Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

42 | PRAXIS Durch die geringe Semestergröße ist die Betreuung sehr intensiv und die Durchfallquote extrem gering. Es wird wie in Deutschland ab dem 7. Semester praktisch am Patienten behandelt, allerdings wird jedem eine ZFA zur Unterstützung zugewiesen. Chirurgie und Kieferorthopädie werden oft ausführlicher gelehrt, da ja später, wie beschrieben, weniger überwiesen wird. Herausnehmbare Apparaturen werden oft selbst verschrieben. Auch die Einweisung für Lachgas gehört zum regulären Lehrplan, obwohl das später nicht in jeder Praxis Verwendung findet. Die Zahnärzte behandeln auch nach dem Studium meist genau nach Lehrplan. Eine Wurzelkanalbehandlung ohne Kofferdam ist hier für die meisten völlig unvorstellbar. Dieser wird auch gerne und oft – wie in den USA – bei Füllungen verwendet. Zumal nicht immer eine Assistenz zur Verfügung steht. Fortbildungen werden ebenfalls sehr gerne im Ausland besucht – oft geht es dann in die USA oder nach Dänemark und Schweden. Beide Einflüsse prägen die Zahnmedizin auf der Insel. Die Fachrichtung der Dentalhygienikerin existiert in Island nicht und auch keine verpflichtende Ausbildung zur ZFA. Es gibt einen einjährigen Lehrgang zur ZFA im Uniklinikum in Reykjavik, der ist allerdings kein Muss. Demzufolge sind ZFA oft Quereinsteigerinnen und teilen sich die Verantwortung für den Rezeptionsbereich, die Stuhlassistenz und den Sterilisationsbereich. Sie sind nicht permanent bei der Behandlung mitdabei. Gewerkschaften gehören hier fest dazu, es gibt sie für fast jeden Berufsstand. Das hilft, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Hier und da fehlen Fachkräfte, allerdings nicht in dem Umfang wie in Deutschland. Ansonsten wird in der Zahnmedizin das Rad nicht neu erfunden, was mir beim Einleben geholfen hat. Die Abläufe und die häufig aus Deutschland importierten Materialien und Stühle gleichen sich. Angedeutet habe ich schon, dass Island viel digitaler ist im Gesundheitswesen. Das kommt uns Zahnärzten im Praxisalltag entgegen. Schon lange gibt es die digitale Patientenakte. Die meisten Transaktionen laufen über die sogenannte Kennitala, eine Identifikationsnummer, die sich aus dem Geburtsdatum und ein paar zufälligen Ziffern zusammensetzt und ein Leben lang bestehen bleibt. Damit kann man als Zahnärztin den kompletten Namen und die aktuelle Adresse recherchieren, die zuletzt verschriebenen Medikamente mit Dosisangaben einsehen und gleichzeitig neue verschreiben. Das Papierrezept kommt schon lange nur bei Touristen aus der Schublade. Rechnungen werden meist direkt im Anschluss per Karte bezahlt oder direkt an die Bankadresse geschickt, über die der Patient mit einem Klick auf einen Haken im Online-Banking schnell bezahlen kann. Auch für alle anderen Anliegen wählt man oft den kurzen Dienstweg. Vorschriften wie die regelmäßige Teilnahme am Röntgenkurs oder den verpflichtenden Besuch beim Betriebsarzt gibt es hier nicht. Echt überrascht hat mich noch eine andere kleine Sitte: Man muss vor dem Betreten der Praxis die Schuhe ausziehen. Auch meine Kollegen wählen manchmal das Behandeln in Socken – für mehr Feingefühl mit dem Fußpedal. Ich habe mich aber gegen diese Anpassung entschieden und bleibe – schön deutsch – bei meinem sicherheitskonformen, geschlossenen Schuhwerk mit rutschfester Sohle. Behandlungskosten werden mehrheitlich privat beglichen Zahnmedizinische Behandlungen werden grundsätzlich rein privat in Rechnung gestellt. Ausnahmen sind Kinder unter 18, die nichts zuzahlen müssen, Menschen über 67 und Menschen mit Beeinträchtigungen, bei denen die Behandlungskosten teilweise oder ganz übernommen werden. Da grundsätzlich alle Dienstleistungen in Island sehr teuer sind, zieht es viele Patienten ins Ausland, wo sich Praxen in Ungarn mit isländisch sprechendem Personal auf sie eingestellt haben. Obwohl die Zahngesundheit im Allgemeinen sehr gut ist, sieht man oft Lücken, die aufgrund der Kosten nicht ersetzt wurden. Und manchmal ziehen sich Behandlungen über einen längeren Zeitraum als notwendig, damit es finanziell tragbar wird. So wie mancher in Deutschland seine Arbeiten im fernen Osten herstellen lässt, werden hier Zahntechniker in Schweden beauftragt, um die Behandlungskosten zu senken. Erheblich seltener als in Deutschland stößt man hier auf Gegenwehr, was den Einsatz von Röntgen und Fluorid angeht. Auch Kinder werden schon regelmäßig geröntgt, um bei Karies im Milchgebiss frühzeitig einzugreifen. Der isländische Weg und der Einblick in ein anderes System sind für mich sehr wertvoll – ich fühle mich wohl. „ zm113 Nr. 20, 16.10.2023, (1792) ZAHNMEDIZIN AUF ISLAND Island hat rund 372.500 Einwohner (Stand 2021) und laut der letzten Erhebung 371 Zahnärztinnen und Zahnärzte Ein Zahnmediziner versorgt rund 1.200 Patienten. Dazu kommen Dentalhygieniker und Zahntechniker. Island weist damit unter den OECD-Ländern eine der höchsten Versorgungsquoten von Zahnärzten im Verhältnis zur Bevölkerung auf. In Deutschland sind es mit 1.161 Patienten pro Zahnarzt ähnlich viele. 90 Prozent sind Mitglieder der Zahnärztekammer. Island ist ein „Affiliate Member“ im CED und reguläres Mitglied sowohl im Weltverband FDI wie in der europäischen Regionalorganisation ERO. Im Gegensatz zur allgemeinen Gesundheitsversorgung mit einem umfassenden staatlich finanzierten System, wird die orale Gesundheitsversorgung für Erwachsene und die meisten zahnärztlichen Leistungen von den Patienten selbst auf der Grundlage von Einzelgebühren bezahlt. Für Kinder unter 18 Jahren werden die Kosten für die meisten zahnärztlichen Behandlungen erstattet, mit Ausnahme von Kronen, Brücken und kieferorthopädische Behandlungen.

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