zm113 Nr. 20, 16.10.2023, (1828) 78 | GESELLSCHAFT GEWALT GEGEN GESUNDHEITSFACHKRÄFTE IN GROẞBRITANNIEN Bieten Bodycams Schutz vor Übergriffen? Weltweit sind bis zu 38 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen in ihrem Berufsleben mindestens einmal körperlicher Gewalt ausgesetzt, hinzu kommen Drohungen oder verbale Aggressionen. Wie können sich die Betroffenen wehren? Großbritannien setzt auf Bodycams: 2021 wurden Sanitäter testweise damit ausgestattet, jetzt ist das Personal der Notaufnahmen an der Reihe. In Europa nehme die Gewalt gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen mit „alarmierender Geschwindigkeit“ zu, warnte im März die Europäische Ärztevereinigung (Comité Permanent des Médecins Européens, CPME). „Wir müssen die Folgen von Gewalt gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen erkennen: Letztlich leiden darunter nicht nur die Arbeitskräfte, sondern auch die Patientenversorgung ist beeinträchtigt“, betonte CPME-Präsident Christiaan Keijzer, nachdem verschiedene Untersuchungen von einer Zunahme der Übergriffe berichtet hatten. Die Übergriffe treten der CPME zufolge in vielen Formen auf. Im schlimmsten Fall tragen die Betroffenen physische und psychische Verletzungen davon. Fehlzeiten, Vertrauensverlust, Kündigung des Arbeitsplatzes, posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) und andere schwerwiegende psychische Erkrankungen sind die konkreten Folgen. In Großbritannien befasst man sich seit knapp fünf Jahren mit dem Problem. Mit einer konsequenteren Strafverfolgung und einer Verdopplung des Strafmaßes versucht das Land die Gewalt gegen das Gesundheitspersonal zu stoppen. Der Nationale Gesundheitsdienst NHS plante in dem Zusammenhang ein Pilotprojekt für den Einsatz von am Körper getragenen Kameras durch Sanitäter, um gefährliche Situationen zu entschärfen. 8,4 Millionen Pfund wurden für die Beschaffung der Bodycams und für die Auswertung des dreijährigen Einsatzes bereitgestellt. Fast die Hälfte der Sanitäter wurde schon mal angegriffen Außer den Sanitätern in Londoner Notaufnahmen sollen nun auch die Kollegen in Coventry, Derby, London, Oxford, Norfolk, Norwich und Warwickshire mit Bodycams ausgestattet werden. Parallel dazu gibt es Deeskalationsschulungen für NHS-Mitarbeitende und landesweite Kommunikationskampagnen, die mehr Respekt für das Gesundheitspersonal einfordern. Wie sehr dies nötig ist, zeigen die Ergebnisse einer NHS-Mitarbeiterbefragung aus 2022. Danach berichten 14,7 Prozent (45,8 Prozent) der Sanitäter, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal körperliche Gewalt durch Patienten, deren Verwandte oder andere Mitglieder der Öffentlichkeit erlebt zu haben und 27,8 Prozent davon, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einen Vorfall von Belästigung, Mobbing oder Missbrauch durch Patienten, deren Verwandte oder andere Mitglieder der Öffentlichkeit erfahren zu haben. „Die überwiegende Mehrheit der Patienten zeigt nichts als Respekt und Dankbarkeit, aber die inakzeptablen Handlungen einer kleinen Minderheit haben massive Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben unserer Kollegen“, kommentierte NHS-Geschäftsführerin Amanda Pritchard die Umfrage. Wie die Erfahrungen mit Bodycams der Einrichtungen effektiv zusamSo sieht das Videobild einer Bodycam aus, wie sie am Londoner St. Thomas’ Hospital jetzt testweise im Einsatz sind. Allein zwischen April und September dieses Jahres kam es in London zu 850 Übergriffen gegen Klinikpersonal. 2015 waren es im Vergleichszeitraum 620 Vorfälle. Läuft die sechsmonatige Testphase erfolgreich, sollen Bodycams in ganz London zum Einsatz kommen, berichtet die BBC. Foto: YouTube - BBC London
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