Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

70 | PRAXIS MAẞNAHMEN GEGEN KRANKHEITSBEDINGTE FEHLZEITEN Ist eine Anwesenheitsprämie die Lösung? Bernhard Kinold Der Montagmorgen beginnt mit drei Krankmeldungen. Eine weitere ZFA ist seit sechs Wochen in der Reha. Puh. Schon klar, wer krank ist, muss sich auskurieren. Aber ist eine Anwesenheitsprämie nicht vielleicht trotzdem ein gutes Instrument, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stange zu halten? Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Deutschen 2022 durchschnittlich 15 Arbeitstage krankgemeldet. Quer durch alle Branchen, Zahnarztpraxen sind da keine Ausnahme. Neben dem Ausfall der Arbeitskraft im Praxisalltag ist damit eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts für bis zu sechs Wochen je Krankheit verbunden, in besonderen Fällen sogar darüber hinaus. Nun ist die Diagnose ja bekanntlich der erste Schritt auf dem Weg zur Therapie. Aber wie könnte eine solche Therapie aussehen – mit dem Ziel, den Krankenstand, wenn auch nicht ganz zu beseitigen, so doch zumindest spürbar zu reduzieren? Da auch Zahnarztpraxen Wirtschaftsunternehmen sind, kommen einem zunächst finanzielle Lösungsmodelle in den Sinn. Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) stellen „Anwesenheitsprämien einen Anreiz zu gesundheitsbewusstem und -förderndem Verhalten dar und sollen leichtfertige Krankmeldungen unterbinden" (BAG, Urteil vom 26. September 2007 – 10 AZR 568, 569 und 570/06). Das klingt gut, allerdings wird man hier keine Blaupausen finden. Immerhin stößt man auf § 4a des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG). Dort ist von einer „Kürzung von Leistungen“ die Rede, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt „für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit“ erbringt. Man verspricht seinen Mitarbeitenden einfach eine jährliche Zusatzprämie von beispielsweise 500 Euro und streicht diese denjenigen wieder, die im vergangenen Jahr krankheitsbedingt gefehlt haben. Laut EntgFG „darf die Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten". Dazu ein Rechenexempel zum Verständnis: 251 Arbeitstage hat Berlin in diesem Jahr. Dem Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit zufolge liegt das mittlere Gehalt für Zahnmedizinische Fachangestellte in Deutschland bei 2.382 Euro brutto im Monat, das sind 28.584 Euro im Jahr. Eine Anwesenheitsprämie könnte in diesem Beispiel pro Tag der Arbeitsunfähigkeit um 28,47 Euro (28.584 Euro geteilt durch 251 Arbeitstage und davon ein Viertel) gekürzt werden. Wäre also die betroffene Mitarbeiterin entsprechend dem statistischen Mittel 15 Tage im Jahr krank, könnte eine ihr mit 500 Euro versprochene Anwesenheitsprämie um 15-mal 28,47 Euro auf 72,95 Euro gekürzt werden. Überlegen Sie gut, was die Motivation am meisten fördert Aber warum machen das dann nicht alle Arbeitgeber? Zum einen löst die Einführung einer Anwesenheitsprämie in der Belegschaft Frust aus: Motivation geht anders. Bei einer Anwesenheitsprämie schwingt immer der unterschwellige Vorwurf mit, dass die Beschäftigten gar nicht wirklich krank sind, sondern „blaumachen“. Betriebsklima und Leistungsbereitschaft rutschen da schnell in den Keller. Zum anderen riskiert der Arbeitgeber leicht eine ganze Krankheitswelle infolge von Ansteckung, wenn tatsächlich erkrankte Foto: Sergii Figurnyi_stock.adobe.com zm113 Nr. 20, 16.10.2023, (1820) Bernhard Kinold Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht HASLER KINOLD - Rechtsanwälte Foto: Matthias Knapstein

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