Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

GESELLSCHAFT | 37 Studentenfraktion und wandte sich in dieser Funktion schon vor 1933 aktiv gegen den Nationalsozialismus. Zudem engagierte er sich in Leipzig im Vorstand des „Bundes sozialistischer Geistesarbeiter“. Als die Nationalsozialisten in Deutschland Anfang 1933 die Macht übernahmen, ließen die Konsequenzen für Ley nicht lange auf sich warten. Er galt nunmehr als „Volksfeind“. Maßgebend war ein Ende Juni 1933 verfügter Erlass: „Auf der Grundlage einer Anordnung zur Säuberung der Hochschulen von kommunistischen Studenten vom 29. Juni 1933 benannte der Studentenführer der Leipziger Studentenschaft alle in Frage kommenden Personen, darunter auch zwei Studenten der Zahnheilkunde (Herte Fischer und Herrmann [sic!] Ley), deren Exmatrikulation zum Wintersemester 1933/34 zu erfolgen hatte“ [Schenkel 1986, 350]. Um zu überleben, betätigte sich Ley fortan behelfsweise als Zahntechniker. Es folgten mehrere vorübergehende Inhaftierungen wegen staatsfeindlicher Betätigung. Insgesamt verbrachte Ley zwei Jahre und zehn Monate in Haft. Prüfung im Erholungsurlaub abgelegt Erst nach Beginn des Zweiten Weltkrieges verbesserten sich für Ley die Rahmenbedingungen: Anfang 1940 wurde es ihm erlaubt, sein Studium fortzusetzen. Doch als er kurz vor der Abschlussprüfung stand, wurde er – ebenfalls noch im Jahr 1940 – zum Kriegsdienst einberufen, wo er unter anderem als Sanitätsoffizier diente. Erst im August 1942 konnte er einen Erholungsurlaub nutzen, um die zahnärztliche Prüfung abzulegen. Damit hatte er zwölf Jahre nach Studienbeginn die eigentlich auf gut drei Jahre angelegte zahnärztliche Ausbildung abgeschlossen. Allerdings stand die Promotion weiter aus, die damals zum Standard der zahnärztlichen Qualifikation gezählt wurde. Sie diente den zeitgenössischen Zahnärzten als sichtbares Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Dentisten, die als Nichtakademiker ohne Promotionsrecht waren [Groß 1998; Groß 2006; Groß 2019]. Dentisten waren damals in ähnlicher Zahl in der Zahnheilkunde tätig und vielen Patienten fiel es schwer, bei Zahnbehandlern ohne Doktortitel den Unterschied zwischen einem approbierten Zahnarzt und einem staatlich geprüften Dentisten zu erkennen beziehungsweise einzuschätzen. Es gelang Ley, 1943 als Unterarzt der Luftwaffe ein Promotionsprojekt zu bearbeiten. Betreut wurde diese von dem Leipziger Ordinarius für Hygiene und Bakteriologie Gustav Ernst Gerhard Dresel (1885–1964) [Ley 1944]. 1944 wurde Ley an der Universität Leipzig der Dr. med. dent. verliehen. Im selben Jahr wurde er erneut kurzzeitig in Gewahrsam genommen – vermutlich, weil er in Leipzig Mitglied des 1943 gegründeten „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD) geworden war. Obwohl Ley vierzehn Jahre nach Studienbeginn schlussendlich examinierter und promovierter Zahnarzt war, konnte er seinen Beruf nicht ausüben: Er hatte zwischenzeitlich eine chronisch progressive Augenkrankheit entwickelt, die ihm die zahnärztliche Tätigkeit und somit die Fortsetzung der Familientradition unmöglich machte. Daher begann er 1944 ein Studium der Philosophie, um eine berufliche Alternative zu etablieren. Allerdings geriet Ley Anfang 1945 in Leipzig erneut in Polizeigewahrsam, aus der er sich in den finalen Kriegswirren wieder befreien konnte. Als Philosoph forschte er zum Marxismus In der DDR gelang Ley dann eine bemerkenswerte Karriere im Fach Philosophie [UA Leipzig, FS N00069 sowie FS N00546; Catalogus Professorum Lipsiensium 2019]. Dabei kamen ihm sein Interesse an kommunistisch geprägten Theorien und sein klares Bekenntnis zur sozialistischen Staatsidee zugute. Er wurde 1945 Mitglied der KPD und trat 1946 der SED bei. Zudem schloss er sich dem FDGB und dem Kulturbund an. Als Philosoph forschte Ley zum Marxismus. Bereits 1948 konnte er sich an der Universität Leipzig mit dem Thema „Einige Grundfragen marxistischer Erkenntnistheorie“ für „Dialektischen und Historischen Materialismus“ habilitieren. zm113 Nr. 19, 01.10.2023, (1687) ZU UNSERER REIHE ZAHNÄRZTE ALS WIDERSTANDSKÄMPFER UND „STAATSFEINDE“ IM DRITTEN REICH 1. zm 17/2023: Ulrich Boelsen 2. zm 19/2023: Hermann Ley 3. zm 21/2023: Paul Rentsch 4. zm 23/24/2023: Helmuth Ellbrechter 5. zm 1-2/2024: Emanuel Berghoff 6. zm 3/2024: Rudi Glass 7. zm 5/2024: Helmut Himpel 8. zm 7/2024: Walter Rank 9. zm 9/2024: Ewald Fabian 10. zm 11/2024: Streitfälle (Otto Berger & Karl Eisenreich) Sarah Wellens Universitätsklinikum der RWTH Aachen University MTI 2, Wendlingweg 2, 52074 Aachen Foto: privat Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Dr. phil. Dominik Groß Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Vorsitzender des Klinischen Ethik-Komitees des UK Aachen Universitätsklinikum der RWTH Aachen University MTI 2, Wendlingweg 2, 52074 Aachen Foto: UK Aachen

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