Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 03

14 | ZAHNMEDIZIN ARZNEIMITTELINTERAKTIONEN BEI ÄLTEREN PATIENTEN PRISCUS 2.0 für Zahnmediziner Frank Halling Die PRISCUS-Liste wurde zur Erhöhung der Medikationssicherheit insbesondere bei älteren Patienten entwickelt und enthält aktuell 177 Wirkstoffe und Wirkstoffklassen, die als „potenziell inadäquate Medikation im Alter“ (PIM) eingestuft werden. Die Liste ist in erster Linie als Orientierungshilfe für Hausärzte und Allgemeinmediziner gedacht, enthält jedoch auch einige Wirkstoffgruppen, die zahnärztlich verordnet werden. Untersuchungen zeigen, dass die Zahl der Menschen in Deutschland, die 65 Jahre und älter sind, von 2021 bis 2060 von 22 Prozent auf 30 Prozent steigen wird. Dabei wird sich der Bevölkerungsanteil der Personen, die 80 Jahre und älter sind, von sieben Prozent auf elf Prozent erhöhen [Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2021]. Bei älteren Menschen ist bei zahlreichen Medikamenten das Risiko für Nebenwirkungen erhöht. Dies ist oft auf die verminderte hepatische Metabolisierung und/oder die verzögerte renale Elimination zurückzuführen. In der Folge kann sich die Wirkdauer verlängern und die Intensität der Arzneimittelwirkung steigen, so dass der Körper insgesamt empfindlicher auf die Wirkstoffe reagiert [Delafuente, 2008; Maher et al., 2008]. Da bei vielen älteren Menschen eine Multimorbidität besteht, das heißt, es liegen drei und mehr behandlungsbedürftige Krankheiten vor, nimmt diese Patientengruppe häufig auch mehrere Medikamente gleichzeitig ein. Ab fünf Medikamenten spricht man von Polypharmazie, die ein besonderes medizinisches Risiko darstellt [Moßhammer et al., 2016; Masnoon et al., 2017]. Daten der AOK aus dem Jahr 2020 zeigen, dass 42,4 Prozent aller Menschen in Deutschland, die 65 Jahre und älter sind, regelmäßig fünf oder mehr Medikamente einnehmen. Knapp sieben Prozent nehmen sogar zehn und mehr Wirkstoffe dauerhaft ein [Thürmann et al., 2022]. Werden auch noch jene Medikamente berücksichtigt, die sich Patientinnen und Patienten ohne ärztliche Verordnung selbst in der Apotheke kaufen (OTC-Präparate), dann steigen diese Zahlen nochmals an. Zwischen der Anzahl der eingenommenen Arzneimittel und dem Auftreten arzneimittelbezogener Probleme besteht eine linear positive Assoziation [Viktil et al., 2007; Nobili et al., 2009]. Die Zahl der therapeutischen Konflikte und der möglichen Wechselwirkungen nimmt deutlich zu [Markun et al., 2014; Ude und Ude, 2013]. Vor diesem Hintergrund kann eine Liste „potenziell ungünstiger Medikamente (PIM)“ in der täglichen Praxis hilfreich sein. Um Wirkstoffe, die für ältere Menschen möglicherweise ungeeignet sind und vermieden werden sollten, klarer zu definieren, wurde 2010 für den deutschen Arzneimittelmarkt die erste PRISCUSListe (priscus: lateinisch für alt, ehrwürdig) mit PIM für ältere Menschen veröffentlicht [Holt et al. 2010]. Die Liste fand mittlerweile Eingang in medizinische Lehrbücher und diverse Verordnungssoftware. Nach mehr als zehn Jahren bedurfte die erste PRISCUS-Liste dringend einer Aktualisierung. Die Arbeitsgruppe um Prof. Petra Thürmann (Witten/Herdecke) hat nun Ende 2022 die lang erwartete Überarbeitung präsentiert: PRISCUS 2.0 [Mann et al., 2023]. PRISCUS 2.0 stuft nun 177 Wirkstoffe/Wirkstoffklassen als PIM ein, wo- „Aspirin-burn“ im Bereich des Unterkiefervestibulums durch direkte Einwirkung von Acetylsalicylsäure auf die Mundschleimhaut Foto: Frank Halling zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (116)

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