Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 03

18 | POLITIK UMFRAGE ZU DEN FOLGEN DER EU-MEDIZINPRODUKTEVERORDNUNG So massiv belastet die MDR auch die Zahnmedizin! Explodierende Kosten, fehlende Medizinprodukte, schwindende Innovationskraft: Wie massiv die europäische Medizinprodukteverordnung deutsche Hersteller belastet, zeigt eine neue Studie. Besonders betroffen: die Zahnmedizin. Eine aktuelle Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), der MedicalMountains GmbH und des Industrieverbands Spectaris von fast 400 Unternehmen zu den Auswirkungen der „Medical Device Regulation“ (MDR) kommt zu einem fatalen Ergebnis: Die Verordnung führe dazu, dass bereits heute schon viele Medizinprodukte vom Markt genommen werden – und bis 2027 zahlreiche weitere zu verschwinden drohen. In knapp 20 Prozent der Fälle sind die eingestellten Produkte den Herstellern zufolge alternativlos beziehungsweise nicht mehr in gleichwertiger Qualität auf dem EU-Markt verfügbar. Weitere 45 Prozent sind nicht vollständig kompensierbar. Unterm Strich sind danach nur 36 Prozent der Produkte, die aufgrund der MDR auf dem EU-Markt eingestellt werden, vollständig durch Wettbewerber-Produkte ersetzbar und stehen der Patientenversorgung weiterhin zur Verfügung. Für Anwender und Patienten außerhalb der EU bleiben viele dieser Medizinprodukte allerdings weiterhin verfügbar. So vertreiben 58 Prozent der Unternehmen, die ihre Produkte in der EU einstellen, diese weiterhin in Ländern außerhalb der EU – vornehmlich in den USA. Jedes fünfte Produkt ist ohne Alternative Generell stelle die MDR nahezu alle befragten Unternehmen vor große Umsetzungsprobleme: Drei Viertel der Betriebe sehen demzufolge negative Folgen für die Innovationstätigkeit, mehr als jede zweite Firma nehme einzelne Produkte oder komplette Produktionen und Sortimente vom Markt – tangiert seien davon alle 21 abgefragten Anwendungsgebiete. Die Produktgruppe mit den meisten eingestellten Artikeln sind laut Befragung chirurgische Instrumente wie Scheren, Nadelhalter und Pinzetten. Hier geben 70 Prozent der Hersteller an, mindestens einzelne Produkte vom EUMarkt zu nehmen. In der Zahnmedizin sind es 67 Prozent (Abbildung), darunter vor allem orthodontische Brackets und Drahtbögen. In Pneumologie und Schlafmedizin, Anästhesie und Intensivmedizin stoppen 63 Prozent der Betriebe die Produktion, zumeist von Beatmungsstativen, Notfallbeatmungsgeräten oder auch Schlafdiagnosegeräten. Bei der Thoraxchirurgie sind es 60 Prozent, in Traumatologie und Unfallchirurgie 58 Prozent und in der Radiologie 58 Prozent der Firmen. Zwar wurden Ende 2022 die Übergangsfristen für Bestandsprodukte bis 2027/2028 verlängert, dies ändere jedoch nichts an den strukturellen Problemen, heißt es in der Studie. Im Gegenteil: „Es manifestiert sich sogar die Einschätzung aus der ersten gemeinsamen Erhebung im Frühjahr 2022, wonach die MDR nach wie vor nicht praxistauglich ist“, bilanzieren die Autoren. Ob chirurgische Instrumente, Herzkatheter für Neugeborene, Notfallbeatmungsgeräte oder eben auch Brackets: Zwei Jahre nach Einführung der europäischen „Medical Device Regulation“ (MDR) ziehen deutsche Hersteller eine ernüchternde Bilanz. Foto: Michael Tieck_stock.adobe.com zm114 Nr. 03, 01.02.2024, (120) 15 PROZENT DER BETRIEBE STELLEN PRODUKTE AUS DER ZAHNMEDIZIN HER Die für die Studie befragten Unternehmen sind in unterschiedlichen Produktbereichen und Anwendungsgebieten tätig, vielfach auch in mehreren Anwendungsgebieten oder Produktgruppen. Der Herstelleranteil von chirurgischen Instrumenten beträgt fast 30 Prozent. Knapp 26 Prozent sind im der Bereich „Orthopädie, Rehabilitation, Rheumatologie“ tätig. Weitere Anwendungsgebiete und Produktgruppen sind: „Neurologie und Neurochirurgie“ (17 Prozent), Zahnmedizin, Nephrologie und Urologie (jeweils 15 Prozent), Traumatologie und Unfallchirurgie (13 Prozent). „Kreislaufsystem und Kardiologie“, Gefäßchirurgie, Thoraxchirurgie, Medizinische Software/Apps und Ophthalmologie (jeweils zwischen 11 und 13 Prozent).

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