Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 22

22 | TITEL zm113 Nr. 22, 16.11.2023, (1984) INTERVIEW MIT KONSTANTIN VON LAFFERT ZUR WISCHDESINFEKTION „Das Ganze ist völlig praxis- und realitätsfern!“ Seit zwei Jahren verhandelt die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) mit den obersten Hygienebehörden der Länder – ohne Ergebnis. Die Behörden fordern, dass eine Validierung der abschließenden Wischdesinfektion von semikritischen Medizinprodukten in Zahnarztpraxen durchgeführt wird. Und das, obwohl diese Desinfektion seit vielen Jahren über präzise Arbeitsanweisungen problemlos läuft – ohne Validierung. Konstantin von Laffert, Vizepräsident der BZÄK, skizziert die Hintergründe und verweist auf die weitreichenden Folgen für den Praxisalltag. Beim Thema „Validierung bei Wischdesinfektionen von semikritischen Medizinprodukten“ dreht sich die Diskussion mit den Behörden seit 2021 im Kreis. Warum platzt Ihnen jetzt der Kragen? Konstantin von Laffert: Nun, wir haben seit 2001 die identische Rechtslage und im Oktober 2021 erschien völlig überraschend ein aus unserer Sicht rechtswidriges „Informationsschreiben“ der obersten Hygienebehörden der Länder, des RKI und des BfArm, in dem plötzlich die Validierung der abschließenden Wischdesinfektion von semikritischen Medizinprodukten gefordert wird. Seit nunmehr zwei Jahren verhandeln wir mit den Behörden über eine Rücknahme dieses Schreibens, durch das die Versorgung im zahnärztlichen und ärztlichen Bereich völlig ohne Not in große Schwierigkeiten gerät. Das sehen die betroffenenärztlichen Verbände übrigens genauso. Wenn nicht jetzt bald eine vernünftige, praxisnahe und kostenneutrale Einigung mit den Behörden erzielt wird, werden womöglich bald die ersten Praxen mit dieser formalistischen Anforderung konfrontiert. Wir mussten jetzt die Praxen darüber informieren, dass wir dieses Vorgehen für rechtswidrig halten, damit die Praxen sich gegebenenfalls wehren können. Ein Lehrstück zu überbordender Bürokratie also? Aus meiner Sicht eindeutig ja, denn seit 22 Jahren wird die abschließende Wischdesinfektion mit Arbeitsanweisungen und praxisinternen Schulungen ohne Probleme erfolgreich durchgeführt. In der Pandemie hätten wir sicherlich nicht unsere allseits von der Politik gelobten sehr niedrigen Infektionszahlen gehabt, wenn hier eine Hygienelücke bestünde. Das Ganze ist völlig praxis- und realitätsfern. Was ärgert Sie dabei am meisten? Dass hier mal wieder Menschen über uns entscheiden, die den Praxisalltag nur aus der Ferne kennen. Was die Behörden uns damit in Zeiten des Fachkräftemangels einbrocken, können sie sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Ichhoffe nicht, dass Kolleginnen und Kollegen, die die 60 überschritten haben, nun einfach das Handtuch werfen, wenn solche zusätzlichen sinnlosen Formalismen wirklich kommen sollten. Solche Fälle sind uns leider schon wegen geringerer Anlässe bekannt geworden. Gerade in den unterversorgten ländlichen Gebieten wäre das katastrophal. Was würde in den Praxen passieren, wenn die Wischdesinfektion validiert wird? Nun, zunächst ist ja noch völlig unklar, wie eine solche Validierung genau aussehen könnte oder sollte, da es keine aussagekräftigen Leitlinien zu diesem Thema gibt. Wahrscheinlich stellen die Behörden sich das so vor, dass wir für viel Geld einen externen Validierer beauftragen müssen, der sich neben unsere erfahrenen Mitarbeiterinnen in die Praxis stellt und zuschaut, wie sie zum Beispiel eine Polymerisationslampe wischdesinfizieren. Das könnte von unseren Mitarbeiterinnen als der Gipfel der Kontrollitis und Misstrauenskultur aufgefasst werden und ich könnte mir vorstellen, dass so manche Mitarbeiterin das nicht einfach so über sich ergehen lässt. Wo sehen Sie die Hersteller in der Pflicht? Die Hersteller haben ihre Gebrauchsanweisungen aus unserer Sicht bisher korrekt formuliert und die Anforderungen an die Aufbereitung dort transparent für den Endverbraucher Zahnarzt dargestellt. Wenn die Gebrauchsanweisungen jetzt plötzlich von uns auf Fehlerhaftigkeit, also die Aufbereitung per Wischdesinfektion, kontrolliert werden sollen, wie die Behörden das offenbar wünschen, ist das natürlich nicht unsere Aufgabe, sondern die der Hersteller und der staatlich „Benannten Stellen“, die das Ganze ja zertifizieren. Die Gebrauchsanweisung ist schließlich ein Teil des Medizinprodukts. Was ist so absurd an den Forderungen der AGMP? Dass wir seit über 22 Jahren diese Aufbereitung unter den Augen der Behörden erfolgreich durchführen und bei Begehungen nie ein Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestand. Das ist in etwa so, als würde man alle Kraftfahrzeuge, die kein ABS haben, plötzlich stilllegen wollen. „So als würde man alle Kraftfahrzeuge, die kein ABS haben, plötzlich stilllegen wollen!“ BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert

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