Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

80 | GESELLSCHAFT mengeführt werden sollen, ist noch offen, denn die Gliederung des Systems in regionale Organisationseinheiten (sogenannte Trusts) macht aus dem NHS einen Flickenteppich. Ähnliche schwierig sei darum die Datenbündelung zu gewaltsamen Vorfällen, berichtet der Guardian. Seit der Auflösung der zentralen Behörde NHS Protect im Jahr 2016 gebe es keine landesweite Datenerfassung mehr zu Vorfällen von Gewalt und Missbrauch gegenüber NHSBeschäftigten. Verantwortliche des Gesundheitssystems sagten gegenüber der Zeitung, man wolle nun neue Strukturen schaffen, um Art und Ausmaß sowie die Auswirkungen von Gewalt am Arbeitsplatz auf NHS-Mitarbeitende in allen Gesundheitseinrichtungen „besser zu verstehen“. Inzwischen wurde die unabhängige Thinktank RAND Corporation mit der Evaluation des seit 2021 laufenden Tests beauftragt. Laut RAND wurden bereits Umfragen, Gespräche in Fokusgruppen und Interviews mit Rettungskräften, Gewerkschaftsvertretern und Bürgern durchgeführt. Der Abschlussbericht der Untersuchung ist für Sommer 2024 angekündigt. Der Forschungsbedarf ist groß: Erst im Sommer 2022 kam eine australische Metastudie nach der Sichtung von rund 150 infrage kommenden Studien zu dem Schluss, dass keine von ihnen belastbare Aussagen zum EffektvonBodycams auf die Häufigkeit von gewaltsamen Übergriffen im medizinischen Bereich liefert. mg zm113 Nr. 20, 16.10.2023, (1830) USA: MIT BODYCAMS GEGEN RASSISMUS Auch in den USA erlebt das Gesundheitspersonal regelmäßig Gewalt im Berufsalltag. Aufgrund der dortigen Waffengesetze enden Konflikte mit Patienten im schlimmsten Fall sogar tödlich. So sorgte im Sommer 2022 ein Vorfall im USBundesstaat Oklahoma für Schlagzeilen, bei dem ein Mann in einem Krankenhaus vier Menschen und anschließend sich selbst erschoss. Ziel des Schützen soll sein Arzt gewesen sein, den er nach einer Operation für seine anhaltenden Rückenschmerzen verantwortlich gemacht habe. Rassismus führt in den USA auch dazu, dass schwarze Menschen eine schlechtere Versorgung bekommen. Mit Blick auf die Erfahrungen mit Bodycams zur Reduzierung von Polizeigewalt schlug die Assistenzärztin für Erwachsenen- und Kinderpsychiatrie Amanda Joy Calhoun daher vor, dass die Behandlungen des medizinischen Personals im Bewegtbild dokumentiert werden. Ihre Argumentation: „Wenn Angehörige der Gesundheitsberufe kein rassistisches Verhalten an den Tag legen, sollte es kein Problem geben.“ In ihrem Berufsalltag habe sie unzählige rassistische Verhaltensweisen gegenüber schwarzen Patientinnen und Patienten erlebt, oft verbunden mit grausamen Äußerungen. „Ich stand in der Notaufnahme, als ein schwarzer Teenager an einer Schusswunde starb, während das weiße Personal kicherte und sagte, er sei ,nur ein weiterer Krimineller'“. Ihre Diagnose: Trotz der AntirassismusVersprechen zahlreicher medizinischer Organisationen litten schwarze Amerikaner immer noch unter medizinischer Gewalt, die durch Verzögerungen bei der Versorgung, Unterbehandlung von Schmerzen und Fehldiagnosen zuweilen tödlich sei, berichtet Calhoun. Erst 2020 lenkte der Tod der schwarzen Ärztin Dr. Susan Moore viel Aufmerksamkeit auf das Problem. Die Medizinerin musste COVID-bedingt hospitalisiert werden und dokumentierte ihre unzureichende Behandlung per Video auf Facebook. Weniger als zwölf Stunden, nachdem die Ärzte sie gedrängt hatten, das Krankenhaus zu verlassen, wurde sie erneut eingeliefert und verstarb. Calhoun fragt: „Was wäre, wenn ihr Klinikteam Körperkameras getragen hätte? Die breite Öffentlichkeit hätte das Verhalten ihrer Ärzte und Krankenschwestern mit eigenen Augen miterleben können.“ Anders als die Frage zum Effekt von Körperkameras ist struktureller Rassismus im Gesundheitswesen der USA seit mehr als 20 Jahren bestens erforscht. Ein häufig gezogenes Fazit: Trotz aller Bemühungen fehlt es an wirksamen Strategien zur Reduzierung von Rassismus sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene. Per Knopfdruck werden die am Oberkörper getragenen Kameras aktiviert. Der schwarz-gelbe Hinweis informiert Patienten und Krankenhausbesucher, dass Bild und Ton aufgezeichnet werden. Eine rote Leuchtdiode zeigt an, wenn die Aufnahme läuft. Foto: YouTube - BBC London Nach Sanitätern und Sicherheitspersonal in Kliniken sollen auch Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte in der Notaufnahme mit Bodycams ausgestattet werden, um Übergriffe zu verhindern. Foto: YouTube - BBC London

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