72 | GESELLSCHAFT GROẞBRITANNIEN Die Fallzahlen von moderner Sklaverei im Pflegebereich explodieren Arbeitsmissbrauch und Ausbeutung im Pflegebereich sind keineswegs neu. Daten der britischen Wohltätigkeitsorganisation Unseen zeigen nun jedoch, dass das Problem in Großbritannien eskaliert – obwohl das Land zuletzt weltweit als Spitzenreiter bei den Gegenmaßnahmen galt. Unseen bietet Betroffenen von verbrecherischer Arbeitsausbeutung, Menschenhandel und moderner Sklaverei seit 2016 eine Notrufhotline sowie sichere Zufluchtsorte und Unterstützung in der Gemeinschaft. Dazu arbeitet die 2007 gegründete Organisation mit Einzelpersonen, Gemeinden, Unternehmen, Regierungen, anderen Wohltätigkeitsorganisationen und Behörden zusammen. Erklärtes Ziel: „working towards a world without slavery" (für eine Welt zu kämpfen, in der die Sklaverei endgültig ausgerottet ist). Allen Bemühungen zum Trotz verschlechtert sich die Situation zumindest im Vereinigten Königreich offenbar zusehends. So lag die Zahl der von der Notrufhotline ermittelten potenziellen Opfer von krimineller Arbeitsausbeutung im Pflegebereich allein 2021 bei 106 – und stieg 2022 auf 708. Willkürliche Gebühren führen zu einer Art Schuldknechtschaft Den Unterschied zwischen Arbeitsmissbrauch und Arbeitsausbeutung (auch Zwangsarbeit genannt) beschreibt die Wohltätigkeitsorganisation so: Es beginnt in der Regel mit schlechten Arbeitspraktiken, das heißt, dass etwa Gelegenheitsarbeitern „Verwaltungsgebühren“ für die Arbeit in Rechnung gestellt werden. Die Grenze zum Arbeitsmissbrauch wird beispielsweise überschritten, wenn zusätzlich unangemessene Kosten für Wohnraum erhoben werden. Und Ausbeutung oder Zwangsarbeit liegt nach der Definition von Unseen vor, wenn eine Person gezwungen wird, große Schulden gegenüber einer „Agentur“ oder einer Einzelperson zu begleichen, die ihr einen Job gegeben hat, und das Gefühl hat, keine Wahl zu haben – eine Praxis, die auch als Schuldknechtschaft bekannt ist und den Straftatbestand der modernen Sklaverei erfüllt. Opfer von Arbeitsmissbrauch und Zwangsarbeit können jeden Hintergrund und jede Nationalität haben, betont die Organisation in ihrem Bericht. Was jedoch aus den neuesten Zahlen der Hotline für den Pflegesektor hervorsticht, seien die Zahlen für Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten – vor allem Personen aus Indien, Simbabwe und Nigeria seien betroffen. Als typisches Beispiel für ArbeitsmissbrauchimPflegebereich beschreibt Unseen das Schicksal von Chloe (Name geFoto: stock.adobe.com - Polonio Video zm113 Nr. 19, 01.10.2023, (1722)
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