Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

26 | ZAHNMEDIZIN wurden. Eine (teil-)thrombosierte vaskuläre Malformation wurde allerdings ebenso in Betracht gezogen. Zur Diagnosesicherung erfolgte bereits in der folgenden Woche die operative Therapie in Intubationsnarkose im Sinne einer Exzisionsbiopsie, bei der der Befund unter Schonung der Mukosa in toto aus der Wange herausgelöst werden konnte. Intraoperativ zeigte sich hierbei ein zuführender Gefäßstiel, der unterbunden wurde (Abbildungen 3 und 4). Am ersten postoperativen Tag bildete sich eine ausgeprägte Schwellung der rechten Wange. Nach Teilentfernung des Nahtmaterials entleerte sich das entstandene Hämatom mit Anteilen frischen Blutes sowie größerer Koagel, allerdings ließ sich weder eine aktiv spritzende noch eine Sickerblutung darstellen. Dementsprechend wurde die Entscheidung zur Einlage einer Lasche getroffen, um die Wundhöhle zu drainieren, und die antibiotische Infektionsprophylaxe wurde eingeleitet. Hierunter zeigte sich die Schwellung bereits am Folgetag deutlich regredient, so dass der Patient nach prolongierter Überwachung am vierten postoperativen Tag in die Häuslichkeit entlassen werden konnte. Diskussion Bei den vaskulären Anomalien handelt es sich um eine heterogene Erkrankungsgruppe, die entsprechend ihrer Ätiologie in zwei Gruppen unterteilt wird. Den vaskulären Tumoren als echte Neoplasien durch Endothelzellproliferation (zum Beispiel Hämangiom) stehen die vaskulären Malformationen gegenüber [Dhiman et al., 2015]. Die Klassifikation dieser unterschiedlichen Krankheitsbilder wurde 2018 in aktualisierter Auflage von der International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA) herausgegeben [Wassef et al., 2015; Ahlawat et al., 2019]. Obwohl sich die vaskulären Tumore in vielerlei Hinsicht deutlich von den vaskulären Malformationen unterscheiden und auch innerhalb dieser Gruppe große Unterschiede im Hinblick auf klinische Erscheinung, Diagnostik und Therapie vorliegen, lassen sich dennoch Gemeinsamkeiten im Rahmen der Therapieprinzipien, der Symptomatik und der Risiken sowohl prä- als auch posttherapeutisch feststellen. Die häufigste Manifestationsform der vaskulären Tumore stellt das Hämangiom dar, mit einem typischen Auftreten im Kopf-Hals-Bereich bei Kindern. Nach einem charakteristischen Wachstumszyklus zeigt es eine regelhafte Rückbildungstendenz mit einem zum Körper disproportionalen Wachstum, so dass der überwiegende Anteil der Hämangiome keiner Therapie bedarf [Ernemann et al., 2003]. Im Gegensatz dazu basieren vaskuläre Malformationen pathogenetisch auf einer fehlerhaften Angiogenese, weshalb diese Läsionen immer kongenital vorliegen. Bei der Entstehung scheinen Mutationen im Rezeptor-Tyrosinkinase-Signalweg in Verbindung mit der Aktivierung durch Vascular Endothelial Growth Factor von herausragender Bedeutung zu sein [Kang et al., 2015; Limaye et al., 2015; Jiang und Liu, 2009]. Aufgrund der Progressionstendenz und einem Wachstum proportional zum Körperwachstum werden vaskuläre Malformationen häufig im jungen Erwachsenenalter klinisch auffällig. Die Heterogenität der Erkrankungsgruppe bedingt das Fehlen pathognomonischer Symptome, jedoch geht der überwiegende Anteil dieser Läsionen mit Schwellungen, Blutungen, Schmerzen und Deformitäten einher [Carqueja et al., 2018]. Trotz der Einteilung in vier übergeordnete Gruppen der vaskulären Malformationen (einfache Malformationen, kombinierte Malformationen, Anomalien der großen Gefäße, vaskuläre Anomalien assoziiert mit anderen Anomalien und Fehlbildungen), innerhalb derer unterschiedlichste Krankheitsbilder abgebildet sind, ähneln sich die grundlegenden Therapieprinzipien [Wassef et al., 2015]. Dabei stellen Hämorrhagien, High-Output-Failure, chronisch-venöse Hypertension sowie vitalitäts- oder Extremitäten bedrohende Lokalisationen absolute Therapieindikationen dar. Komplettiert werden diese durch relative Therapieindikationen wie Schmerzen, funktionelle Beeinträchtigungen, skelettale Deformitäten oder ästhetische Gesichtspunkte [Carqueja et al., 2018]. Im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung sollten zu jeder Zeit ebenso die individuelle Patientensituation und der Patientenwunsch Beachtungfinden. zm113 Nr. 19, 01.10.2023, (1676) CME AUF ZM-ONLINE Resektion einer vaskulären Malformation im Gesichtsbereich Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Abb. 2: Präoperatives MRT: Darstellung der Kontrastmittel aufnehmenden Raumforderung (18,0 mm x 22,4 mm x 20,5 mm) der rechten Wange in T1-Wichtung in coronarer (A) und in T2-Wichtung in axialer (B) Ebene Foto: Universitätsmedizin Mainz

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