Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

Es waren eindrucksvolle Veranstaltungen – am 3. Mai auf Schalke, am 14. Juni auf dem Roncalliplatz in Köln, am 8. September vor dem Brandenburger Tor in Berlin, am 13. September vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover. Zählt man auch die weiteren Veranstaltungen zum Beispiel in Thüringen und in Brandenburg, dann waren bislang etwa 10.000 Kolleginnen, Kollegen, Teammitarbeiterinnen und -mitarbeiter auf der Straße. Und wir waren nirgendwo nur unter uns. MdBs und MdLs, viele Grußadressen, die Verständnis ausdrückten, auch wenn naturgemäß den Oppositionsparteien das Verständnis leichter fällt. Vertreter des „Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands“ und des „Deutschen Hausärzteverbands“, die uns dafür lobten, dass den Zahnärztinnen und Zahnärzten gelingt, was die allgemeine Medizin so nicht schafft, nämlich in nennenswerter Zahl auf die Straße zu gehen. Bemerkenswert war auch der Schulterschluss mit dem „Verband medizinischer Fachberufe“. Die Präsidentin, Hannelore König, und die Referatsleiterin Zahnmedizinische Fachangestellte, Sylvia Gabel, waren bei allen Veranstaltungen dabei und eine laute Stimme am Mikrofon. Wenn Teams, Chefinnen und Chefs Seite an Seite unter der zum Teil sengenden Sonne stehen, selbstgemachte Protestplakate hochhalten und mit ihren Trillerpfeifen infernalischen Lärm anstimmen, dann muss es einen Grund geben, der mehr ist als bloße Unzufriedenheit. Und diesen Grund gibt es nun wirklich! Die negative Konditionierung begann schon während der Corona-Pandemie. Für das Personal in den Krankenhäusern wurde auf Balkonen geklatscht. Später gab es dann die Corona-Prämie fürPflegekräfte im Krankenhaus und in der Altenpflege. Wir „Ambulanten“ haben während dieser Zeit das getan, was wir immer tun – stillschweigend die große Mehrzahl der Patientenfälle in Deutschland betreut und behandelt. Die Bedrohung durch das Virus war die gleiche, nur für uns hat niemand geklatscht, von einer Prämie für unsere Teams ganz zu schweigen. Die Negativ-Konditionierung ging weiter mit der nächsten Krise, der Energiekrise durch den russischen Angriffskrieg. Wieder waren es die Krankenhäuser, die lauthals nach Hilfe riefen, weil man so auf Kante genäht sei, dass Insolvenzen drohten. Eilfertig wurde sogleich eine Krankenhausreform angeschoben, vorgeblich um Geld zu sparen, tatsächlich um die Finanzierung zu sichern. Und wir? Wir „Ambulanten“ haben das getan, was wir immer tun – stillschweigend die große Mehrzahl der Patientenfälle in Deutschland behandelt. Und gedacht hat niemand an uns. Aber nein, das ist falsch. Man hat an uns gedacht und zwar als es darum ging, das beträchtliche Loch im GKVTopf zu stopfen. Für die Zahnmedizin kam man im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sogar auf eine besonders vertrauensbildende Maßnahme. Die Paro-Strecke, längst in Sack und Tüten, wurde auf ein Drittel zusammengestrichen, und – weil das noch nicht genug war – mit einem Deckel für das Gesamtbudget gekrönt. Niemand neidet der stationären Medizin eine Sonderrolle, dennoch wirkt es mehr als befremdlich, wenn etwa die Bürgermeisterin einer Gemeinde in Brandenburg über ihr Krankenhaus – immerhin 24 Millionen Euro im Jahr schwer – sagt: „Die Klinik ist vielleicht nicht medizinisch notwendig, aber als psychologisches Signal“ (Spiegel, 5.8.2023). Da haben wir eindeutig mehr zu bieten: Die Paro-Strecke ist medizinisch und zahnmedizinisch absolut notwendig und wir Zahnärztinnen und Zahnärzte hätten nun wirklich ein psychologisches Signal der Anerkennung verdient für die Milliarden, die unsere Kariesprävention inzwischen einspart. Eine wohnortnahe, zuverlässige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung ist nur mit eigenverantwortlichen ambulanten Praxiseinheiten möglich. Wenn die Politik nicht erkennen will, dass wir „Ambulanten“ genau aus diesem Grund die mit Abstand meisten Patientenfälle in Deutschland behandeln, dann dürfen wir eben nicht mehr tun, was wir immer tun, sondern müssen auf die Straße gehen! Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Mehr zu den Prosten am Brandenburger Tor auf S. 10. Warum wir auf die Straße gehen 6 | LEITARTIKEL Foto: GEORG JOHANNES LOPATA-AXENTIS.DE

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