POLITIK | 29 Zahnverlust. Sie steht in direkter Wechselwirkung mit Diabetes mellitus und nimmt zudem Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Gerade vor diesem Hintergrund sei es widersprüchlich und absolut unbegreiflich, warum der neuen, präventionsorientierten Parodontitistherapie mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) die erforderlichen Mittel entzogen worden seien, so Hendges weiter. „So ist es nicht mehr möglich, die neue Behandlungsstrecke flächendeckend auf ein Niveau zu heben, das der hohen Krankheitslast angemessen ist. Das ist ein Desaster mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung.“ Auch die BZÄK begrüßt den mit dem BIPAM signalisierten stärkeren Fokus auf Prävention, es zeigt sich aus ihrer Sicht aber insbesondere am Beispiel des HKE-Impulspapiers, dass der Ansatz zu kurz greift. „Vor allen Dingen bleibt darin unerwähnt, dass sich kardiovaskuläre Erkrankungen und Parodontitis gegenseitig beeinflussen können“, sagt BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler. „Und nicht nur das. Als entzündliche Erkrankung kann sie sich außerdem negativ auf Diabetes, neurologische Erkrankungen, Schlaganfälle oder Alzheimer auswirken und Frühgeburten begünstigen. Ein umfassender, präventiver Blick auf den Organismus bezieht daher die Parodontitis und deren Therapie mit ein – diesen Weitblick vermissen wir derzeit beim BMG. Daher fordern wir das BMG auf, zum einen die Parodontitis als einen wesentlichen Faktor zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Impulspapier zu berücksichtigen sowie die neue präventionsorientierte Parodontitistherapie im Rahmen der geplanten Gesetzesinitiative als wesentlichen Baustein zu verankern.“ Auch der Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) sieht Lücken und merkt an, dass zahnärztliche Aspekte in den aktuell benannten Tätigkeitsschwerpunkten nicht formuliert wurden. Die Zielvorstellung des BZÖG sei, dass sich daran „zukünftig etwas ändern wird“ und dass „die zahnärztliche Kompetenz im ÖGD ihren Niederschlag“ findet, schreibt der Verband in einem Statement, das den zm vorliegt. Dafür werde derzeit intensiv der Boden bereitet und es seien weitere Gespräche mit Nießen geplant. Dennoch sieht der BZÖG die zahnärztlichen Tätigkeitsschwerpunkte im ÖGD im Aufgabenpaket des BIPAM grundsätzlich klar widergespiegelt. „Zielgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen in Settings, zahnmedizinische Datenerhebung und Gesundheitsberichterstattung, die Vernetzung mit verschiedenen kommunalen Akteuren, evidenzbasiertes Arbeiten und Leitlinienkompetenz zeichnen unsere Arbeit bereits aus und machen uns zu einem unverzichtbaren Partner im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention“, heißt es in dem Statement. „Die nachweislichen Erfolge der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe als dem reichweitenstärksten Präventionsprogramm in Deutschland bestärken den BZÖG in seiner Hoffnung, diese Erfolge gemeinsam mit dem BIPAM zu verstetigen.“ Es darf kein BesserwisserInstitut werden! Es gibt noch mehr Kritik an den BIPAM-Plänen. So sieht das Impulspapier HKE vor, dass die Apotheken mit Leistungen wie Blutdruckmessungen, BMI-Berechnungen oder Beratungen zur Nikotinentwöhnung in die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen einbezogen werden. Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt kritisiert diesen Vorschlag scharf: „Die Politik will seit Jahren systematisch medizinische Leistungen aus der ärztlichen Versorgung in die Apotheken verlagern. Impfungen in Apotheken, sogenannte pharmazeutische Dienstleistungen durch Apotheker, assistierte Telemedizin und jetzt ärztliche Vorsorgeuntersuchungen in Apotheken sind nichts anderes als teure Parallelangebote, die einen Besuch beim Arzt und die ärztliche Präventionsberatung niemals ersetzen können.“ Apotheken seien keine „Arztpraxen-to-go“. Vom Koalitionspartner Bündnis 90/ Die Grünen kam grundsätzlich Zustimmung für Lauterbachs Pläne. Dabei sei essenziell, dass das BIPAM nicht nur das individuelle Gesundheitsverhalten, sondern insbesondere auch die Änderung der Lebensverhältnisse in den Fokus nimmt, damit alle Bürgerinnen und Bürger gesund aufwachsen, leben und alt werden könnten. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sieht das BIPAM fachlich als „richtigen Ansatz“, um die Lücke in der Prävention der nicht übertragbaren Krankheiten zu schließen. Allerdings müsse man sich innerhalb der Koalition bei der konkreten Ausgestaltung noch einigen und darauf achten, dass konkrete Gesundheitsvorsorge vor Ort gemacht wird und damit hauptsächlich bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. „Das BIPAM darf auf keinen Fall ein Besserwisser-Institut werden, das an der Realität der Bürgerinnen und Bürger vorbeigeht und die Ärztinnen und Ärzte vor Ort nicht einbezieht!” Thomas Moormann vom Verbraucherzentrale Bundesverband wies darauf hin, dass über Gesundheit nicht nur das individuelle Verhalten eines Menschen entscheide. Deutschland brauche keine „Schwerpunktsetzung auf individuelle Gesundheitsrisiken, medizinische und Verhaltensprävention“, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X. „Gesundheit entsteht überwiegend nicht im Gesundheitswesen, das zeigt uns nicht zuletzt die Klimakrise.“ sth zm113 Nr. 22, 16.11.2023, (1991) Bislang wurden zahnärztliche Aspekte in den aktuell benannten Tätigkeitsschwerpunkten noch nicht formuliert, aber eine Zielvorstellung des BZÖG ist es, dass sich hieran zukünftig etwas ändern wird. Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG)
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