Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

zm113 Nr. 20, 16.10.2023, (1772) 22 | ZAHNMEDIZIN Implantat-Abutment-Verbindung als auch durch einen Korrosionsprozess werden an der Oberfläche des Implantats Titanpartikel freigesetzt (Biotribokorrosion). Die elektrolytische Korrosion wird gefördert durch den bei der Gewebeentzündung vorliegenden sauren pH-Wert, hervorgerufen durch Stoffwechselprodukte von parodontopathogenen Bakterien im Biofilm. Die freigesetzten Titanpartikel können daraufhin im umliegenden Weich- und Hartgewebe immunologische Unverträglichkeitsreaktionen auslösen [Schliephake et al., 1993; Suarez-Lopez Del Amo et al., 2018; Mombelli et al., 2018]. Die Intensität einer proinflammatorischen Reaktion hängt höchstwahrscheinlich von individuellen Veranlagungen beziehungsweise der Stärke der inflammatorischen Immunantwort des Körpers ab. Hierbei können auch genetische Faktoren eine Rolle spielen [Summer et al., 2022]. Sobald eine proinflammatorische Kaskade abläuft, kann diese zum Zusammenbruch des „foreign body equilibrium“, also des Gleichgewichts zwischen Implantat und Gewebereaktion auf das Implantat, führen. Die aktivierten Makrophagen aktivieren Osteoklasten oder fusionieren zu mehrkernigen Riesenzellen, die Knochenmineralstrukturen auflösen können [ten Harkel et al., 2015]. Der Pathomechanismus der Inflammasom-Aktivierung in Makrophagen durch Lipoproteine parodontaler Pathogene sowie durch Titanpartikel wurde in der Literatur bereits beschrieben. Es konnte gezeigt werden, dass sowohl die LPS parodontopathogener Keime als auch Titanpartikel über die gleichen Toll-like-Rezeptoren die Entzündungskaskade im Makrophagen aktivieren. Beide Trigger wirken synergistisch und verstärken die Produktion des proentzündlichen Zytokins IL-1b im Inflammasom und damit die Entzündungsreaktion [Pettersson et al, 2016], jedoch gibt es bisher keine EMPFEHLUNGEN DER LEITLINIE Evidenzbasierte Empfehlung Qualität der Evidenz 1: prädiktiver Epikutantest auf Titan (starker Konsens) Der ECT zur Abklärung einer potentiell bestehenden Sensibilisierung (in der Literatur als prophetische Testung bezeichnet) soll nicht durchgeführt werden. moderat (+++−) 2: prädiktiver Epikutantest auf Titan mit anamnestisch allergischen Symptomen (starker Konsens) Der ECT soll auch bei Patienten mit anamnestisch relevanten Vorerkrankungen nicht durchgeführt werden. gering (++−−) 3: Epikutantest auf Titan bei klinischem V. a. Unverträglichkeitsreaktion (starker Konsens) Der ECT soll auch bei Patienten mit Verdacht auf klinische Unverträglichkeitsreaktion nicht durchgeführt werden. gering (++−−) 4: prädiktiver LTT bezüglich Titan (starker Konsens) Der LTT zur Abklärung einer potentiell bestehenden Sensibilisierung gegenüber Titan (in der Literatur als prophetische Testung bezeichnet) soll nicht durchgeführt werden gering (++−−) 5: prädiktiver LTT bezüglich Titan mit anamnestisch allergischen Symptomen (starker Konsens) Der LTT in Bezug auf Titan soll auch bei Patienten mit anamnestisch relevanten Vorerkrankungen nicht durchgeführt werden. gering (++−−) 6: Diagnostik bei klinischem V. a. Unverträglichkeitsreaktion auf Titan (starker Konsens) Der LTT soll auch bei Patienten mit Verdacht auf klinische Unverträglichkeitsreaktion auf Titan nicht durchgeführt werden. gering (++−−) 7: Suprakonstruktionen (starker Konsens) Es sollte bedacht werden, dass die Suprakonstruktion zu Unverträglichkeitsreaktionen bzw. Allergie führen kann. Es ist hierbei an andere Legierungsbestandteile und Verunreinigungen sowie Klebstoffe zu denken. sehr gering (+−−−) 8: Therapieoptionen bei Titanunverträglichkeit (starker Konsens) Für Patienten mit vermuteter Titanunverträglichkeit können auch dentale Keramikimplantate als Therapieoption in Betracht gezogen werden. Wir verweisen an dieser Stelle auf die S3-Leitlinie Keramikimplantate (AWMF-Registernummer: 083-039). gering (++−−) Die Qualität der Evidenz wurde vierstufig als hoch = ++++ / moderat +++ / gering= ++ / sehr gering = + bewertet. Konsensstärke: „Starker Konsens“ bedeutet die Zustimmung von mehr als 95 Prozent der Teilnehmer der Abstimmung in der Leitliniengruppe. Empfehlungsgrade: soll / soll nicht = starke Empfehlung, sollte / sollte nicht = Empfehlung, kann / kann verzichtet werden = Empfehlung offen. Quelle: DGI/DGZMK: „Materialunverträglichkeiten bei dentalen, enossalen Implantaten“, Langfassung, Version 1.0, 2022, AWMF-Registriernummer: 083-041, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-041.html Tab. 1: Empfehlungen der Leitlinie

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