Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

74 | ZAHNMEDIZIN serologischen Untersuchung zeigten sich lediglich massiv erhöhte IgA- und IgG-Antikörper gegen die Yersinia species. Die histologische Diagnostik ergab eine korbgeflechtartige Orthokeratose in einer mittelbreiten Epidermis. Die Reteleisten (Epidermisfortsätze, die in die darunterliegende Dermis hineinragen) erschienen verstrichen und subepidermale Fibrinablagerungen sowie fokale subepidermale Ödeme waren zu beobachten. Oberflächlich zeigte sich ein horizontal ausgebreitetes zellarmes Narbengewebe mit vermehrten Gefäßanschnitten. Im umgebenden Gewebe befand sich ein lymphoplasmazelluläres, entzündliches Infiltrat. Zusätzlich imponierte das kollagene Bindegewebe degenerativ verändert. In der anschließenden Beurteilung wurde ein oberflächliches Narbengewebe diagnostiziert (Abbildung 6). Nach der abgeschlossenen Diagnostik wurde dem Patienten die Diagnose Yersiniose mit persistierender YersinienArthritis und kutaner Manifestation mitgeteilt. Unvorhersehbar kam es im Anschluss an die kutane Probeexzision zu einer vollständigen Remission der Schmerzsymptomatik und zu einem Rückgang der Hautbeschwerden. Aus diesem Grund bestand derzeit keine Indikation für eine weitere Therapie am Kiefergelenk. Diskussion Die Manifestation einer rheumatischen Arthritis, die mit Gelenkschwellungen, symmetrischer Verteilung der befallenen Gelenke und einer Morgensteifigkeit einhergeht, schien bei dem Patienten aufgrund der negativen Testergebnisse bezüglich des RheumaFaktors und der CCP-Antikörper als unwahrscheinlich. Weiterhin waren bis auf die Kiefergelenke alle übrigen Gelenke morphologisch und funktionellunauffällig. Häufig führen Fehlbelastungen, Abnutzungen von anatomischen Strukturen, funktionelle Dissonanzen, okklusale Störkontakte, Kieferluxationen, Zysten oder Tumore ursächlich zu Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke. Ein Vorliegen dieser Erkrankungen konnte durch die klinische Funktionsdiagnose und die Diagnostik mittels MRT ausgeschlossen werden. Bei persistierenden Schmerzen am Kiefergelenk ist laut aktueller Leitlinie eine Therapie mit Okklusionsschienen indiziert. Falls diese nicht zur Linderung der Symptome beitragen können, soll eine frühzeitige Konsultation eines Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen erfolgen, um schwerwiegenden Langzeitfolgen wie kondylären Resorptionen oder Ankylosen des Kiefergelenks rechtzeitig entgegenzuwirken. Als kostengünstiges, komplikationsarmes und minimalinvasives Verfahren gilt dabei die Arthrozentese mit Gelenklavage. Diese Methode kann zu einer Reduktion von Schmerzen und zur Verbesserung der mandibulären Beweglichkeit führen [Neff, 2021]. Als Erreger einer Yersiniose gelten Bakterien der Gattung Yersinia, sie sind fakultativ anaerobe, gramnegative kurze Stäbchen, die zu den Enterobacterales gehören [Adeolu et al., 2016; Riahi et al., 2021]. Aktuell werden 18 verschiedene Spezies unterschieden. Unter zm113 Nr. 20, 16.10.2023, (1824) FAZIT FÜR DIE PRAXIS „ Bei persistierenden Kiefergelenkbeschwerden sollte ein dreidimensionales, bildgebendes Verfahren diagnoseführend eingesetzt werden. „ Bei fehlenden radiologischen Korrelaten und anhaltenden Kiefergelenkschmerzen sollte eine rheumatische Arthritis durch den Hausarzt ausgeschlossen werden. „ In speziellen Fällen kann es sinnvoll sein, den Patienten an ein multidisziplinäres medizinisches Versorgungszentrum mit einer Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zu überweisen. Abb. 6: Auf dem HE-Schnitt sieht man unter orthokeratotischer Hornlamelle eine regelrecht geschichtete Epidermis. Subepidermal findet sich eine zellarme Fibrose, die eine ausgeprägte solare Elastose zur Tiefe verdrängt. Perifollikulär kommen schüttere Rundzellinfiltrate zur Darstellung. Foto: Universitätsmedizin Mainz

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