Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 01-02

ZAHNMEDIZIN | 55 Bei der virtuellen Aufzeichnung der dynamischen Okklusion beziehungsweise Funktion (Virtuell Functional Generated Path) ist der Artikulator in den Computer eingebaut. Eine Software errechnet die Artikulatoreinstellungen. Über eine solche virtuelle funktionelle Bissregistrierung (Full range dynamic Occlusion) ist laut Mehl und Geiger [Mehl und Geiger, 2023] in 94 Prozent der Fälle kein Einschleifen bei Einzelzahnrestaurationen oder kleineren Brücken mehr nötig. Prof. Dr. Falk Schwendicke aus Berlin referierte über künstliche Intelligenz (KI) in der Zahnerhaltung. Bei der Entwicklung einer KI-unterstützten Diagnostik-Software habe sich gezeigt, dass es für die KI schwieriger war, auf einem Röntgenbild einen Zahn 16 von einem 17 zu unterscheiden, als Karies zu erkennen. Die Vorteile der farbigen Darstellung von apikalen Entzündungen, Konkrementen und Kariesläsionen auf dem Bildschirm sieht er bei der diagnostischen Hilfestellung, einem automatisierten Reporting und der Patientenkommunikation. Für Patienten sind die farbigen Stellen auf dem Röntgenbild verständlicher als die unterschiedlichen Grauwerte. So vielfältig und interessant die Möglichkeiten der digitalen Zahnmedizin und der KI heute schon sind, „es mangelt noch daran, dass viele Schnittstellen bislang nicht untereinander kompatibel sind", sagte Schwendicke. n zm114 Nr. 01-02, 16.01.2024, (53) TAG DER WISSENSCHAFT: NEUES AUS KLINIK UND LABOR Zum achten Mal wurde am Tag vor dem Hauptkongress der „Tag der Wissenschaft“ ausgerichtet. In Kurzvorträgen werden wissenschaftliche Arbeiten vorgestellt, so erhalten die Zuhörer einen Einblick in die Forschungsaktivitäten an den verschiedenen Universitätsstandorten im deutschsprachigen Raum. Zusätzlich zum traditionellen Ablauf gab es ein besonderes Highlight: Gastgeber Prof. Dr. Reinhard Hickel führte in seinem Vortrag durch 30 Jahre Zahnerhaltung – als Rückblick auf seine Tätigkeit an der Zahnklinik der Ludwig-Maximilians-Universität. Hickel wird am Jahresende in den Ruhestand gehen. Vorab-Check durch Zahnmediziner reduziert Infektionen Eine Arbeitsgruppe um PD Dr. Gerhard Schmalz aus Leipzig widmete sich dem Problem der Frühinfektionen von Hüft- und Knieprothesen, die nach den vorliegenden Studien zu drei bis 13 Prozent orale Ursachen haben. Die Idee der Studie: Patienten, bei denen eine Endoprothesen-Operation vorgesehen war, erhielten im Vorfeld von ihrem Orthopäden ein Formular mit der Aufforderung, sich bei ihrem Hauszahnarzt vorzustellen. Dieser sollte nach der Untersuchung auf dem Formular ankreuzen, ob das Risiko einer infektiösen Komplikation mit oraler Ursache als gering, moderat oder hoch einzuschätzen ist. Zudem sollte der Zahnarzt beurteilen, ob eine Endoprothesen-Implantation erfolgen kann oder ob zuvor eine zahnärztliche Behandlung indiziert ist. Bei hohem Risiko für eine Infektion erfolgte zunächst keine Operation. Die zahnärztliche Zuweisung vor der Operation reduzierte das Risiko einer Frühinfektion deutlich. In der Test-Gruppe mit Vorstellung beim Zahnarzt erlitten 0,8 Prozent der Patienten eine Frühinfektion, in der Kontrollgruppe ohne Vorstellung beim Zahnarzt 1,8 Prozent. Glasfaserverstärkte Kompositrestaurationen bei MIH Eine gute Möglichkeit der minimalinvasiven Versorgung von großflächigen, flachen Defekten, wie sie bei Zähnen mit Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) vorkommen können, sind nach PD Dr. Britta Hahn aus Würzburg glasfaserverstärkte indirekte Kompositrestaurationen. Hersteller empfehlen eine Mindestschichtstärke von 1,5 Millimetern im Seitenzahn- und 1,0 Millimetern im Frontzahnbereich. Im Rahmen der Studie setzten die Behandler Schichtstärken von 0,2 Millimetern im nicht-kaulasttragenden Bereich ein. Die Anwendung ist bereits im Wechselgebiss gut möglich. Die einfache Reparaturmöglichkeit erlaubt es, die Liegedauer dieser Restaurationen zu verlängern. Die Restaurationen wiesen nach einer mittleren Beobachtungszeit von 5,7 Jahren eine überwiegend exzellente oder gute klinische Qualität auf. Kleinere Minuspunkte waren lediglich ein leichter Oberflächenglanzverlust, -verfärbungen und Plaqueanlagerungen an den restaurierten Zähnen. Wurzelkanaldesinfektion aus der Kläranlage? Eine Arbeitsgruppe aus Berlin um Dr. Marie-Luise Voit suchte im Rahmen einer Studie nach einer Möglichkeit, dem Endo-Problemkeim Enterococcus faecalis mit Bakteriophagen beizukommen. Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien infizieren. Sie injizieren dabei ihr genetisches Material in die Bakterien, um sich zu replizieren. Dies führt zur Zerstörung des Wirtbakteriums. Aus ungereinigten Berliner Klärwerkabwässern konnten die Forschenden E.- faecalis-spezifische Phagen isolieren. Diese Phagen zeigten allerdings nicht für sich alleine, sondern erst dann eine ausreichende Wirkung, wenn der Wurzelkanal (in vitro) vorher mit NaOCl gespült wurde und ihnen lange Einwirkzeiten gewährt wurden (6 h). Inwieweit die Ergebnisse dieser In-vitro-Studie auch klinisch reproduziert werden können, ist noch nicht geklärt. 20 Kurzvorträge über aktuelle Forschungsprojekte und ein Rückblick auf 30 Jahre Zahnerhaltung standen auf dem Programm am „Tag der Wissenschaft“ vor dem Hauptkongress. Alle Fotos: DGZ/DGR²Z/DGPZM/DGET

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