Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 22

78 | ZAHNMEDIZIN zm113 Nr. 22, 16.11.2023, (2040) Mini-VAC-Drainage wurde am zweiten postoperativen Tag entfernt. Die Gesichtsmotorik linksseitig im Bereich des Mundwinkels zeigte sich leicht abgeschwächt. Eine postoperative digitale Volumentomografie zeigte die beabsichtigte Verkürzung des linken Processus styloideus (Abbildung 4). Die Entlassung folgte am dritten postoperativen Tag in zeitgerecht gutem Allgemeinzustand. In der Nachsorge äußerte die Patientin eine Woche postoperativ eine deutliche Verbesserung der Beschwerdesymptomatik. Bei regredienter postoperativer Weichteilschwellung war die postoperative Schwächung der Gesichtsmotorik linksseitig im Bereich des Mundwinkels vollständig regredient. Eine Resektion des rechten Processus styloideus wurde aufgrund des Behandlungserfolgs für einen Termin sechs Monate nach der ersten Operation in Aussicht gestellt. Diskussion Unter dem Begriff Eagle-Syndrom werden unterschiedliche klinische Symptome zusammengefasst, die durch eine Verlängerung des Processus styloideus und/oder eine Verknöcherung des Ligamentum stylohyoideum verursacht werden [Piagkou et al., 2009; Badhey et al., 2017]. Das Eagle-Syndrom wurde erstmalig von Watt Eagle im Jahr 1937 als Kombination von Abnormitäten des Processus styloideus und dem Leitsymptom Halsschmerzen beschrieben [Eagle, 1937]. Es werden ein klassisches Eagle-Syndrom mit Halsschmerzen, Schluckschmerzen und einem Fremdkörpergefühl im Halsbereich und ein sogenanntes Stylo-Carotid-Syndrom mit halbseitigen parietalen Kopfschmerzen, transienten Sehstörungen und synkopalen Ereignissen unterschieden [Eagle, 1948; Eagle, 1949; Eagle, 1962; Piagkou et al., 2009]. Das Eagle-Syndrom tritt bei 40 bis 80 von 100.000 Menschen auf. Frauen mit einem Lebensalter über 50 Jahren sind am häufigsten betroffen [Kawasaki et al., 2012; Saccomanno et al., 2018]. Im Hinblick auf die Ätiologie finden verschiedene Vorstellungen hinsichtlich der zugrundeliegenden Ursache Zuspruch, unter anderem eine traumatisch bedingte reaktive Hyperplasie des Processus styloideus, eine traumatisch bedingte reaktive Verkalkung des Ligamentum stylohyoideum und eine nicht traumatisch bedingte anatomische Varianz [Steinmann, 1968; Steinmann, 1970]. Dabei kann pathogenetisch die klinische Symptomatik auf eine Kompression oder Irritation der in unmittelbarer Umgebung liegenden neurovaskulären Strukturen, unter anderem der Hirnnerven Nervus fazialis, Nervus glossopharyngeus und Nervus hypoglossus, und der Halsgefäße Arteria carotis externa und Arteria carotis interna, zurückgeführt werden [Badhey et al., 2017]. Klinisch werden zahlreiche und in ihrer Ausprägung vielfältige Symptome wie Halsschmerzen mit möglicher Schmerzausstrahlung in Richtung Ohr, Kiefer und Kiefergelenk, Schluckbeschwerden mit Schmerzen, ein Fremdkörpergefühl, Schmerzen bei Mundöffnung, Kopfschmerzen bei Drehbewegungen, aber auch Sehstörungen, Hörminderungen, Zahnschmerzen und Mundschleimhautulzerationen angegeben, wobei die Symptome Halsschmerzen und Schluckschmerzen als Leitsymptome gelten [Montalbetti et al., 1995; Badhey et al., 2017]. Teilweise lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Länge, der Breite und dem Verknöcherungsgrad des Processus styloideus und dem Ausprägungsgrad der Symptomatik feststellen [Ilgüy et al., 2005]. Interessanterweise wird oft eine einseitige Symptomatik angegeben, Abb. 3: 3-D-Rekonstruktion der digitalen Volumentomografie präoperativ mit Darstellung (rote Einfärbung und roter Pfeil) des linken Processus styloideus Abb. 4: 3-D-Rekonstruktion der digitalen Volumentomografie nach hoher Absetzung des Processus styloideus Foto: MKG, UK Aachen Dr. med. Dr. med. dent. Mark Ooms Facharzt für MKG-Chirurgie, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen Nicholas Noyen Arzt und Zahnarzt, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen Univ-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Frank Hölzle Klinikdirektor, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: privat

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