicht mehr!“ Von der oftmals zugesagten Unterstützung sei nichts erkennbar, fügte er hinzu. Vielmehr prägten Misstrauen und Kontrolle das Verhalten der politisch Verantwortlichen gegenüber den ambulanten Leistungserbringern. Von der Politik forderte er mit Nachdruck die Anerkennung der freiberuflichen Praxis als Säule der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung. Höchste Zeit zu handeln Als Schlussrednerin sprach vmf-Präsidentin und Demo-Organisatorin Hannelore König. „Wir brauchen eine gesicherte Finanzierung der Leistungen in den Arzt- und Zahnarztpraxen, die in den Praxisteams tatsächlich erbracht werden. Wir brauchen für das Zahntechnikerhandwerk eine Weiterentwicklung der Vergütung ohne strikte Bindung an die Grundlohnsumme. Sonst können keine wettbewerbsfähigen Gehälter bezahlt werden. Wir stehen deshalb hier gemeinsam“, fasste sie die Forderungen des vmf zusammen und fügte hinzu: „Die Dramatik ist hoch – es muss gehandelt werden für MFA, ZFA und für Zahntechnikerinnen und Zahntechniker.“ sth zm113 Nr. 19, 01.10.2023, (1664) „Wer Zähne zeigen will, muss den Mund aufmachen!“ So formulierte es DentistaVizepräsidentin Dr. Juliane von Hoyningen-Huene, die auch als Rednerin auf der Bühne stand. Die Demonstrierenden ließen sich nicht zweimal bitten. Foto: zm-sth UNTERBEZAHLT, UNZUFRIEDEN, UNTER DRUCK Eine Woche vor der Demonstration am Brandenburger Tor hatte der Verband medizinischer Fachberufe (vmf) erneut auf die schwierige Lage der MFA, ZFA und Zahntechniker hingewiesen. „Wir haben eine große Lohnungerechtigkeit in den Gesundheitsfachberufen – das muss man anprangern“, sagte vmfPräsidentin Hannelore König bei einem Pressetermin am 1. September im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie verwies auf die Ergebnisse einer vmf-Umfrage aus den Monaten Juni und Juli 2023, an der rund 3.500 Medizinische Fachangestellte (MFA) und 1.350 Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) teilgenommen hatten. Daraus geht unter anderem hervor, dass in beiden Berufen die Unzufriedenheit mit dem Gehalt deutlich zugenommen hat. Bei den ZFA war von 2022 auf 2023 ein Anstieg von 59 auf 69 Prozent zu verzeichnen, bei den MFA von 58 auf 66 Prozent. Der Entgeldatlas 2022 der Agentur für Arbeit dokumentiere, so König, dass der mittlere monatliche Bruttolohn von vollzeitbeschäftigten ZFA bei 2.382 Euro (13,75 Euro pro Stunde) liegt. Bei den Berufsangehörigen unter 25 Jahren waren es 2.045 Euro (11,81 Euro pro Stunde). König bezeichnete diese Verdienstaussichten als „beschämend“ und fügte hinzu: „Mit solchen Gehältern kommen die wenigsten unserer Berufsangehörigen auf einen Rentenpunkt im Jahr. Das erforderliche Einkommen dafür liegt aktuell bei 38.901 Euro im Jahr.“ Zu den schlechten Gehaltsaussichten kommt eine gestiegene psychische Belastung, verursacht durch Stress sowie verbale, körperliche und sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz. Bei den MFA berichteten nach Angaben des vmf 33 Prozent, dass sie innerhalb der vergangenen drei Jahre einige Male oder häufig Erfahrungen mit Gewalt gemacht haben. Bei den ZFA waren es 13 Prozent. Die wachsende Unzufriedenheit kann, so die Sorge des Berufsverbands, weitreichende Folgen haben. „Der Anteil derjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten mindestens mehrere Male im Monat daran gedacht haben, den Arbeitgeber zu wechseln, lag bei MFA und ZFA bei 39 Prozent“, gab König zu bedenken. „Wenn jemand so oft darüber nachdenkt aufzuhören, dann fehlt nicht mehr viel, bis er oder sie weg ist.“

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