Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

70 | TITEL zm113 Nr. 19, 01.10.2023, (1720) Dr. Charlott Luise Hell Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz Dr. Jens Weusmann Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz Dr. Priscila Ferrari Peron Poliklinik für Kieferorthopädie Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz diese Behandlungsalternative meist dem Seitenzahnbereich vorbehalten oder Fällen, in denen die Ostektomie rein palatinal erfolgen kann. Chirurgische Extrusion Die chirurgische Extrusion ist im Grunde eine intentionelle Avulsion unter kontrollierten Bedingungen. Bei dieser Therapieoption wird der frakturierte Zahn möglichst „atraumatisch“ extrahiert, replantiert und weiter koronal gelegen geschient [Plotino et al., 2021]. Gegebenenfalls kann eine Drehung des Zahnes um 180 Grad sinnvoll sein, um die Defektgrenzen weiter nach supragingival zu legen [Plotino et al., 2020; DGMKG und DGZMK, 2022]. Analog zur Therapie nach Avulsion ist es wichtig, die Wurzeloberfläche nicht zu berühren, um das parodontale Ligament (PDL) zu schonen [DGMKG und DGZMK, 2022]. Auch die „atraumatische“ Extraktion ist für die parodontale Heilung ohne Ankylose und zur Vermeidung von Wurzelresorptionen wichtig [Krug et al., 2018]. Vorteil der chirurgischen Extrusion gegenüber der kieferorthopädischen Extrusion ist die kürzere Behandlungsdauer, jedoch ist im Vergleich das Wurzelresorptionsrisiko erhöht und eine anschließende Wurzelkanalbehandlung notwendig [Kim et al., 2009]. Kompositversorgung/ Kastenbodenelevation Frakturkanten oder Kavitätenböden können in einigen Fällen direkt im Sinne einer „Proximal Box Elevation“ oder „Deep Margin Elevation“ versorgt und/oder zugänglich gemacht werden. Durch diese Techniken lassen sich auch moderat tiefe Defekte adäquat fassen [Kuper et al., 2012]. Grundvoraussetzung hierfür sind hoch polierbare Komposite, die möglichst spaltfrei mit dem Kavitätenrand abschließen und einen glatten Übergang aufweisen [Lührs et al., 2020]. Zur Auswahl stehen unter anderem die modifizierte Matrizentechnik und deren Abwandlungen sowie die matrizenlose Technik nach Frese [Magne et al., 2012; Frese et al., 2014]. Verläuft der Restaurationsrand im koronalen Anteil des Saumepithels, gilt dies bei perfektem Randschluss als akzeptabel [Konradsson et al., 2005]. Diese Methoden sind jedoch techniksensitiv undfindenihre Limitation in der Verletzung des bindegewebigen Attachments. Einstrahlende Sharpey-Fasern benötigen naturgemäß Wurzelzement, in das sie inserieren können. Extraktion mit anschließender Lückenversorgung Zu den Therapieoptionen nach Zahnextraktion gehören im jugendlichen Alter der kieferorthopädische Lückenschluss, die einflügelige Adhäsivbrücke oder die autogene Zahntransplantation [DGMKG und DGZMK, 2022]. Im Erwachsenengebiss stellt die Implantation eine weitere Alternative dar. Zu beachten ist jedoch, dass es auch hier zu Komplikationen wie Resorptionen, Hart- und Weichgewebeverlust, oder wachstumsbedingten Infrapositionen kommen kann [Zitzmann et al., 2015; Mameno et al., 2020]. Die ausgiebige Diskussion der Lückenversorgungsmöglichkeiten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, deshalb sei hier auf die einschlägige Fachliteratur und nicht zuletzt auf die in dieser Fachzeitschrift erschienen Artikelreihe „Die Einzelzahnlücke – Optionen der Versorgung“ verwiesen (zm 4/2022). Diskussion In beiden Fällen wäre eine Sofortimplantation aufgrund von fehlendem vestibulärem Knochen möglicherweise problembehaftet gewesen. Und ein rein adhäsiver Aufbau ohne weitere Maßnahmen wäre in den dargestellten Fällen aufgrund der Verletzung des suprakrestalen Attachments nicht möglich gewesen. Auch ein Platzieren des Restaurationrandes koronal des suprakrestalen Attachments hätte ein ästhetisch insuffizientes Ergebnis nach sich gezogen, stellt aber prinzipiell eine wenig invasive Therapieoption dar. Gegen eine chirurgische Kronenverlängerung entschieden wir uns in beiden Fällen aufgrund eines konsekutiv resultierenden unharmonischen Gingivaverlaufs. Die chirurgische Extrusion wäre in beiden Fällen eine mögliche Therapieoption gewesen, wurde aber patientenseitig abgelehnt. Eine Kastenbodenelevation war in Fall 1 möglich und wurde als vorübergehende Primärversorgung gewählt; langfristig wurde der Defekt nach der Extrusion aber durch Überkronung gefasst. In Fall 1 wurde die schnelle kieferorthopädische Extrusion mittels Segmentbogentechnik vorgenommen. Hier werden höhere Kräfte (50–60 cN) als bei der regulären kieferorthopädischen Bewegung angewandt [Luís et al., 2003]. Dementsprechend belaufen sich die Bewegungszeiten bei der klassischen langsamen kieferorthopädischen Bewegung auf 1 – 2 mm pro Monat und auf 3 – 4 mm pro Monat bei der schnellen kieferorthopädischen Bewegung [Prapas et al., 2008].

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