Die Welt ist in Aufruhr, neben dem andauernden Ukraine-Krieg ist nun der Nahe Osten und der Konflikt zwischen Israel und seinen Anrainerstaaten in den Mittelpunkt des medialen und politischen Interesses gerückt. Dennoch: Die Situation in der ambulanten Versorgung und in unseren Praxen macht uns große Sorgen und wir müssen diese Sorgen adressieren und Lösungen gerade auch im Sinne unserer Angestellten sowie unserer Patientinnen und Patienten – jetzt eventuell mit etwas mehr Fingerspitzengefühl – einfordern. Und daher bleibe ich bei folgendem politischen Befund: Die inhaber(in)- geführte „Hauszahnarztpraxis“ hat Deutschland mit an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt. Dies belegen nicht zuletzt die Studien des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) eindrücklich. Die klassische Niederlassung selektiert ihre Patientinnen und Patienten nicht nach Rendite. Sie wird den Anforderungen des ländlichen Raumes besser gerecht als die meisten anderen Praxis-Settings. Gleichzeitig arbeitet sie gemeinwohlorientierter, als Investoren oder die öffentliche Hand dies organisieren könnten. Die „Hauszahnarztpraxis“ im Sinne eines „Grundversorgers“ deckt den Großteil der Patientenbedürfnisse in hoher Qualität und bei herausragender Patientenzufriedenheit ab und stützt sich regelmäßig auf ein streng qualitätsorientiertes Überweiser-Netzwerk. Unser aktuelles Problem Die damit verbunden Chancen verschwinden jedoch derzeit hinter einem anderen Problem: Die Studie „Berufsbild angehender und junger Zahnärztinnen und Zahnärzte“ des IDZ – und nicht nur sie – lässt erkennen, dass es unter jungen Kolleginnen und Kollegen einen Trend zur Anstellung und gegen die Niederlassung in eigener Praxis zu geben scheint. Das Image der eigenen Praxis hat also gelitten. Besonders deutlich zeigt sich diese Entwicklung im ländlichen Raum. Drei Gründe stehen dabei im Vordergrund: Die Gesundheitspolitik in Deutschland hat viel zu lange Geld und Ressourcen in den stationären Bereich mit angestellten Ärztinnen und Ärzten gesteckt. Die eigen-verantwortliche ambulante „Grundversorgung“, zu der die Zahnmedizin zählt, wurde mehr und mehr vernachlässigt. Übertriebene und widerlegte Äußerungen nach dem Motto, die „kleine Praxis“ werde den Anforderungen an moderne Zahnmedizin nicht mehr gerecht, eine Landpraxis sei finanziell nicht ausreichend auskömmlich und nur die Anstellung mache Verwaltung und Bürokratie erträglich, haben ebenfalls zu dem schlechten Image beigetragen. Dieses negative Image trifft auf junge Menschen, die nach der aktuellen Sichtweise ihren Schwerpunkt neben der Arbeit auch auf andere Faktoren wie Work-Life-Balance legen und die sich mit langfristiger ortsfester Lebensplanung schwerer tun. Unsere Lösungsansätze Nun steht die Gesundheitsversorgung in Deutschland vor weitreichenden Veränderungen, die zu einem neuen Verständnis von stationärer und ambulanter Versorgung führen sollen. Dabei sind es vor allem Tendenzen hin zu einer staatsnahen neuen Versorgungssäule, die wir sehr kritisch sehen: kostenintensive Doppelstrukturen, Großeinheiten in Konkurrenz zur bestehenden ambulanten Versorgung. Die selbstgesteckten Ziele des Koalitionsvertrags würden konterkariert. Wir müssen daher unseren Denkanstößen und Forderungen zur Stärkung der klassischen ambulanten Versorgung als Nukleus einer zukünftigen zahnärztlichen Versorgung zuspitzen, und damit auch die Versorgung in ländlichen Gegenden sicherstellen, ohne aufwendige und teurere Doppelstrukturen zu schaffen. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die „kleine Praxis“ mit ihren besonderen Nöten und Bedürfnissen – neben anderen Strukturen, die im Rahmen einer diverser werdenden Versorgungslandschaft entstehen werden – wieder mehr in den Fokus der Politik, aber auch der Selbstverwaltung zu rücken. Entbudgetierung und Ambulantisierung können dabei durchaus hilfreich wirken. Und ersten Weichenstellungen in Richtung Poliklinikstrukturen oder „deutsches NHS“ müssen wir massiv begegnen. Im Sinne unserer Patientinnen und Patienten, aber auch in unserem eigenen Interesse! Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Chancen der zahnärztlichen Niederlassung 6 | LEITARTIKEL Foto: GEORG JOHANNES LOPATA-AXENTIS.DE
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=