42 | ZAHNMEDIZIN durch die Entfernung der Gingiva, des Periosts und des benachbarten Zahnes möglich [Kämmerer und Kunkel, 2008; Gundlach, 2022]. Klinisch ist nicht immer sicher zwischen dem peripheren und dem zentralen Riesenzellgranulom zu unterscheiden. Während das periphere Riesenzellgranulom jedoch eine Erkrankung des Alters darstellt, tritt das zentrale Riesenzellgranulom bevorzugt bei Personen zwischen dem 10. und dem 25. Lebensjahr auf. Primär im Unterkiefer lokalisiert, kann das zentrale Riesenzellgranulom zu Auftreibungen des Knochens und zu Zahnlockerungen führen [Schwarting et al., 2020]. Hier wird häufig zwischen einer nichtaggressiven und einer aggressiven Form der Erkrankung unterschieden. Die eher seltener (20 bis 30 Prozent) auftretende aggressive Verlaufsform zeichnet sich durch ein schnelles Wachstum mit Durchbrechen der Kortikalis, Wurzelresorptionen, Schmerzen und eine hohe Rezidivneigung aus [EI-Naggar et al., 2017; Gundlach, 2022]. In der radiologischen Bildgebung findet sich – wie im vorgestellten Fall – ein unscharf begrenzter, teilweise polyzystischer Befund, der differenzialdiagnostisch von einem Ameloblastom und der Keratozyste unterschieden werden muss. Makroskopisch zeigt der Befund ein fleischfarbenes, rötlich-braunes, hämorrhagisches Erscheinungsbild. Der histopathologische Befund ist gekennzeichnet durch eine Proliferation mononukleärer Spindelzellen und mehrkerniger Riesenzellen. Die Raumforderung kann lobuliert und von Osteoid und Geflechtknochen umgeben sein [Gundlach, 2022]. Radiologisch und histologisch ist die Differenzialdiagnostik zu anderen riesenzellhaltigen tumorähnlichen und tumorösen Kieferveränderungen nicht immer einfach. In der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie werden dieser Gruppe folgende Pathologien zugeordnet: das zentrale Riesenzellgranulom, der Riesenzelltumor, der sogenannte braune Tumor bei Hyperparathyreoidismus, der Cherubismus und die aneurysmatische Knochenzyste.DieDifferenzialdiagnostik zur aneurysmatischen Knochenzyste stellt sich insbesondere bei längerem Bestehen der Läsion schwierig dar. Während zu Beginn ein ballonartig-zystisches Aussehen für die aneurysmatische Knochenzyste typisch ist, kann diese später als seifenblasenartiger Befund imponieren. Sowohl die charakteristische Lokalisation im Unterkieferseitenzahngebiet, das schnelle Wachstum mit kollateralen Zahnverlagerungen bei erhaltender Vitalität als auch das Auftreten vor dem 30. Lebensjahr erschweren hier die Unterscheidung [EI-Naggar et al., 2017]. Während der echte Riesenzelltumor des Kiefers eine absolute Rarität ist und meist im Bereich der Extremitäten auftritt, stellt der braune Tumor eine weder histologisch noch radiologisch vom zentralen Riesenzellgranulom unterscheidbare Entität dar. Lediglich das Auftreten im höheren Lebensalter und die pathognomonische Erhöhung des Kalzium- und Parathormonspiegels im Blut erlauben hier eine Differenzierung. Das von den Nebenschilddrüsen produzierte Parathormon steuert die Absorption von Kalzium im Darm, die Kalziumrückresorption und die Phosphatexkretion in der Niere und so die osteoklastäre Knochenresorption über den Kalziumhaushalt. Durch die gesteigerte Osteoklastenaktivität und eine vermehrte Knochenresorption mit fibrösem Gewebeersatz kommt es zur Einblutung und dem typischen Bild des braunen Tumors [Gundlach, 2022]. Die Therapie der Wahl für das zentrale Riesenzellgranulom besteht in aller Regel in der Kürettage des Befunds, was jedoch Studien zufolge in elf bis 49 Prozent der Fälle mit einem Rezidiv einhergeht [de Lange et al., 2007]. Als alternative Therapieform zur Limitierung des Resektionsausmaßes kann die Gabe von Steroiden, Calcitonin, Interferon oder Denosumab erwogen werden [EI-Naggar et al., 2017]. Trotz der offensichtlichen Vielfalt der Behandlungsmöglichkeiten existieren bislang keine spezifischen Vorgaben zur Therapie solcher Läsionen bei Patienten mit Noonan-Syndrom [Bufalino et al., 2010]. Dies stellt insbesondere bei Vorliegen multipler oder ausgedehnter Befunde ein Problem dar. Hier muss zwischen Rezidivrisiko beziehungsweise Therapieversagen und der operationsbedingten Morbidität abgewogen werden. 1988 berichteten Jacoway et al. erstmals von der Behandlung von Patienten mit einem zentralen Riesenzellgranulom mittels Kortikosteroiden [Jacoway et al., 1988]. 1994 erschien der erste Fallbericht zu dieser Behandlungsform. Dort führte eine wöchentliche Injektion von Steroiden in die Läsion über einen Zeitraum von sechs Wochen bei drei Patienten zu einer vollständigen Rückbildung [Terry und Jacoway, 1994]. Bei solitären Knochenläsionen durch eine Langerhanszell-Histiozytose ist dies gängige Praxis, auch wenn dazu keine prospektiven kontrollierten Studien vorliegen [de Lange et al., 2007]. Die Wirkungsweise der Kortikosteroide in der Therapie des zentralen Riesenzellgranuloms ist nicht vollständig geklärt. In vitro konnte gezeigt werden, dass Dexamethason einerseits die Proliferation und die Differenzierung von Osteoklastenvorläuferzellen stimuliert, andererseits aber die lakunäre Resorptizm113 Nr. 22, 16.11.2023, (2004) FAZIT FÜR DIE PRAXIS Das Noonan-Syndrom ist eines der häufigsten genetischen Syndrome und die zweithäufigste Ursache für angeborene Herzstörungen. Typische Charakteristika des Noonan-Syndroms sind der Hypertelorismus, die Ptosis sowie große und tiefsitzende Ohren. Die Erkrankung ist häufig mit einem Kleinwuchs und einer Pulmonalstenose vergesellschaftet. Beim zentralen Riesenzellgranulom handelt es sich um einen gutartigen Knochentumor, der zu Auftreibungen des Kiefers führen kann. In seltenen Fällen tritt das zentrale Riesenzellgranulom als Symptom des NoonanSyndroms auf und kann hier sogar bilateral oder multilokulär vorhanden sein. Die Therapie des zentralen Riesenzellgranuloms besteht meist in der chirurgischen Entfernung. Ist dies nicht möglich, so können alternative Therapieverfahren wie die Gabe von Steroiden, Calcitonin, Interferon oder Denosumab erwogen werden.
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