Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

40 | ZAHNMEDIZIN BIOKOMPATIBILITÄT VON FÜLLUNGSMATERIALIEN Welchen Schutz bekommt die Pulpa? Peter Gängler, Tomas Lang, Magdalena Kolski, Monika Kolski Je dünner die verbleibende Dentinschicht von der Kavität zur Pulpa ist, desto gefährdeter ist das Gewebe durch Intoxikationen von Bestandteilen aus Füllungsmaterialien. Deshalb werden Unterfüllungen als Dentinersatz empfohlen. Als Material werden seit einiger Zeit auch Calciumsilicat-Zemente eingesetzt, zu deren Biokompatibilität es allerdings wenig Evidenz gibt. Das könnte sich jedoch ändern, wenn ISO-Prüfnormen EU-weit verbindlich eingeführt werden. Die Pulpa ist kein Organ, die Zähne auch nicht. Sie sind einfach Hautanhangsgebilde – und noch nicht einmal die kompliziertesten, wenn man an Geweihe, Hufe von Herbivoren, Nägel und Krallen, aber auch Haare denkt. Die Haut mit der Mundschleimhaut ist dagegen anatomisch ein Organ. Und die histologische Entwicklung der Anhangsgebilde folgt vom Embryo bis zum alternden Organismus nach vergleichbaren Mustern. Bis auf eine Ausnahme: Die Zähne Die embryonale Zahnentwicklung beginnt nach dem 40. Schwangerschaftstag mit der Proliferation des Epithels zur Zahnleiste, und die ersten Schmelzknospen der Milchzähne entwickeln sich zwischen dem 50. und dem 56. Tag bei einer Scheitel-Steiß-Länge (SSL) von 17–22 mm. Die Schmelzknospen der ersten permanenten Molaren folgen in der 14. Woche, dann bei einer SSL von etwa 115 mm. Soweit vergleichbar mit anderen Hautanhangsgebilden. Im Glockenstadium treffen die inneren Epithelzellen auf das große Wunder der Zahnentwicklung parallel zur Gehirnentwicklung – das Ektomesenchym als Epithel-Mesenchym-Transition direkt aus der Neuralleiste oder auch aus nonNeuralepithel von den Rändern. Diese Zellen differenzieren sich zu Odontoblasten, die als ewige Zellen wie Neuronen nicht untergehen. Die parallele Kieferentwicklung wird von ebenso direkt differenzierten ektomesenchymalen mechanosensiblen Osteoblasten dominiert – mit Konsequenzen für eine wesentlich schnellere Knochenbildung. Das ektomesenchymale Endodont ist ein unikaler Odontoblasten-Verbund als Dentinbildner und mechanosensitiver Reizüberträger. Bei einem Untergang der primären Odontoblasten – hauptsächlich durch Karies, Präparationstrauma und chemische Noxen – können sie nie wieder gebildet werden, weil sich auch die Neuralleiste als Quelle ektomesenchymaler ewiger Zellen aufgelöst hat. Der Rest der Pulpa ist ein gewöhnliches Bindegewebe mit den Aufgaben: „ Kompensation ausgefallener Odontoblasten durch deren Nachbarzellen, also immer noch durch primäre Odontoblasten, „ Platzhalter für lebenslange Dentinapposition durch sekundäre Odontoblasten mit eingeschränkter Funktionalität, die sich aus pluripotenten, wenig differenzierten Mesenchymzellen differenzieren, Direkte Pulpaüberkappung mit Calciumhydroxid am Schneidezahn der Ratte im Vitalmikroskop nach elf Tagen: normalisierte Mikro- und Makrozirkulation im unteren Teil am Prädentin und am tubulären Dentin; Neubildung von Kapillaren der Mikrozirkulation am Prädentin unterhalb der Pulpaperforation, abgedeckt mit Calciumhydroxid zm113 Nr. 19, 01.10.2023, (1690)

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