Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 22

72 | NACHRICHTEN BUNDESSOZIALGERICHT Nichtärztliche MVZ dürfen bei der Vertragssitzvergabe nicht benachteiligt werden Ist ein entsperrter Vertragssitz zu besetzen, dürfen nichtärztliche MVZ nicht benachteiligt werden, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. In dem Fall ging es um einen halben Vertragsarztsitz für die Gruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit Schwerpunkt Rheumatologie, der im Allgäu zu besetzen war. Die Zulassungsgremien in Bayern gaben einem Internisten den Zuschlag. Beworben hatte sich aber auch ein MVZ in Kempten, das gleichzeitig die Genehmigung zur Anstellung einer Ärztin beantragt hatte. Einzige Gesellschafterin des MVZ ist inzwischen eine GmbH, die nichtärztliche Dialyseleistungen erbringt. Auf den Widerspruch des MVZ verwies der Berufungsausschuss darauf, dass ein nichtärztliches MVZ laut Gesetz nachrangig zu behandeln sei. Die Vorschrift aus Paragraf 103 SGB V legt fest, „dass bei der Auswahl des Praxisnachfolgers ein medizinisches Versorgungszentrum, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem medizinischen Versorgungszentrum als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist“. Das MVZ klagte gegen die Anwendung dieser Klausel und hatte nun vor dem BSG Erfolg. Schon ihrem Wortlaut nach gelte die Nachrangregelung „allein für die Auswahl des Praxisnachfolgers im Nachbesetzungsverfahren“. In einem Auswahlverfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs sei dies „nicht anwendbar“. EinevomGesetzgeberübersehene„planwidrigeRegelungslücke“ gebe es hier nicht, betonte der BSG-Vertragsarztsenat. In dem gesamtenGesetzgebungsverfahrenseiesumVorgabenfürdieNachbesetzung gegangen. Hinweise, dass der Gesetzgeber einen weiteren Anwendungsbereich gewollt habe, gebe es nicht. Im Streitfall muss daher nun der Berufungsausschuss in Bayern neu über die Sitzvergabe entscheiden. Martin Wortmann Bundessozialgericht Az.: B 6 KA 26/22 R Urteil vom 25. Oktober 2023 EUROPÄISCHER GERICHTSHOF Zahnärztin muss Aktenkopie unentgeltlich herausgeben Deutsche Regelungen verstoßen gegen EU-Recht: Zahnärzte und andere Behandler müssen ihren Patienten unentgeltlich eine erste Kopie ihrer Patientenakte zur Verfügung stellen. Erst für eine zweite Kopie dürfen sie Kostenersatz verlangen, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Anderweitige deutsche Regelungen verstoßen danach gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Im Streitfall hatte ein Patient den Verdacht, dass seiner Zahnärztin ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Um dies überprüfen zu können, verlangte er eine Kopie seiner Patientenakte. Nach den deutschen Regelungen können Zahnärzte dafür Ersatz der durch das Kopieren entstehenden Kosten verlangen. Entsprechend war hier die Zahnärztin nur gegen Kostenersatz zum Kopieren der Akte bereit. Der Patient war allerdings der Ansicht, dass ihm die Aktenkopie dennoch unentgeltlich zusteht. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe legte den Streit dem EuGH vor. Der stellte nun fest, „dass in der DSGVO das Recht des Patienten verankert ist, eine erste Kopie seiner Patientenakte zu erhalten, und zwar grundsätzlich ohne dass ihm hierdurch Kosten entstehen“. Behandler könnten ein Entgelt erst verlangen, wenn ein Patient später eine weitere Kopie haben möchte. Zur Begründung erklärten die Luxemburger Richter, die Zahnärztin sei datenschutzrechtlich als „Verantwortliche“ für die Daten ihrer Patienten anzusehen. Als solche sei sie laut DSGVO verpflichtet, eine erste Kopie der Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dabei sei der Patient „nicht verpflichtet, seinen Antrag zu begründen“. Auch in der Akte enthaltene Dokumente müssten mit bereitgestellt werden, soweit diese zum Verständnis erforderlich sind. Umfasst sind danach alle Daten aus der Patientenakte, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte oder Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Entgegenstehende Regelungen in Deutschland sind danach nicht mit der DSGVO vereinbar. „Selbst mit Blick auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Behandelnden dürfen die nationalen Regelungen dem Patienten nicht die Kosten einer ersten Kopie seiner Patientenakte auferlegen“, urteilte der EuGH. Nach diesen Maßgaben muss nun abschließend wieder der BGH über den Streit entscheiden. Martin Wortmann Europäischer Gerichtshof Az.: C-307/22 Urteil vom 26. Oktober 2023 zm113 Nr. 22, 16.11.2023, (2034) Die Kasseler Richter entschieden: „Gleiche Chance für nichtärztliche MVZ bei entsperrten Sitzen.“ Foto: zwehren_stock.adobe.com

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