60 | PRAXIS HOCHZEIT, TODESFALL & CO. Das Recht auf Sonderurlaub Bernhard Kinold Der beste Freund heiratet, ein Umzug steht an, das Kind ist krank: Wann steht einem Mitarbeiter Sonderurlaub zu? Ohne Arbeit kein Lohn oder wie es das Gesetz, Paragraf 614 BGB, formuliert: „Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten.“ Doch es gibt Ausnahmen. Die zwei bekanntesten sind der Anspruch auf bezahlten Urlaub und auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Rechtlicher Ausgangspunkt ist Paragraf 616 BGB. Dort heißt es: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ Der Arbeitnehmer muss einen persönlichen Grund haben Aus dem Juristensprech übersetzt heißt das: Erstens muss ein Verhinderungsgrund des Arbeitnehmers vorliegen. Hier sind insbesondere familiäre Ereignisse anerkannt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) schränkt das allerdings dahingehend ein, dass ein persönlicher Umstand vorliegen muss, der die Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer unzumutbar macht. Die Interessen des Arbeitgebers sind dabei gegen die Interessen des Arbeitnehmers abzuwägen (BAG, Urteil vom 18. Dezember 1959, GS 8/58). Anerkannt sind beispielsweise folgende Fälle: die eigene Hochzeit (standesamtlich und kirchlich) die Hochzeit der Kinder die eigene Silberhochzeit die Goldene Hochzeit der Eltern die Niederkunft der Ehefrau oder Lebensgefährtin die Beerdigung von engen Angehörigen (Eltern, Kinder, Geschwister) oder im Haushalt lebenden Personen religiöse Feste der eigenen Kinder (Erstkommunion, Konfirmation) Umzug (aus dienstlichen Gründen) In Betracht kommen aber auch persönliche Unglücksfälle wie Einbruch, Brand sowie Termine bei Behörden und Gerichten oder eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter. Die Gründe müssen allerdings immer persönlicher Natur sein. Fällt zum Beispiel wegen eines Streiks die Bahn aus, kann der Arbeitnehmer zwar womöglich nicht oder nicht pünktlich zur Arbeit erscheinen. Das ist aber keine persönliche Verhinderung, sondern eine die Allgemeinheit treffende Situation. In diesem Fall fehlt der Arbeitnehmer zwar am Arbeitsplatz, verliert aber für die Ausfallzeit seinen Vergütungsanspruch. Zweitens darf die Verhinderung nur „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ bestehen. Was bedeutet das? Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses: Bei Beschäftigungszeiten bis zu drei Monaten gilt ein Tag als unerheblich, bei Beschäftigungszeiten von drei bis sechs Monaten drei Tage, von sechs bis zwölf Monaten eine Woche, ab einem Jahr und darüber hinaus höchstens zwei Wochen pro Jahr. Entscheidend ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses Drittens darf die Verhinderung nicht schuldhaft herbeigeführt worden sein. Ein Verschulden liegt vor, wenn der Arbeitnehmer gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen hat. Das wird nur in ganz wenigen Ausnahmefällen der Fall sein und würde übrigens sogar eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verhindern (§ 3 EntgFG). So wurde ein Verschulden für Verletzungen wegen der Ausübung einer gefährlichen Sportart bisher nur für Kickboxen angenommen. Anerkannt ist auch, dass ein Unfall, der auf Alkoholkonsum zurückzuführen ist, selbstverschuldet ist. Und auch wenn sich Arbeitnehmer im Hinblick auf Krankheiten grob leichtsinnig oder sogar regelwidrig verhalten, kann dies ein Verschulden begründen. Sind die genannten Voraussetzungen gegeben, kann die Mitarbeiterin also dem Dienst fernbleiben und behält ihren Vergütungsanspruch. Das Fehlen muss sie allerdings unter Angabe der Begründung ihrem Chef so rechtzeitig wie möglich mitteilen. In ZweiHat die Mitarbeiterin Anspruch auf einen freien Tag, weil ihre Eltern Goldene Hochzeit feiern? Der Sonderurlaub ist eine bezahlte Freistellung von der Arbeit. Das Gesetz legt die Details dazu aber nicht fest. Genauere Regelungen stehen im Arbeitsvertrag, in der Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag. Foto: Leonardo Franko_stock.adobe.com zm113 Nr. 22, 16.11.2023, (2022)
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=