PRAXIS | 51 Aushilfen. Auch die Reinigungskraft wird hierbei gerne einmal vergessen. Nur Auszubildende zählen nicht mit. Kommt man dann rechnerisch über zehn Mitarbeiter, und ist der betroffene Mitarbeiter bereits länger als sechs Monate an Bord, braucht der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund, im Kleinbetrieb bis zu zehn Mitarbeitern geht es auch ohne. Bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung läuft allerdings unabhängig von der Betriebsgröße und der Dauer des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigungsgrund gar nichts. Aber ist das Fehlverhalten nicht der Kündigungsgrund? Das Kündigungsschutzgesetz lässt Fehlverhalten als Kündigungsgrund generell zu, die sogenannte verhaltensbedingte Kündigung, aber nur als letztes Mittel. Besteht die Chance, das Arbeitsverhältnis zu erhalten und durch eine Abmahnung eine Verhaltensänderung des betroffenen Mitarbeiters herbeizuführen, muss der Arbeitgeber dies zunächst versuchen, bevor er zur Kündigung schreiten kann. Die Kündigung ist nämlich nicht die Strafe für das Fehlverhalten, sondern folgt aus der begründeten Sorge, dass es in Zukunft zu weiteren Störungen des Arbeitsverhältnisses kommen wird. Der Blick ist also nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft gerichtet. Gibt es auch Ausnahmen? Ja, die gibt es. Bei sehr schwerwiegendem Fehlverhalten, das das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiterin unrettbar zerstört, kann auch eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung funktionieren. Insbesondere Straftaten, zum Beispiel der berüchtigte Griff in die Portokasse, können einen Arbeitnehmer auch ohne Abmahnung den Job kosten. Gleiches gilt für die vorgetäuschte, vielleicht sogar angedrohte Arbeitsunfähigkeit oder ehrverletzende Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber. Das kommt aber sehr auf den Einzelfall an. Genügt eine Abmahnung? In der Regel ja. Mehrere Abmahnungen kommen dann in Betracht, wenn es um verschiedene, nicht artverwandte Vorwürfe geht. Mahnt man als Arbeitgeber bei vergleichbaren Vorwürfen zu oft ab, kann es sogar passieren, dass der Arbeitsrichter die in den Abmahnungen enthaltene Androhung von Konsequenzen als nicht ernst gemeint ansieht, und die Kündigung letztlich daran scheitern lässt. Aus Arbeitnehmersicht: Wie reagiere ich auf die Abmahnung? Die einfachste Reaktion lautet „lochen und abheften“. Es passiert ja zunächst nichts. Wiederholt sich das Fehlverhalten nicht, wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt. Bin ich als Arbeitnehmer der Meinung, dass die Vorwürfe nicht zutreffen, kann ich eine Gegendarstellung verfassen. Der Arbeitgeber muss diese ebenfalls zur Personalakte nehmen. Ich kann auch beim Arbeitsgericht Klage gegen den Arbeitgeber erheben mit dem Ziel, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Dann wird geprüft, ob die Abmahnung berechtigt war oder nicht. Eine solche Klage belastet das Arbeitsverhältnis allerdings zusätzlich, sodass ich mir gut überlegen sollte, diesen Schritt zu gehen. Kommt es später doch zu einer Kündigung, kann im Rahmen der dann anstehenden Kündigungsschutzklage immer noch die Zulässigkeit der zunächst nicht angegriffenen Abmahnung durch das Arbeitsgericht überprüft werden. Mit Abwarten vergibt man sich also nichts. Bernhard Kinold Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht HASLER KINOLD - Rechtsanwälte Foto: Matthias Knapstein
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