Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 23-24

POLITIK | 85 zm113 Nr. 23-24, 01.12.2023, (2155) Auch mit zunehmender Komplexität der Erkrankungen werden die Konsultationen länger, etwa bei Patienten mit chronischen Krankheiten und Multimorbidität. Und wenn ein Patient zum ersten Mal zu seinem neuen Arzt geht, benötigt er auch mehr Zeit. Längere Arztbesuche gehen oft mit einem Rückgang der Selbsteinweisung von Patienten in eine Notaufnahme und in Krankenhäusern einher. In Interviews erfuhren die Forscher, dass die Hausärztinnen und Hausärzten der Meinung sind, dass die Digitalisierung dazu beitragen könne, administrative Prozesse in der Praxis zu beschleunigen. Dazu gehören Zeitgewinne bei Überweisungen zu Spezialisten, beim Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder bei der Bewilligung von Medikamenten. Auch der schnelle Zugriff zu Patientendaten, Laborergebnissen und der elektronischen Patientenakte sei von Vorteil. Fazit: Die ärztliche Kontaktzeit bleibt ein knappes Gut Im Ergebnis unterstreichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es weder in der gesundheitspolitischen noch in der wissenschaftlichen Diskussion Einigkeit darüber gebe, welche Kontaktzeit die beste ist. Dazu sei weiterer Forschungsbedarf notwendig. Was die Diskussion in Deutschland über die ambulante Versorgung betrifft, müsse geklärt werden, ob die Form der Leistungserbringung gesellschaftlich gewünscht und wirtschaftlich nachhaltig sei. Eine alternde Bevölkerung, steigende Sozialversicherungsbeiträge, ein zunehmender Ärztemangel, eine voranschreitende Ambulantisierung medizinischer Leistungen und die verDatenquelle: Commonwealth Fund, Survey of Primary Physicians 2019 Foto: ZEW DIE STUDIE UNTERSCHEIDET DREI VERGÜTUNGSSYSTEME IN EUROPA „ Input-orientierte Vergütungsformen: Sie konzentrieren sich auf die eingebrachte Arbeitszeit und die Qualifikation der Gesundheitsdienstleister. Ein Beispiel dafür sind Fixgehälter, bei denen Ärzte ein festes Gehalt erhalten, unabhängig von der Anzahl oder der Art der erbrachten Leistungen. Sie bieten finanzielle Sicherheit, können jedoch möglicherweise Anreize zur Über- oder Unterversorgung schaffen, heißt es in der Studie. „ Output-orientierte Vergütungsformen: Sie basieren auf den erbrachten Leistungen der Gesundheitsdienstleister und lassen sich wiederum in drei Kategorien unterteilen: „ a) Kopfpauschalen: Hier erhält die Ärztin oder der Arzt eine festgelegte Pauschale pro Patient, unabhängig von den erbrachten Leistungen. Diese Pauschalen können Impulse für eine effiziente Versorgung setzen, bergen jedoch das Risiko der Unterversorgung einzelner Patienten. Für Ärzte besteht den Autoren zufolge das Interesse, Kontakte mit den Patienten so kurz wie möglich zu halten. Das bedeute nicht zwangsläufig, dass die Qualität der Versorgung beeinträchtigt wird, könnte aber dazu führen, dass weniger Zeit für ausführliche Gespräche und Untersuchungen zur Verfügung steht. „ b) Bundling-Modell: Anstatt jede einzelne Leistung separat abzurechnen, erhalten die Ärzte eine pauschale Vergütung für einen definierten Leistungsumfang. Bundling kann die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen fördern und die Qualität der Versorgung verbessern, führt das Autorenteam an. „ c) Fee-for-Service (FFS): Jede Leistung wird separat abgerechnet und mit einem Betrag vergütet. FFS kann laut Studie zu einer angemessenen Erbringung, aber auch zu einer übermäßigen Inanspruchnahme von Leistungen führen. Beim FFS entsteht (wie beim Bundling-Modell) der Anreiz, möglichst viele Leistungen in einer Sitzung anzubieten oder zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, um höhere Einnahmen zu erzielen. Dies könnte zu längeren Arztbesuchen führen, bei denen auch medizinisch unnötige Untersuchungen durchgeführt werden. „ Outcome-orientierte Vergütungsformen: „Pay for Performance“ (P4P): Ärzte erhalten zusätzliche Zahlungen, wenn sie vordefinierte Ziele erreichen. Outcomeorientierte Vergütungsmodelle sollen die Qualität der Versorgung steigern. Unter dem P4P-Modell werden Ärzte nach der Qualität und Effizienz ihrer Versorgung bewertet und entsprechend vergütet. Hier besteht der Anreiz, dass Ärzte sich mehr Zeit nehmen, um die Behandlungsergebnisse zu verbessern und dadurch höhere Boni zu erzielen.

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