Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 23-24

84 | POLITIK zm113 Nr. 23-24, 01.12.2023, (2154) ARZT-KONTAKTZEITEN IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH Deutsche Arztbesuche sind kurz, aber häufig In Deutschland dauert ein Arztbesuch im Durchschnitt weniger als 15 Minuten. Die Patienten gehen dafür oft zum Arzt. In Schweden sind es dagegen mehr als 25 Minuten, dafür sind die Konsultationen seltener. Warum es in Europa so große Unterschiede gibt, hat das Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW) untersucht. So sind in Deutschland (7,6 Minuten; 80 Prozent der Besuche unter 15 Minuten) und Großbritannien (8,9 Minuten; 86 Prozent der Besuche unter 15 Minuten) die Arztbesuche sehr kurz. In der Schweiz und in Frankreich liegen die Kontaktzeiten im Mittelfeld – hier verbringen die Ärzte im Schnitt einige Minuten mehr mit ihren Patienten. Die skandinavischen Länder weisen die längsten Kontaktzeiten auf. Die Länge des Arztbesuchs sagt aber noch nichts über die Qualität und die Effektivität der Gesundheitsversorgung in einem Land aus, stellen die Autorinnen und Autoren klar. Ein Faktor, der laut Studie stark mit der durchschnittlichen Kontaktzeit zusammenhängt, ist die Art, wie ärztliche Leistungen vergütet werden. Dabei setzen die meisten Länder auf einen Mix der Vergütungsformen, allerdings mit sehr unterschiedlichen Gewichtungen. Separate Abrechnungen der Leistungen = längere Kontakte So hat Dänemark ein System, in dem das Arzteinkommen zu circa 30 Prozent aus Kopfpauschalen und zu 70 Prozent aus Fee-for-Service-Einnahmen besteht. Auch Österreich und Frankreich haben sehr hohe Anteile durch Fee-forService-Einnahmen. In den baltischen Ländern, in Deutschland oder auch in Italien gibt es dagegen einen sehr hohen Anteil von Kopfpauschalen. In einigen wenigen Ländern wie Finnland und Spanien erhalten Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem auch Festgehälter. In Deutschland sind auch P4P-Elemente, beispielsweise durch Selektivverträge, möglich. Das Fazit der Wissenschaftler: Länder, in denen jede Leistung einzeln abgerechnet wird, haben im Schnitt die längsten, und Länder mit leistungsunabhängiger Vergütung die kürzesten Kontakte. Kürzere Kontaktzeiten mit dem Hausarzt wurden neben Deutschland auch in den Niederlanden oder im Vereinigten Königreich festgestellt. Längere Kontaktzeiten gibt es in Frankreich, in Belgien oder in der Schweiz. In den nordischen Ländern sind die Kontaktzeiten am längsten. Aber auch die Arbeitszeitbelastung eines Arztes beeinflusst die Zeit, die er mit der Beratung eines Patienten verbringt. Anhand der Literaturrecherchen erkennen die Autoren somit einen Zusammenhang zwischen der Arbeitserfahrung des Arztes und der Dauer der Konsultation. Erfahrene Ärzte führen demnach seltener längere Konsultationen durch. Auch das Geschlecht der Behandelnden spielt eine Rolle. Erfahrene Mediziner halten das Gespräch kürzer So kommen die meisten Literaturstudien zu dem Ergebnis, dass Ärztinnen mehr Zeit für ihre Patienten aufbringen als ihre männlichen Kollegen. Weiterhin wurde aus der Recherche deutlich, dass Ärzte einen großen Teil der Konsultationszeit am Computer verbringen, was möglicherweise die persönliche Zeit mit dem Patienten reduziert. Festgestellt wurde auch, dass Frauen tendenziell längere Konsultationen haben als Männer. Die Arztbesuche dauern übrigens umso länger, je älter der Patient ist. Wer einen hohen sozioökonomischen Status hat, verbringt im Durchschnitt ebenfalls mehr Zeit beim Arzt, ebenso Patienten, die Dolmetscherdienste benötigen. Foto: StockPhotoPro - stock.adobe.com

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