ZAHNMEDIZIN | 85 zm113 Nr. 21, 01.11.2023, (1939) In klinischen Studien wird zunehmend unterschieden zwischen: n technischen Komplikationen (zum Beispiel Austausch des Kunststoffeinsatzes des Futtergeschiebes erforderlich) beziehungsweise n technischen Misserfolgen (zum Beispiel Notwendigkeit der Neuanfertigung aufgrund einer großflächigen Keramikabplatzung) und n biologischen Komplikationen (Notwendigkeit einer endodontischen Behandlung) beziehungsweise n biologischen Misserfolgen (Pfeilerzahnfraktur mit der Notwendigkeit der Extraktion dieses Pfeilers). In die RaSDA-Studie wurden 215 Patienten eingeschlossen, deren mittleres Lebensalter in beiden Therapiearmen knapp unter 60 Jahren lag. Von den 109 auf die Therapie mit abnehmbarem Zahnersatz und den 106 auf die Versorgung nach dem Konzept der verkürzten Zahnreihe randomisierten Patienten wurden 81 beziehungsweise 71 Patienten therapiert. Nach fünf Jahren konnten in den beiden Studienarmen 71 beziehungsweise 61 Patienten nachuntersucht werden. Zur Zehnjahres-Nachuntersuchung kamen 44 beziehungsweise 38 Patienten. Für die 15-Jahres-Nachuntersuchung reduzierte sich das verbliebene Patientenkollektiv auf 29 beziehungsweise 28 Patienten. Zahnverlust trat in der untersuchten Patientengruppe deutlich häufiger auf als in zumeist jüngeren Patientengruppen, die mit Einzelkronen oder kleinen Brücken versorgt sind. Parodontitis ist in dieser Alters- und Patientengruppe häufig und beeinflusst dementsprechend die Pfeilerüberlebensraten. Aus diesem Grund ist über die Studiendauer eine erforderliche anteilige Neuversorgung der Patienten nicht unwahrscheinlich. Unter der Prämisse, dass das grundsätzliche Therapiekonzept beibehalten werden konnte, wurden mittlere Überlebenszeiten berechnet. Das bedeutete, dass gegebenenfalls trotz aufgetretener Komplikationen die abnehmbare Prothese weitergetragen und bei verkürzten Zahnreihen kein abnehmbarer Zahnersatz eingegliedert wurde. Die mittleren Überlebenszeiten unterschieden sich nur unwesentlich und betrugen in beiden Therapiearmen über 14 Jahre. Ein Einfluss des prothetischen Versorgungskonzepts hinsichtlich des Auftretens erhöhten BOPs (Bleeding on Probing) und erhöhter Plaqueanlagerung konnte belegt werden, und zwar zugunsten des SDA-Konzepts, bedingte aber keine signifikanten Vorteile hinsichtlich des Auftretens weiteren Zahnverlusts. Ursachen hierfür können aus den vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigten, dass Kiefer- und Gesichtsschmerzen grundsätzlich von 15 bis 20 Prozent der Patienten angegeben werden. Etwa fünf Prozent der Patienten gaben Schmerzen an, die im Sinne einer CMD gedeutet werden können. Unterschiede zwischen den beiden Therapiekonzepten bestehen nicht. Die von den Patienten angegebene Schmerzintensität war gering und unterschied sich nicht zwischen den beiden Therapiearmen. Zusammenfassend konnten aus der RaSDA-Studie keine Hinweise abgeleitet werden, dass die Versorgung nach dem Konzept der verkürzten Zahnreihe Craniomandibuläre Dysfunktionen begünstigt. Die Versorgung mit verkürzten Zahnreihen beeinflusste die Lebensqualität langfristig positiv. Unterschiede zwischen den Therapiekonzepten bestanden dabei nicht. Subjektiv heben sich wohl die Beeinträchtigungen durch das Tragen einer abnehmbaren Prothese beziehungsweise durch die geringere Anzahl von Zähnen und eine geringgradige Reduktion der Kaukraft gegenseitig auf. Der Nachsorgeaufwand unterscheidet sich dahingehend, dass abnehmbarer Zahnersatz einen signifikant höheren Anteil an technischem Komplikationsmanagement erforderte, während es hinsichtlich der schwerwiegenden biologischen Komplikationen keine Unterschiede zwischen den beiden Therapiekonzepten gab. Bezogen auf die konkrete Fragestellung der Versorgung von Patienten mit bilateral verkürzten Zahnreihen im Oberund Unterkiefer lässt sich das Studienergebnis so zusammenfassen, dass nur geringe Unterschiede über zehn Jahre hinsichtlich des primären Endpunkts „Zahnverlust“ bestehen. Sowohl die Wiederherstellung einer Molarenokklusion mit abnehmbarem, Geschiebe-verankerten Zahnersatz wie auch die Versorgung nach dem Konzept der verkürzten Zahnreihe sind nachhaltig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ab einer Studiendauer von etwa zehn Jahren sich der Behandlungsfokus wegen des Durchschnittsalters von circa 70 Jahren zunehmend auf gerostomatologische Aspekte verschoben haben dürfte. Zahnverlust ist in der untersuchten Patientengruppe überwiegend Resultat biologischer Komplikationen. Die Bedeutung des Versorgungskonzepts hat nur untergeordnete Relevanz für den Therapieerfolg. Folgerichtig erlangt die Patientenpräferenz herausragende Bedeutung für die Wahl des Versorgungskonzepts! Letztlich befördern die Ergebnisse der RaSDA-Studie den Weg in der Prothetik zu einer patientenzentrierten Therapieentscheidung und individualisierten Therapie. Korrekte zahnärztliche Vorgehensweise vorausgesetzt, steht bei der Versorgung von Patienten mit verkürzten Zahnreihen die Patientenpräferenz an erster Stelle. n ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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